Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)
Nr. 190 Heinebach (Alheim), Evangelische Kirche 1577
Beschreibung
Grabkreuzstein oder Kreuzepitaph des Georg Keil mit der Memoria für Daniel Henning. Das Denkmal aus hellem Sandstein wurde 1730 außen in der Nordwand bündig abschließend eingemauert.1) In seinem oberen Teil befindet sich ein erhaben gearbeitetes Kreuz, auf dem die Grabinschrift (B) angebracht ist. Auf dem Plattenhintergrund ist über und unter den Kreuzarmen die Jahreszahl (A) angegeben. Unter dem Kreuz folgt eine Tafel mit dem Grabgedicht (C) und dem lateinischen Grabspruch (D). Der untere Teil der Tafel weist Abwitterungsspuren auf. In (B) wurden als Abkürzungszeichen übereinandergesetzte Quadrangel verwendet, als gelegentliche Worttrenner einfache Quadrangel.
Maße: H. 71, B. 50,5, Bu. 5 (A), 2–2,5 (B, C, D) cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
AN//NO / 15//77
- B
GEORG(IVS) KEIL BALTH(ASARIS) KEIL ∙ / CIVIS ∙ CASSELL(ENSIS) FILIVS ∙ / IN CHRISTO OBDORMI=/VIT ∙ 3 NO(VEMBRIS) / NICOLA(VS) ∙ / HENNING F(ECIT)
- C
IORG KEIL LIGT GEGEN DIESEM STEINVERWART SEINT HIE ALL SEIN GEBEINDER LEIB IM GRAB SANFT RVGEN MAGBIS NAHET HERZV DER IVNGSTE TAGALSDEN WIRT LEIB VND SEEL ZVGLEICHVEREINIGT SEIN IM HIMMELREICHDEN CHRISTVS WARER MENSCH VND GOTTERLOST HAT SIE VON SVND VND TODTVND GIBT DIE EWIG SELIGKEITDIE IORGEN KEIL IST AVCH BEREIT ∙
- D
HIC DANIEL SEXTVM RECVBANS HEN/N[IN]GVSa) IN ANNVMEXPECTAT REDITVM MAXIME / CHRISTE TVVM
Übersetzung:
(A) Im Jahr 1577. – (B) Georg Keil, Sohn des Kasseler Bürgers Balthasar Keil, ist in Christus am 3. November entschlafen. Nikolaus Henning hat (das Denkmal) gemacht. – (D) Hier ruht Daniel Henning im sechsten Jahr, und er erwartet deine Wiederkunft, erhabenster Christus.
Versmaß: Deutsche Reimverse (C). – Ein elegisches Distichon (D), Reime nur scheinbar gewollt.
Textkritischer Apparat
- HEN/NBVGVS bei Azzola und Volk gleicht zwar dem heutigen Bestand eher, doch ist die obige Lesung nach der alten Abbildung bei Bergmann unzweifelhaft.
Anmerkungen
- Azzola 24.
- Diesen Typus favorisiert Seib, Grab-Kreuzsteine 39.
- Vgl. Kirchenbuch Kassel 93 (Keils Ehefrau Gevatterin 1597) u. Casseler Bürgerbuch 24, 122 Anm. 196.
- Bergmann 156 f.
- Hütteroth, Pfarrer 153.
- Das Schreiben und weiteres bei Bergmann 156 f.
Nachweise
- Bergmann, Heinebach 158 u. Abb. nach S. 208.
- Azzola, Grab-Kreuzstein 23 f. mit Abb.
- „Georg Keil 1577, Heinebach“, in: Grabdenkmäler <http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/1060> (Stand: 28. 3. 2006, Bearb. Otto Volk, HLGL).
- Azzola/Azzola/Schmidt, Grab-Kreuzsteine, Ms. S. 350 f.
Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 190 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0019004.
Kommentar
Aufgrund der Formulierung im ersten Vers des Grabgedichts (C) IORG KEIL LIGT GEGEN DIESEM STEIN scheint das Denkmal ursprünglich als Grabkreuzstein gedient zu haben, der am Kopfende des Grabes, möglicherweise auf einem Sockel, aufgestellt war. Falls kein Sockel vorhanden ist bzw. vorhanden war, könnte es sich um ein Kreuzepitaph handeln, das in die Kirchenwand eingelassen war.2) Ungewöhnlich an dem Denkmal ist, daß gleichzeitig eine weitere Person auf ihm verewigt wurde, bei der es sich nicht um die Ehefrau oder ein Kind des Verstorbenen handelt.
Trotz der mäßigen Ausführung der Kapitalis lassen sich in allen Inschriften drei Merkmale feststellen, die für ihre gleichzeitige Ausführung sprechen: Das spitze A mit breitem, nach beiden Seiten überstehendem Deckbalken, das M, dessen Mittelteil nur bis zur Zeilenmitte reicht, dessen Spitze aber noch nach unten verlängert ist, sowie das R mit fast immer gerader, aber leicht verkürzter, immer am oder um den Schnittpunkt von Schaft und Bogen ansetzender Cauda.
Der Schneider Balthasar Keil ist seit 1566 als Bürger der Altstadt Kassel nachgewiesen und war mehrfach von 1582 bis 1600 Ratsschöffe.3) Seine Verbindung zu Nikolaus Henning ist noch ungeklärt. Dieser stammte aus Oetmannshausen (Wehretal, Werra Meißner-Kreis) und war von 1569 bis ca. 1584 Pfarrer in Heinebach.4) Sein Sohn Daniel starb angeblich schon 1572;5) das könnte eine Fehlinformation aus der Ähnlichkeit der Ziffern 2 und 7 sein. Dann wäre der Pfarrer Nikolaus Henning für den Kasseler Bürger Balthasar Keil tätig geworden und hätte die Memoria für dessen anscheinend noch jungen Sohn Georg besorgt. Bei dieser Gelegenheit verschaffte er seinem eigenen Sohn Daniel ein Gedenken auf demselben Stein. Diese Vorgehensweise läßt sich möglicherweise aus der finanziellen Situation Hennings erklären, der seine Armut gegenüber dem Landgrafen selbst beschrieb.6)