Inschriftenkatalog: Passau II (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 101: Landkreis Passau II (2018)

Nr. 272 Ortenburg, ev. Pfk. (Marktkirche) (1575)

Beschreibung

Sterbeinschrift für Anton von Ortenburg mit Stifterinschrift des Joachim auf einem Wandgrabmal. Innen, Chor, Nordwand, zweites Joch von Westen. In einer in der Wand eingetieften Rundbogennische aufgestellt. Bis Beginn des 20. Jahrhunderts durch ein mit Wappenschilden geschmücktes Gitter vom Kirchenraum abgegrenzt1). Ädikulaförmiger Aufbau: von zwei auf Piedestalen stehenden kannelierten Säulen getragenes Gebälk, rechts und links mit Vasen geschmückt, in dessen Mitte bogenförmiger Giebel, im Giebelfeld, das Feld und die gesamte Höhe des Gebälkes mit einnehmend, Schrifttafel in Beschlagwerkrahmen mit Grabinschrift, beseitet auf dem Fries von Festons. Unter dem Gebälk, hinter den Säulen, von mit Beschlagspangenwerk verzierten Halbpilastern getragener Rundbogen; in den Zwickeln je eine Wappenkartusche, unter dem Bogen Vollwappen in rundem Lorbeerrahmen. Unten zwischen den Piedestalen, den Säulen vorgestellt, Steinsarkophag, durch kannelierte Lisenen gegliedert, mit Basreliefs an der Vorderseite: links Iustitia distributiva, rechts Tribulatio cordis2) und an den Seiten je einem Aigikranion auf Beschlagwerk. Auf der Deckplatte auf einem Felssockel, vollplastische halb aufgerichtete Liegefigur des jugendlichen, bartlosen Verstorbenen in Harnisch mit Schwertgehänge, auf der Seite liegend, den Kopf auf seine Linke gestützt, die Rechte am rechten, angewinkelten Bein, hinter seinen Beinen ein Helm, vor ihm bei Kopf und Füßen je ein Handschuh. Sarkophag und Bogenrückwand in Rotmarmor, Basreliefs in weißem Marmor, Wappenkartuschen in Sandstein, Schrifttafel in schwarzem Kalkstein, restliche Teile Plattenkalk.

Maße: H. ca. 600 cm, B. 302 cm, H. (der Schrifttafel) 60 cm, B. (der Schrifttafel) ca. 134 cm, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenprojekt [1/2]

  1. D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO) S(ACRVM)a) / ANTONIOb) VETVSTISS(IMAE) PROSAPIAE COMITI ORTEMBVRGIO / OMNIB(VS) INGENII CORPORIS FORTVNAE MVNERIB(VS) DIVI/NITVS ORNATO CAES(AREAEI) M(AIESTA)TI MAX(IMILIANO) II A CONSILIIS QVI / SIBI FOELICITER REIPVB(LICAE) GERMANICAE ET SVIS CALAMITOSE / IN IPSO AETATIS FLORE ET AMPLISS(IMAE) DIGNITATIS SPE HVIC / AERVMNOSAE VITAE BEATAM IMMORTALITATEM PRAETVLIT / IOACHIMVS PATER MOESTISS(IMVS) VNICO ET OBSEQVENTISS(IMO) / FIL(IO) M(ONVMENTVM) H(OC) F(IERI) C(VRAVIT) VIXIT AN(NOS) XXII ∙ MEN(SES) IX DIES VIII O(BIIT) AN(NO) / M D LXXIII ∙ MAII DIE XXIII REL(ICTO) POSTHVM(O)c) FRIDERICO / EODEM AN(NO) NATO ET MORTVO

Übersetzung:

Gott dem Allmächtigen und Allgütigen geweiht. Anton, dem Grafen von Ortenburg aus sehr altem Geschlecht, durch göttliche Fügung ausgestattet mit allen Gaben des Geistes, des Körpers und des Schicksals, der kaiserlichen Majestät Maximilians II. Rat, der sich selbst zum Heil, dem deutschen Gemeinwesen und den Seinigen aber zum Unglück, in der Blüte des Alters und in der Hoffnung auf umfangreichere Würden, diesem mühseligen Leben die selige Unsterblichkeit vorzog. Joachim, der untröstliche Vater, ließ dem einzigen und sehr gehorsamen Sohn dieses Denkmal setzten. Er lebte 22 Jahre, neun Monate und acht Tage; er starb im Jahre 1573, am 23. Tag des Mai; einen nachgeborenen Sohn Friedrich hinterlassend, der in demselben Jahr geboren wurde und gestorben ist.

Wappen:
Ortenburg, Ortenburg, Hanau3).

Kommentar

Die Nische, in der das Grabmal steht, wurde dafür in die Chorwand eingetieft. Das Grabdenkmal steht heute noch an seinem ursprünglichen Platz. Der Überlieferungszusammenhang ist aber dennoch gestört, denn es fehlt das dem Grabmal vorgesetzte eiserne, an der Oberseite mit Delfinen und Akanthusblättern verzierte Gitter, an dem Wappenschilde angebracht waren, und der Totenschild für Anton (vgl. Nr. 259), der im Jochbogen über der Nische angebracht war. Er befindet sich heute an anderer Stelle. Die halbrunde Nische hatte zudem eine schwarz marmorierte Farbfassung und die Dienste der gotischen Gewölberippen waren korrespondierend zu den Rotmarmorteilen des Denkmals rot gefasst4). Eine Notiz Joachims über das Grabmal seines Sohnes erwähnt als weitere Elemente noch eine Totenfahne und geschmelzte Gläser5).

Das Denkmal für Anton von Ortenburg wurde im Auftrag seines Vater Joachim in den Jahren 1574 und 1575 von dem Regensburger Bildhauer Hans Pötzlinger, der Statue, Wappen, Basreliefs und Inschriften schuf, und dem Petersdorfer Steinmetz Christoph Stiber, der den Sarkophag und die Architekturteile verantwortete, gefertigt6).

Zur Verwendung gelangt eine sehr klassische Kapitalis. Der Wechsel von Haar- und Schattenstrichen sowie von breiten und schmalen Formen kommt zum Einsatz. Die Formen wirken sehr harmonisch. Es ist sogar noch eine Vorlinierung für die Inschrift zu erahnen. E besitzt – wie in der Renaissance üblich – den kürzeren Mittelbalken; der Mittelteil des M reicht bis auf die Grundlinie; die R-Cauda ist stachelförmig und sitzt am Bogen an.

Neben diesem Denkmal ließ Joachim auch in der traditionellen Grablege der Ortenburger, der Ortenburgkapelle am Passauer Dom, ein Epitaph für Anton und Friedrich von Ortenburg errichten (vgl. DI 67 (Stadt Passau) Nr. 637).

Anton von Ortenburg war der einzige Sohn des Joachim (vgl. Nr. 280) und seiner ersten Ehefrau Ursula, geb. Fugger. Er wurde am 5. September 1550 geboren. Er studierte in Ingolstadt, Bourges, Straßburg und Padua und unternahm eine Kavalierstour durch Italien und Frankreich7). Am 10. November 1569 wurde Anton zum Reichshofrat ernannt. 1570 vermählte er sich mit Dorothea, der Tochter des Philipp (III.) Graf von Hanau zu Münzenberg und der Helena, geb. Pfalzgräfin bei Rhein8). 1573 wurde er herzoglich württembergischer Rat und Pfleger zu Heidenheim. Er starb auf der Reise dorthin, auf einem Donauschiff zwischen Regensburg und Kelheim, am 23. Mai 1573, an einem Herzinfarkt9). Nach seinem Tod gebar seine Witwe am 1. Dezember 1573 einen Sohn Friedrich, der bereits drei Tage darauf, am 4. Dezember, starb10).

Textkritischer Apparat

  1. Zeile zentriert.
  2. Anfangsbuchstabe vergrößert und außerhalb des Schriftspiegels am linken Rand.
  3. Kein Kürzungszeichen erkennbar.

Anmerkungen

  1. Vgl. Kdm NB XIV (Vilshofen) Fig. 178.
  2. Iustitia distributiva nach einem Kupferstich des Cornelis Cort vgl. Dinzinger, Hans Pötzlinger 82f. Tribulatio cordis nach einer Zeichnung Dürers für Willibald Pirkheimer, vgl. Meys, Memoria 621, vgl. auch Dinzinger, Hans Pötzlinger 77-82.
  3. Siebmacher Gf 24.
  4. Vgl. Dinzinger, Hans Pötzlinger 47, Farbangaben nach einem kolorierten Stich im Archiv des Hauses Ortenburg.
  5. Vgl. Dinzinger, Hans Pötzlinger 47 und U 25.
  6. Zu den erhaltenen Verträgen und dem Ablauf der Arbeiten vgl. Dinzinger, Hans Pötzlinger 47-56.
  7. Vgl. zu seiner Ausbildung Ludwig, Non cedit 231f.
  8. Dorothea verließ 1575 Ortenburg und vermählte sich 1585 ein zweites Mal mit Volrad, Graf von Gleichen zu Kranichfeld, sie verstarb erst am 5. September 1638. Vgl. Hausmann, Grafen 34.
  9. Hausmann, Grafen 34 (XIV.10).
  10. Hausmann, Grafen 36 (XV.12).

Nachweise

  1. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, A: 125 Quod. (9); Kdm NB XIV (Vilshofen) 238, Fig. 178; Dehio NB (2008) 459; Dinzinger, Hans Pötzlinger 43-104; Evangelische Kirchen 8-10; Meys, Memoria 620-622, Abb. 39.

Zitierhinweis:
DI 101, Landkreis Passau II, Nr. 272 (Ramona Baltolu / Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di101m019k0027200.