Inschriftenkatalog: Passau II (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 101: Landkreis Passau II (2018)

Nr. 285 Steinkirchen, Ortenburg, ev. Kirche nach 1579

Beschreibung

Stifterinschrift des Johann Lindorfer und seiner Ehefrau Elisabeth, verw. Perfurt, für das Epitaph für den Passauer Hofgerichtsprokurator Melchior Perfurt. Innen, Chor, Nordwand, zweites Joch von Westen, oben, erstes Epitaph von Westen. Im Obergeschoß Aufsatz mit Bibelzitat (I); im Hauptgeschoß, in der Nischenzone zwischen zwei Pilastern, Relief: in der Mitte Kruzifix mit Titulus (II), links und rechts vom Kreuz zwei Inschriftentafeln mit Bibelzitat (III, IV), am Kreuzfuß links der Verstorbene in Hose, Wams und Mantel (Gestaltrock), einen hohen Hut in Händen, rechts seine Ehefrau in Haube und plissiertem Mantel, die Hände gefaltet, auf Podesten kniend, vor ihm ein Vollwappen, vor ihr ein Wappenschild. Hinter dem Mann Johannes der Täufer, der auf den Gekreuzigten weist; darunter Unterhang mit Blattvoluten und Engelskopf, darin querrechteckige Tafel mit eingezogenen, ausgerundeten Schmalseiten und Grabinschrift (V). Kalkstein.

Maße: H. 120 cm, B. 60 cm, Bu. 1,8 cm (I), 1,5 cm (II), 1,4 cm (III, IV), 1 cm (V).

Schriftart(en): Fraktur (I, III, IV, V), Kapitalis (II).

© BAdW München, Inschriftenprojekt [1/4]

  1. I.

    ROMO(ER)a) XIIII CAP(ITEL)b) / Vnser kainer lebet ihm selber vnd / kainer stirbet Ihm selber Leben wir, so / leben wir dem herrn Sterben wir, so sterben / wir dem herrn Darumb, wir lebe(n) oder sterbe(n), so / sein wir des herre(n), dann darzue ist Christus auch ge=/storbe(n)c) vnd aufferstanden vnd wider lebendig worde(n), das er vber Todte vnd lebe(n)dige herr seyd)

  2. II.

    ∙ I ∙ N ∙ R ∙ I ∙

  3. III.

    IOHANNES ∙ I ∙ CAP(ITEL)a) / Sihe das ist das lamb gottes / Welches der welt sunde tregt

  4. IV.

    Sein Perfurten seligen, Ạṃḅḷịg̣ẹṛ / vnd letzter drost spruche) / Ich wais das mein Gott lebet Ich / wais auch das mein Erlöser lebet / vnd lebet mein erlöser also will ich / auch lebene)

  5. V.

    Hie Ruhet in Gott, der Ernuest vnd fürnemb Melchior Perfurdt von / Leibsig1) gewester Bürger vnd hofgerichts Procurator In Passaw, welcher den / ∙ 13 ∙ Aprilis Anno (et)c(etera)f) ∙ 79 ∙ in Christo dem herrn seligelich entschlaffen ist deme / alls Irem geliebten Praedecessorj, auch hochgeliebte(n) Eegemahl zu seligster gedecht/nuß vnd schuldiger dannckhbarkhait Johann Lindorffer, vnd Elisabeth sein haus/frau, Eegedachts Perfurts gweste nachgelassne wittib, diß monume(n)tu(m) habe(n) aufrichten lassen ∙

Bibel- und Schriftstellerzitat(e):

    Röm 14, 7-9. (I)
    Joh 1, 29. (III)
    Nach Ijob 19, 25. (IV)
Wappen:
Perfurt2), Lindorfer3).

Kommentar

Kdm schreibt die Epitaphien Melchior Perfurts, Andre Hofmanns (Nr. 295) und Hans Kotzs (Nr. 305) auf Grund des Aufbaus demselben Meister zu4). Während die bildliche Darstellung durchaus starke Ähnlichkeiten aufweist, ergibt der Schriftbefund hier keine auffallenden Gemeinsamkeiten.

Melchior Perfurt ist in den Universitätsmatrikeln von Leipzig, Wittenberg, Ingolstadt und Wien nicht fassbar, als Hofgerichtsprokurator in Passau muss er über eine juristische Ausbildung verfügt haben. Die Angabe Leibsig in der Inschrift weist auf eine Herkunft aus der sächsischen Stadt hin.

Johann Lindorfer stammte vermutlich aus einer Passauer Familie. Ein Hans Lindorffer ist von 1534 bis 1549 als Rechtssprecher in der Stadt belegt5). Johannes Lindorfer war – nach dem Inschriftentext zu schließen – Nachfolger Melchior Perfurts als Hofgerichtsprokurator, also wohl ein Prozessbevollmächtiger am bischöflichen Gericht. Vom 24. April 1580 bis zum Juni des folgenden Jahres ist ein Johann Lindorffer aus Passau als Klosterrichter in Kremsmünster belegt6).

Lindorfer lässt sich außerdem als Student der Rechte an der Ingolstädter Universität nachweisen7). Auffällig ist die Setzung eines Epitaphs für einen bischöflichen Bediensteten in der lutherischen Begräbniskirche in Steinkirchen. Melchior Perfurt war vielleicht noch zu einer Zeit in Passau tätig, als eine lutherische Gesinnung geduldet wurde, solange sie nicht öffentlich wurde. In der zweiten Hälfte der Regierungszeit Bischof Urbans von Trenbach ist eine solch tolerante Haltung einem höheren bischöflichen Beamten (der nicht dem Adel entstammte) gegenüber allerdings kaum mehr vorstellbar.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung unklar.
  2. Kürzung unklar, erste Zeile zentriert und in Kapitalis.
  3. Als Trennzeichen drei Striche übereinander.
  4. Letzte Zeile in verkleinerter Schrift; y auf dem Rand.
  5. Zeile zentriert.
  6. Tironisches et und c.

Anmerkungen

  1. Wohl Leipzig?
  2. Schild geteilt, oben ein schreitender Bär.
  3. Geteilt, oben ein Fisch von einem Pfeil durchbohrt. Es kann nicht geklärt werden, ob es sich um das Wappen der Lindorffer oder das Geburtswappen der Ehefrau handelt. Jedenfalls ist es nicht identisch mit einem der Wappen auf dem Grabdenkmal des Passauer Dombaumeisters Hanns Lindorfer (vgl. DI 67 (Stadt Passau) Nr. 319).
  4. Vgl. Kdm NB XIV (Vilshofen) 312.
  5. Vgl. Eichhorn, Beichtzettel 368-370. Diese Familie ist auf Grund des Wappens nicht gleichzusetzen mit der des Passauer Dombaumeisters des frühen 16. Jahrhunderts (vgl. DI 67 (Stadt Passau) Nr. 319).
  6. Vgl. Patrouch, Negotiated 170f.
  7. Pölnitz, Matrikel Ingolstadt I, 1567, 837, 31.

Nachweise

  1. Kdm NB XIV (Vilshofen) 312; Grabdenkmäler 69f., Nr. 37 (mit Abb.).

Zitierhinweis:
DI 101, Landkreis Passau II, Nr. 285 (Ramona Baltolu / Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di101m019k0028501.