Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 307 Braach (Rotenburg), Evangelische Kirche 1616

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Epitaph für den Pfarrer Heinrich Clebius (Klebe) und seine Frau Anna. Das an den Formen der Ädikula orientierte, farbig gefaßte Holzepitaph hängt innen an der Nordwand des Langhauses über der Empore. In der Nische befindet sich eine Inschriftentafel, die oben das Grabgedicht (B) und darunter das Grabgedicht (C) trägt. Die ersten beiden Worte von (B) stehen auf dem Rahmen über der Tafel. Der Aufsatz trägt die Grabinschrift (A), deren letzte Zeile sich auf dem Gebälk befindet. Alle Inschriften sind in goldenen, gemalten Buchstaben ausgeführt. Als Worttrenner dienen Quadrangel, als Satzzeichen auf die Grundlinie gesetzte Schrägstriche oder Quadrangel, die in den Distichen die Zäsuren anzeigen.

Maße: H. 177, B. 111, Bu. 3–4 (A, B), 3 (C) cm.

Schriftart(en): Kapitalis (A, B), Fraktur (C).

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz; Schmidt (Schmidt) [1/1]

  1. A

    ∙ M(AGISTER) ∙ / HENRIC(US) / CLEBIUS ∙ P(ASTOR) ∙ / EC(C)L(ES)IAE CHRISTI / ME SIBI ET AN͜N͜Ea) UXORI / DILECT(ISSIMAE) POSUIT PIE IN / DOMINO DEFUNCTAE, // A(NN)O ∙ 1616b) ∙ DIE ∙ 26 ∙ IULΫ ∙

  2. B

    ORATIO LUGUBRIS, // DEFUNTORUMc) EX SEPULCHRO ∙ /HAECd) PEDIB(US) CALCA(N)Se) URNA(M), PERCHARE VIATOR /ZOILUS HAUD LUSC(US) SED BON(US) HOSPES ABI ∙ /HOSPES ERA(M) MUNDI, QUONDA(M) MISER ATQ(UE) TEREDOf), /NUNC TENEO SUMMI, COELICA TECTA POLI /FAC ME MORES IGITUR FLUIDAE, DISCRIMINA VITAE /UT CAPIAS VITAE, BRAVIA IUSTA TUAE

  3. C

    Trittg) nicht anher, vnd mich VerachtDasz solchesz dir nicht Bring verdachtDen wasz ich war, dasz bistu auchEin Armer wurm, auff steigent RauchDoch bin ich Nun, insz himmellzh) thronVndt wartte, auff der Gnaden KronBedencke solchs, vndt geh dar vonDasz du nicht kriegst, der spötter LohnDann deren keiner, wirdt geehrttDer Gott vndt Leuth veracht vnd schmäht

Übersetzung:

(A) Der Magister Heinrich Clebius (Klebe), Pfarrer der Kirche Christi, hat mich für sich und seine vielgeliebte Ehefrau Anna, die fromm im Herrn am 26. Juli im Jahre 1616 entschlafen ist, errichtet.

(B) Trauerrede der Toten aus dem Grabe: Wenn du, liebster Wanderer, mit den Füßen auf dieses Grab trittst, gehe nicht als strenger Kritiker ein Auge zudrückend weg, sondern als guter Freund. Einst war ich ein Gastfreund der Erde, elend und ein Wurm, nun weile ich in der Himmelswohnung des höchsten Himmels. Mach, daß durch mich Sittlichkeit zum entscheidenden Punkt des flüchtigen Lebens wird, damit du die gerechten Kampfpreise für dein Leben begreifst.

Versmaß: Drei elegische Distichen (B), Deutsche Reimverse (C).

Kommentar

Heinrich Clebius wurde um 1568 in Hersfeld geboren – insofern war er wohl verwandt mit dem dortigen Bürgermeister Johannes Cleb (Nr. 268) – und 1586 in Marburg immatrikuliert. Er wirkte von 1592 bis 1597 als Kollaborator am Gymnasium in Hersfeld und wurde dann von Abt Joachim von Hersfeld zum Nachfolger des Braacher Pfarrers Johannes Sutorius (Nr. 243) bestellt. In Braach blieb er zunächst bis 1608, war dann von Januar 1609 bis 1611 erster Pfarrer in Hersfeld und erster Exponent des reformierten Bekenntnisses und kehrte 1611 wieder nach Braach zurück, wo er bis etwa 1618 blieb. Danach zog er wieder nach Hersfeld und war um 1631 im Besitz eines ganzen Rotenburger Kanonikats. Er starb vermutlich 1633, möglicherweise aber auch erst 1635.1)

Textkritischer Apparat

  1. Das E ist als E-caudata ausgeführt.
  2. Offenbar verlesen in Dehio und übernommen bei Volk ohne Autopsie.
  3. Sic!
  4. So statt richtig HANC, ggf. ein Produkt einer Restaurierung.
  5. Zweites C über den Balken des L gestellt.
  6. O klein unter die Grundlinie gesetzt.
  7. Der Balken des T ist verstümmelt.
  8. Möglicherweise verderbt für himmelsz; es fehlt die Unterlänge des s, statt dessen eine Brechung.

Anmerkungen

  1. Hütteroth, Pfarrer 175, wo der Name der Frau als unbekannt angegeben wird; allgemein auch Apel, Hersfelder Pfarrer-Liste 39. Zu den schwierigen Jahren in Hersfeld vgl. Neuhaus, Geschichte Hersfeld 157 f.; Apel, Pfarrer zu Hersfeld 28 f.

Nachweise

  1. „Unbekannte Person 1626, Braach“, in: Grabdenkmäler <http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/1036> (Stand: 1. 2. 2006, Bearb. Otto Volk, HLGL) (erw. zu 1626 nach Dehio, Hessen 101 bzw. Dehio, Hessen I (2008) 119).
Addenda & Corrigenda (Stand: 19. Oktober 2022):

Hinweis zu Inschrift und Übersetzung:

Dr. Edgar Siedschlag, Witzenhausen, regt aus Gründen der Metrik eine Verbesserung der Lesung und Übersetzung in B, letztes Distichon an:

„FAC ME MORES …“ → „FAC MEMORES …“ „Bedenke also die Gefahren des flüchtigen Lebens, damit du die rechten Siegespreise für dein Leben erhältst.“

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 307 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0030706.