Inschriftenkatalog: Passau II (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 101: Landkreis Passau II (2018)

Nr. 34 Otterskirchen, Gde. Windorf, Pfarrhof, Nebengebäude 4. V. 14. Jh./1. D. 15. Jh.

Beschreibung

Sterbeinschrift für Wernhard Grubar und seine Ehefrau Wandel (Wandula) auf dem Fragment einer Wappengrabplatte. In einem Nebengebäude des Pfarrhauses aufbewahrt, um 2004 an der Pfarrkirche St. Michael, außen, Nordseite, zwischen der Seelenkapelle und der nördlichen Seitenkapelle, lose angelehnt, um 1926 ebendort in der Seelenkapelle in die Wand eingelassen1), um 1900 am gleichen Ort im Boden2). Hochrechteckige Platte, im Feld zwei Vollwappen unter Maßwerkarchitektur. Um das Relief Umschrift zwischen vertieften Linien. Rotmarmor. Die obere Schmalseite der Platte ist abgebrochen. Teile der Wappen möglicherweise ursprünglich inkrustiert.

Lesung ergänzt nach Photo BLfD.

Maße: H. 158 cm, B. 94 cm, Bu. 8 cm (gemessen u).

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© BAdW München, Inschriftenprojekt [1/1]

  1. [---/---]a) ∙ obyt ∙ wer(n)hard(us)b) ∙ dict[(us)] ∙ grụḅạṛ ∙ ị(ṇ) ḍịẹc) ∙ / kathc̣erined) ∙ (et)e) ∙ vxor ∙ sua / ∙ wa(n)del ∙ cu(m) ∙ p̣ụrisf) ∙ sunt ∙ hic ∙ sepulltyd) [---]

Übersetzung:

... starb Wernhard, genannt Grubar, am Tag Katharina, und seine Frau Wandel mit Kindern sind hier begraben.

Datum: 25. November.

Wappen:
Grueber3), unbekannt4).

Kommentar

Die Gotische Minuskel erscheint in ihrer Ausführung sehr wuchtig. Auffallend ist g, das in den Mittellängenbereich eingestellt ist. Die Schrift kann keiner anderen Ausprägung zugeordnet werden. Es können jedoch in den Jahren um 1400 Inschriften ausgemacht werden, bei denen g ebenfalls in den Mittellängenbereich gestellt wird. Die Ausformung des Buchstabens weicht bei jenen jedoch von der vorliegenden ab (vgl. hierzu Nr. 7).

Die Form der Wappenschilde weist im unteren Bereich noch eine leichte Tendenz zur Spitze auf. Das Oberwappen zeigt jeweils einen Stechhelm mit noch zurückhaltend gestalteten Helmdecken. Eine derartige Ausgestaltung des Vollwappens ist am ehesten in den letzten Jahrzehnten des 14. und in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts üblich5).

Die Grabinschrift belegt Wernhard Grubar (Grueber) mit seiner Ehefrau Wandel und namentlich nicht näher genannten Kindern. Über sein Wappen kann er der Familie der Grueber von Peterskirchen (Gde. Dietersburg, Lkr. Rottal-Inn) zugewiesen werden. In der in Frage kommenden Zeit findet sich kein Wernhard oder Bernhard in den Genealogien dieser Familie. In späterer Zeit (1480er/1490er) ist ein Bernhard Grueber, Landrichter zu Wildeneck6), nachweisbar. Ebenso unklar ist, aus welcher Familie seine Frau Wandel stammte und wieso er in Otterskirchen bestattet wurde.

Otterskirchen war in fraglicher Zeit eine Hofmark in Halser Besitz. Als Inhaber ist 1403 und 1407 ein Bernhard der Rud nachweisbar7).

Textkritischer Apparat

  1. Davor einzelne Schäfte sichtbar; zu erwarten wäre hier eine Jahresangabe; die vorhandenen Schäfte lassen am ehesten eine – zumindest teilweise – ausgeschriebene lateinische Jahresangabe vermuten, ergänze hier evtl. zu septimo; nach ABP OA Sammlung Stinglhamer/Krick 221 nobilis ∙ dominus ∙ / de ∙ aicha ∙, diese Lesung erscheint jedoch unwahrscheinlich, zumal ABP OA Sammlung Stinglhamer/Krick 221 auch an anderen Stellen stark vom Originalbefund abweicht; mutmaßlich rührt die Lesung dominus von der einleitenden Formulierung Anno domini her.
  2. Für n kein Kürzungszeichen erkennbar.
  3. Lesung unsicher.
  4. Sic!
  5. Tironisches et.
  6. Lesung unsicher, lies evtl. pueris.

Anmerkungen

  1. Vgl. Kdm NB XIV (Vilshofen) 264 und Photo BLfD.
  2. Vgl. Erhard, Topographie 1. Teil, 2. Fortsetzung (1901) 23f.: Erhard dokumentiert die Platte vollkommen abweichend vom Originalbefund. Mutmaßlich orientierte er sich an der Nachzeichnung in ABP OA Sammlung Stinglhamer/Krick 221, Tf. 36. Diese Nachzeichnung bemüht sich, das Original zu kopieren. Die Platte ist sogar noch im Ganzen dargestellt. Besonders das (heraldisch) rechte Wappen sowie die Schrift bzw. der Text sind jedoch fehlerhaft wiedergegeben, sodass sich eine irrige Wappenblasonierung („zwei Eichhörnchen“) und ein stark vom Original abweichender Wortlaut ergibt (z.B. Mc/l ∙ albierune statt i(n) die / kathcerine oder ∙ in ∙ vigil hui ∙ diei ∙ St Mich ∙ statt ∙ wer(n)hard(us) ∙ dict(us) ∙ grubar ∙). Aus diesem irrigen Text hat Erhard wohl teils versucht, eine sinnvolle Lesung zu rekonstruieren (z.B. in vigilie hujus diei St. Michaeli). Aus dem verderbten Text ergaben sich für Erhard in der Folge auch falsche Informationen zur Person: er identifiziert einen Alrune de Aichenkirchen, der um 1120 belegt ist. Auf die falsche Lesung verweist bereits Kdm NB XIV (Vilshofen) 264.
  3. Siebmacher BayA1 141.
  4. Ein Zinnenbalken.
  5. Vgl. hierzu beispielsweise: DI 74 (Stadt Regensburg II) Nr. 95, Wappengrabplatte Auer (1381/1383): Aufbau der Platte; ebenda Nr. 126, Wappengrabplatte von Stauf (1404, 1418): Schild- und Helmform; Nr. 7 Wappengrabplatte Geiselperger in Vilshofen (nach 1360): vgl. besonders Schild- und Helmform.
  6. Herrschaft Wildeneck, Gem. Oberhofen am Irrsee, Pol. Bez. Vöcklabruck/OÖ. Vgl. zu Bernhart Grueber Hundt/Libius, Stammenbuch III, 337, sowie beispielsweise: Oberösterreichisches Landesarchiv Mondsee, Benediktiner (1104-1802) 1493 III 13, vgl. monasterium.net, URL <http://monasterium.net/mom/AT-OOeLA/MondseeOSB/1493_III_13/charter>, accessed at 2017-07-26. Prey führt unter den Grueber von Peterskirchen keinen Bernhard/Wernhard an, vgl. Cgm 2290/12 ab fol. 241r.
  7. Vgl. hierzu HAB Altbayern I, 35 (Hochstift Passau) 124.

Nachweise

  1. ABP OA Sammlung Stinglhamer/Krick 221, Tf. 36; Erhard, Topographie 1. Teil, 2. Fortsetzung (1901) 23f.; Kdm NB XIV (Vilshofen) 264; BLfD Photosammlung Inv.-Nr. 01026444 (Foto: Joseph Maria Ritz).

Zitierhinweis:
DI 101, Landkreis Passau II, Nr. 34 (Ramona Baltolu / Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di101m019k0003406.