Inschriftenkatalog: Passau II (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 101: Landkreis Passau II (2018)

Nr. 151 Kößlarn, Kirchenmuseum Kößlarn 2. H. 15. Jh.

Beschreibung

Bildbeischriften auf Kaselstab, der sekundär aus Fragmenten zweier Stickereien, darunter eines Kaselkreuzes, wohl zu Beginn des 18. Jahrhunderts zusammengefügt wurde. Das Grundgewebe der Kasel besteht bis auf die Schulterpartie am Halsausschnitt aus einem violettem Seidengewebe in Atlasbindung aus der Gruppe der Granatapfeldamaste mit broschierten und lancierten Metallfäden (vergoldeter Silberlahn um Seidenseele, s-gedreht). Darauf montiert auf Vorder- und Rückseite je ein breiter Kaselstab aus Seiden- und Metallstickereien in verschiedenen Stichtechniken auf Leinen, die das Grundgewebe vollständig bedecken.

Vorderseite: Hl. Katharina mit Wagenrad unter gotischem Gewölbe; darüber und darunter auf angefügten Fragmenten mit Rosettensonnen im Hintergrund je eine aus Wolken erscheinende Halbfigur eines Engels mit zum Gebet gefalteten Händen, heute beide Engel mit Blickrichtung zum Halsausschnitt.

Rückseite: bekrönte Hl. Margarethe mit Drache und Kreuz unter gotischem Architekturbaldachin, darüber auf einer von einem Wolkenkranz umgebenen Mondsichel mit Gesicht bekrönte Madonna mit ihr zugewandtem Christuskind auf den Armen unter gotischem Architekturbaldachin mit zentralem Kielbogen; zu beiden Seiten der Madonna flankiert jeweils ein mehrfach geknicktes, geschwungenes Schriftband den Körper Mariens ab Kniehöhe bis zum Haupt: links nach innen gewendet wohl deutschsprachig (I), rechts nach außen gewendet ein Teil des Ave Maria (II); Hintergrund des gesamten Kaselstabs mit Rosettensonnen. Alle Teile der Kasel sind mit silberfarbigen Borten eingefasst. Sowohl das Grundgewebe als auch die Borten und Stickereien setzen sich jeweils aus verschiedenen Fragmenten zusammen. Das Grundgewebe brüchig, Stickerei löst sich an einigen wenigen Partien vom Leinengrund, Buchstaben abgerieben1).

Maße: Bu. ca. 0,7 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. I.

    [---]ạṣ ∙ mit ∙ dein ∙ genaden ∙ // ∙ // ∙

  2. II.

    [Ave Maria grat]iaa) ∙ Plena ∙ D(omi)n(u)s ∙ tecụṃ ∙ [---] // ∙ // [---]b)

Übersetzung:

Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. (II)

Bibel- und Schriftstellerzitat(e):

    Ave-Maria-Gebet. (II)

Kommentar

Ebenso wie die quadrangelförmigen Worttrenner mit roter Seidenkontur sind die filigranen Buchstaben über die beide Schriftbänder füllende Metallstickerei in Anlegetechnik in dunkler Seide in Fadenstärke mit Stielstichen gearbeitet. Da der Goldgrund der Schriftbänder im Laufe der Zeit oxidiert und somit vergraut ist, verringerte sich der ursprünglich vorhandene Kontrast zwischen Hintergrund und Buchstaben. Zusätzlich erschwert die Lesung, dass die Buchstaben einfädig ausgeführt und zum Teil abgerieben sind. Die Minuskelbuchstaben sind in ein Zweilinienschema eingepasst, das Ober- und Unterlängen nur geringfügig durchbrechen. Bei Plena und D(omi)n(u)s sind die Versalien mit roten Zierstrichen betont. Während beim rechten Schriftband die Buchstaben einen deutschsprachigen Text erkennen lassen, zeigt das linke einen Abschnitt des lateinischen Ave-Maria-Gebets. Auf den beiden Engelfragmenten der Vorderseite, die auf Grund der Rosettensonnen sowie des Materials und der Sticktechnik ursprünglich den rückwärtigen Kaselstab auf Höhe der Schriftbänder beiderseits als Kreuzarme zu einem Kaselkreuz erweiterten, finden sich an den Kanten bei den gefalteten Händen jeweils minimale Reste der Schriftbänder. Buchstaben sind hier nicht festzustellen, so dass von einer Konzentration des Textes auf den Stamm des Kreuzes auszugehen und nur mit geringen Verlusten zu rechnen ist.

Auf Grund der verschiedenartigen Behandlung des Hintergrunds und der schwächeren Qualität des Katharinenfragments kann ein ursprünglicher Zusammenhang der Stickereien ausgeschlossen werden. Der Stil der Stickereien mit Rosettensonnen ist der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zuzuordnen. Erst im 18. Jahrhundert, dessen Vorlieben Schnitt und Anordnung der Dekorationselemente entsprechen, wurde die Kasel unter Verwendung eines Grundgewebes aus dem 17. Jahrhundert ihrem heutigen Erscheinungsbild entsprechend zusammengefügt2).

Textkritischer Apparat

  1. Da die zu rekonstruierende Länge des Schriftbandes für den gesamten Text zu wenig Platz bietet, ist mit Kürzungen zu rechnen.
  2. Unsicher, ob auf dem restlichen Schriftband ursprünglich noch Beschriftung folgte.

Anmerkungen

  1. An dieser Stelle ist Kunstreferent Alois Brunner (Passau) herzlich für die Einsichtnahme in den Restaurierungsbericht (Januar 1997) von Theresia von Waldburg (Fuchstal-Leeder/Epfach) zu danken.
  2. Vgl. Stolleis, Messgewänder 14-17, 34-42.

Nachweise

  1. Kdm NB XXI (Griesbach) 172, Fig. 99.

Zitierhinweis:
DI 101, Landkreis Passau II, Nr. 151 (Ramona Baltolu / Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di101m019k0015102.