Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 197† Rotenburg, Fuldator vor März 1580

Beschreibung

Jahreszahl und Namen als Bauinschrift am Fuldator, von dem aus die Brücke über die Fulda zur Neustadt führte. Die Inschrift befand sich auf einem „rötlichen Stein“, also auf rotem Sandstein, auf der Brückenseite des Tors über dem Torbogen.

Nach Lucae.

  1. Anno D(omi)ni / 15[91]a) / Johann von Ratzenburg Ambtmann / B(ürgermeister)b) George Sch[e]idt / B(ürgermeister)b) Johann Stuntz

Kommentar

Die Inschrift nennt Verantwortliche anscheinend eines Umbaus oder einer Renovierung des Tores zur Fuldabrücke, nämlich den Rotenburger Amtmann Johann von Ratzenberg1) und die beiden Bürgermeister.

Die Inschrift kann aus verschiedenen Gründen nicht von 1591 sein. Der Rotenburger Amtmann Johann von Ratzenberg starb nachweislich schon im März 1580 (Nr. 198).2) Ein gleichnamiger Sohn läßt sich nicht als hessischer Amtmann nachweisen. Im betreffenden Jahr saßen nach Lucae zwei Bürgermeister, Johann Schneider und George Weitzel, und ein Baumeister, nämlich Johann Kauffunger, im Rat.3) Johann Stuntz steht dort als erster der Ratsherren unter den Namen der Bürgermeister, aber als einziger ohne Amt, er war also wohl ein Altbürgermeister.4) Von den Scheidts steht in der Ratsliste als Kastenmeister Conradt Scheidt, nicht Georg. Die in der Inschrift genannten Namen passen also nicht zum angeblichen Jahr 1591.

Das Kämmereibuch der Stadt Rotenburg zum Jahr 1590 kennt den Landwirt Johann Stuntz als Ratsherrn und keinen George Scheidt, was ein Jahr, bevor er nach der Inschrift Bürgermeister gewesen sein soll, mehr als verwunderlich ist. Nach demselben Verzeichnis gab es 1590 einen „Curt“ (= Conrad) Scheidt, aber keinen anderen dieses Namens, nur einen Mann namens „George“, der 1589 Bürgermeister war.5) Bernd Keudel, für dessen Amtszeit als Amtmann die Jahre 1580 bis 1586 und von 1594 bis 1607 angegeben werden, heißt zum Jahr 1590 „Statthalter“,6) womit Amtmann gemeint ist. Die zeitliche Lücke in seiner Amtsmannzeit ist also wohl nur eine Täuschung durch Quellenschwund, da ja nirgends ein anderer Name verläßlich genannt wird.

Die Lösung liegt in der Unzuverlässigkeit der Abschriften Lucaes – es gibt in Rotenburg nämlich so früh überhaupt keinen Bürgermeister Scheidt,7) dafür aber Schmidt, sogar einen namens Georg zum Jahr 1575;8) damit wäre der Name in der Inschrift entsprechend zu korrigieren. Die Datierung läßt sich damit nicht eng eingrenzen, denn Stuntz war 1564/65, 1577 und 1580 Bürgermeister, Georg Schmidt 1575, ein Philipp Wagner 1577 zusammen mit Stuntz.9) Die Liste der Bürgermeister muß noch besser rekonstruiert werden, um das Jahr herauszufinden, in dem Stuntz und Schmidt zusammen Bürgermeister waren; 1577 entfällt.

Textkritischer Apparat

  1. In eckigen Klammern die vermuteten Fehler der Überlieferung.
  2. So aufzulösen wegen der Zusammensetzung des Rats, vgl. unten.

Anmerkungen

  1. Gundlach, Zentralbehörden III 125 f. u. ebd. 429 (Liste der Amtmänner in Rotenburg).
  2. Vgl. zu ihm Gundlach, Zentralbehörden III 197; Henn, Johann von Ratzenberg passim und Nr. 144 u. 198.
  3. Lucae 251 (92).
  4. Ein Bürgermeister Hans Stuntz steht unter 1601 in einem Streit über Vormundschaftsrechnungen, vgl. HStA Marburg, Best. 17 I, Nr. 4476, das dürfte aber schon ein Jüngerer sein, denn ein Johann Stuntz war zwischen 1565 und 1580 viermal Bürgermeister, vgl. Löwenstein, Rotenburg Nrr. 423, 429, 437, 447 u. Register S. 687.
  5. Bingemann, Einwohner Sp. 272 f.
  6. Ebd. Sp. 272.
  7. Vgl. Löwenstein, Rotenburg 686 (Reg. der Bürgermeister), 711 (Reg.). Nach Sempert, Mayor list erst Kurt Scheidt 1596.
  8. Löwenstein, Rotenburg Nr. 427.
  9. Ebd. Nrr. 423, 429, 437, 447; ebd. Nr. 427; ebd. Nr. 429; zu 1564 vgl. Kittelmann, Bürgermeister-Rechnung 64 ff.

Nachweise

  1. Lucae, Kleinod 29 (35).

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 197† (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0019704.