Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 191 Ersrode (Ludwigsau), Evangelische Kirche 1578

Beschreibung

Epitaph der Katharina Riedesel von Eisenbach, geborene Rau von Holzhausen. Das ädikulaförmige Denkmal aus hellem Sandstein steht an der Südwand der Kirche. In der Nische kniet die Figur der Verstorbenen vor einem Kreuz, dessen Stamm oben den Titulus (A) und unten die Signatur (B) trägt. Im Hintergrund ist eine Stadt dargestellt. Über dem Kopf der Figur halten zwei Putten eine Tafel mit dem Bibelzitat (C) an Fruchtgehängen. Die flankierenden Pilaster tragen jeweils vier Vollwappen mit Beischriften (W). Auf dem Fries ist das Grabgedicht (D) in zwei Spalten angeordnet. Die Buchstaben am Anfang und am Ende einer jeden Zeile sind abgesetzt und ergeben von oben nach unten gelesen den Namen von Katharinas Ehemann, hier kursiv hervorgehoben. Außerdem weisen die ersten beiden Zeilen der rechten Spalte jeweils ein Chronostichon auf, das im Original durch überhöhte Buchstaben sichtbar gemacht und hier entsprechend wiedergegeben wird. In der Nische des Obergeschosses ist die Auferstehung Christi dargestellt. Der aus einem Sarkophag steigende Christus hält in der linken Hand einen Kreuzstab mit einer Fahne und weist mit der Rechten auf die Rollwerktafel in der linken oberen Ecke der Nische hin, auf der sich das Bibelzitat (E) befindet. Im Giebel ist ein geflügelter Putto dargestellt. Der Sockel trägt in der Mitte ebenfalls eine Rollwerktafel mit dem Bibelzitat (F). Flankiert wird sie von zwei Löwenköpfen, über denen jeweils zwei Ziffern der Jahreszahl (G) angebracht sind. Als Worttrenner dienen Dreiecke und Quadrangel, die zumeist in der Zeilenmitte, selten auch auf der Grundlinie stehen; nicht immer sind unregelmäßige Formen zuzuordnen.

Maße: H. 475, B. 201, Bu. 2,5 (A, C), 3 (D, E, W), 4,2 (B, F) cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Sebastian Scholz) [1/5]

  1. A

    I(ESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDEORVM)1)

  2. B

    A(NDREAS) B(ILDHAWER)a)

  3. C

    CHRISTVS ∙ IST / MEIN ∙ LEBEN / VND ∙ SCHTER/BEN ∙ IST ∙ / MEIN GEWIN / PHILIP(PER) ∙ I ∙2)

  4. D

    GENTE ∙ SATAM RAVHA CATARINAM ∙ MVTVVS ∙ ARDOREXIMII CELEBREM FECIT ∙ HONORE ∙ TORI.OBTIG[I]Tb) ∙ HINC ∙ IVSTO VOLP(ER)TO ∙ MATER VTROSQVE.RITV QVOS PATRIO BVSTA PROPINQVA FOVENT //GAVDIA ∙ IVSTA ∙ TORI ∙ FERT ∙ LINEA ∙ SEXTA SED INDE3)IN ∙ QVINTA ∙ MATRI ∙ DEBITA FATA LEGES4)VT ∙ FINES ∙ SIC ∙ EXORSVS ∙ IN ∙ VERSIBVS ∙ ADDESI TE VIS NOMEN CLAM PATRIS ESSE NIHIL5)

  5. E

    ICH ∙ BIN ∙ DIE ∙ / AVFFERSTHEV(N)G / VND DAS LEBEN / IOHANN(IS) II ∙6)

  6. F

    IOHANNES ∙ AM ∙ 3 / ALSO ∙ HAT ∙ GOTT ∙ DIE ∙ WELT ∙ GELIBET ∙ DAS ∙ ER / SEINEN ∙ EINGBOREN SOHN ∙ GAB ∙ AVFF / DAS ∙ ALLE ∙ DIE ∙ AN ∙ IN ∙ GLAVBEN / NICHT ∙ VERLORENN ∙ WERDEN ∙ SON=/DERN ∙ DAS EWIGE ∙ LEBEN ∙ HABEN7)

  7. G

    15//78

  8. W

    RAVEN WAISEN 
    DALWICK HOENWEISEL 
    RABENAW FORSTMEISTE/R 
    ENSZEN RIEDESEL 

Übersetzung:

(D) Die gegenseitige Liebe hat Katharina, die aus dem Geschlecht der Rau von Holzhausen stammte, durch die Ehre der ausgezeichneten Ehe berühmt gemacht. Dann wird sie die Mutter des gerechten Volpertus, die beide in den benachbarten Gräbern nach väterlicher Sitte gehegt/geehrt werden. Die sechste Zeile teilt die gerechten Freuden der Ehe mit, (nämlich die Eheschließung im Jahre 1559), aber darauf wirst du in der fünften Zeile lesen, wann das geschuldete Schicksal der Mutter war, nämlich im Jahre 1575 (= Todesjahr). Wenn du willst, daß der Name des Vaters nicht heimlich bleibe, so füge das Ende wie auch den Anfang der Verse aneinander.

Versmaß: Acht elegische Distichen (D).

Wappen:
Rau von HolzhausenWais von Fauerbach
Dalwigk8)Hohenweisel9)
Nordeck zur Rabenau10)Forstmeister von Gelnhausen11)
(Varnhagen von) Ense12)Riedesel zu Eisenbach13)

Kommentar

Nach den Stammtafeln von Humbracht, Biedermann und Buttlar-Elberberg war Katharina die Tochter des Burkhart Rau von Holzhausen und der Anna Katharina von Boineburg.14) Gegen Anna Katharina von Boineburg als Mutter spricht allerdings, daß als Wappen der Mutter Wais von Fauerbach erscheint.15) Katharina heiratete Georg Riedesel zu Eisenbach (Nr. 217), dessen Name sich ergibt, wenn man die Buchstaben am Anfang und am Ende der Verse von oben nach unten liest. Die Konstruktion der Verse auf dieses Ziel hin dürfte wohl dazu geführt haben, daß der lateinische Text schwer verständlich ist. Er rühmt die Ehe des Paares und verklausuliert mit GAVDIA IVSTA TORI die Eheschließung im Jahr 1559 – so ist das Chronogramm der sechsten Zeile aufzulösen – und das Todesjahr Katharinas, die DEBITA FATA, in Zeile 5; die Verweise auf die jeweiligen Zeilen zeigen also die Divergenz von Information und zugehöriger verschlüsselter Datierung.

Gegenüber dem bisherigen Wissen über die Eheleute Georg Riedesel und Katharina Rau geht aus dem Epitaph hervor, daß sie einen Sohn Volpert hatten, der offenbar so früh verstarb, daß er nicht in die Zeugnisse der Familie Eingang fand. Aus dem Text und anderen Zeugnissen ließ sich bisher nicht Tod im Kindbett erweisen.

Das Denkmal wurde von dem Kasseler Bildhauer Andreas Herber (um 1530–1614) geschaffen, der unter anderem für den Hof der Landgrafen zu Hessen in Kassel und mehrere Adelsfamilien der Region arbeitete, darunter auch die Familie Riedesel zu Eisenbach.16)

Textkritischer Apparat

  1. Die Auflösung des Monogramms erfolgt nach der Inschrift auf dem 1578 geschaffenen Denkmal für Graf Daniel von Waldeck in der evangelischen Pfarrkirche von Netze: M(AGISTER) ANDREAS HERBER BILDHAWER V(ON) CASSELL, vgl. Knetsch, Bildhauerfamilie Herber 43 f.; Kramm, Andreas Herber 5 und 76.
  2. Die Stelle ist beschädigt und neu verputzt worden, wodurch der Buchstabe nicht mehr sichtbar ist.

Anmerkungen

  1. Nach Joh 19,19.
  2. Phil 1,21.
  3. Der Hexameter des Chronodistichons ergibt 1575; in Grabmäler zu 1577.
  4. Der Pentameter des Chronodistichons ergibt 1559.
  5. Die Buchstaben am Anfang und am Ende der Verse ergeben jeweils von oben nach unten gelesen den Namen GEORGIVS RIETESEL; es handelt sich also um ein Akroteleuton.
  6. Joh 11,25.
  7. Joh 3,16.
  8. In Silber zwei schwarze Büffelhörner, auf jeder Seite mit 4 roten Rosen besteckt; Helmzier: Kranz von (fünf) roten Rosen, aus dem drei Straußenfedern (schwarz, silbern, schwarz) ragen, Siebmacher 1, Taf. 139, Siebmacher, Bayern 31 mit Taf. 27.
  9. Unter von drei Spitzen abgeteiltem goldenem Schildhaupt in Schwarz 6 Kreuze (3:2:1), vgl. Siebmacher 2, Taf. 103; Siebmacher, Nassau 2, 25.
  10. In Silber drei blaue Kleeblätter/Seeblätter, mit den Spitzen kleeblattähnlich zusammengestellt, oder in Silber schwarzes Kleeblatt bzw. 3 Herzen im Dreipaß, vgl. Siebmacher 1, Taf. 137; Siebmacher, Hessen 20 f. mit Taf. 22.
  11. In blauem, mit goldenen Schindeln bestreuten Feld ein pfahlweise gestellter goldener Widerhaken, oben mit einem Vogelkopf versehen, oben rechts ein rotes Kreuzchen, vgl. Siebmacher 1, Taf. 127; Siebmacher, Preußen 130 mit Taf. 174.
  12. In Gold eine schwarze (Pferde-)bremse mit roter Schlinge, vgl. Siebmacher 2, Taf. 114; Siebmacher, Preußen 425 mit Taf. 469.
  13. In Gold ein schwarzer (natürlicher) Eselskopf mit einem dreiblättrigen Riedgras im Maule, vgl. Siebmacher 1, 134; Siebmacher, Hessen 22 mit Taf. 25.
  14. Humbracht, Stammtafeln, Taf. 117; Biedermann, Geschlechtsreg. Rhön und Werra, Taf. CXXXII; Buttlar-Elberberg, Stammbuch, Rau von Holzhausen, Taf. I, der Katharina mit einer Anna verwechselt.
  15. Die Abstammung läßt sich auf der väterlichen Seite durch das Grabmal von Winnen (Lkr. Gießen), vgl. „Adolf Rau von Holzhausen (bzw. Nordeck) und seine beiden Frauen Margaretha, geb. von Dalwigk, und Agnes, geb. Schutzbar genannt Milchling, 16. Jahrhundert, Winnen“, in: Grabdenkmäler <http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/954> (Stand: 31. 3. 2010, Bearb. Andreas Schmidt, HLGL), und für die mütterliche Seite bis auf Forstmeister nach Möller, Stammtafeln AF I, Taf. XXXIX kontrollieren.
  16. Knetsch, Bildhauerfamilie Herber passim, bes. 44; Kramm, Andreas Herber 21.

Nachweise

  1. Lucae, Kleinod 459f (235 f.) (D).
  2. Becker, Riedesel 205.
  3. Grabmäler Raboldshausen 78 (D in Ü).

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 191 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0019104.