Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 189 Raboldshausen (Neuenstein), Evangelische Kirche 1577

Beschreibung

Epitaph des Werner von Wallenstein (Waldenstein). Das ädikulaförmige Denkmal aus grauem Sandstein steht an der Stirnwand des Chores. In der Rundbogennische steht frontal der barhäuptige, gerüstete Ritter mit vor der Brust zusammengelegten Händen. Der Helm liegt neben seinem linken Bein. Auf den Seitenflächen der Nische sind oben links und rechts jeweils zwei Vollwappen mit Beischriften (W) angebracht und unten zwei mit Rollwerk verzierte Tafeln, auf denen sich das Grabgedicht (B) befindet. Auf der rechten Tafel ist unter dem letzten Wort ein Steinmetzzeichen (Nr. 11) angebracht. Der Sockel trägt in einer verstümmelten Rollwerktafel das in zwei Spalten angeordnete Grabgedicht (A), dessen letztes Distichon mit der Stifternennung in einer Zeile auf dem Rahmen ausgeführt ist. In der Nische des Obergeschosses steht auf einer Rollwerktafel das Bibelzitat (C). Außer in (A) sind alle Inschriften erhaben, als gelegentliche Trenner dienen Quadrangel.

Maße: H. ca. 450, B. 215, Bu. 4 (A), 4,5 (B), 5 (C, W) cm.

Schriftart(en): Kapitalis (A), Kapitalis, erhaben (B, C, W).

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Sebastian Scholz) [1/5]

  1. A

    HIC IACET ILLVSTRIS WER(N)ER(VS) PACE SEPVLT(VS)WALDENSTEIN SVM(M)O REXERAT IMPERIOVIR PIETATE DEO RATIONE HOMINIQ(VE) MINISTRA(N)SNOBILIBVS SATRAPISa) DIGNA CORONA FVITAD LAT(VS) VXORVM NV(N)C IVNCTVS RITE DVARVMEXTREMVM CHRISTI SPECTAT ADIRE DIEMPRIMAM DE BVCHNAW GENEROSO SA(N)GVINE DVXITTE ELSABET EX AVRFFA NOBILITATE PARI //PACE NOVE(M) DENOS IMPLEVIT TRES SIMVL ANNOSDVM STEDITb) IN SVMMO CARDINE DOGMA DEIQVARTA DIES APRILIS ERAT SIBI CLAVSVLA VITEACCEPTO SACRO CORDE FIDEQVAEc) CIBOILLA DIES LVGVBRIA FLET DVM VVLNERA CHRISTISPIRIT(VS) E VIVIS TRANSIT AD ASTRA SVVSSEPTEM TVNC DENOS ET SEPTEM SCRIPSIM(VS) AN(N)OSMILLE ET QVINGENTOS PAX ANIMEQ(VE) SALVS //PASTOR IO(ANN)ES HEC STRVXIT CVRTI(VS)d) AMPLISIN LAVDE SATRAPIS [SVMPTIBVS ....]Ae) SVIS

  2. B

    SO ICH / DEIN / HEILA(N)T / HAB ER/KANT /MEIN / SEHL / DRVMB / GEBEN / IN / DEINE / HANT //HIER / NEBEN / GELEGT / MEINEN LEIB /WARDEN / HIMLIS/CHER / FREIDEN/ZEIT

  3. C

    PHIL(IPPER) 3 ∙ / VNSER WANDEL ABER IST / IM HIMEL VON DANNE(N) WIR / AVCH W͜A͜RTEN DES HEILAN/DES IHESV CHRISTI DES / HERN WELCHER VNSERN / NICHTIGEN LEIB VERKLE/REN WIRD DAS ER EHN/LICH WERDE SEINEM / VERKLERTEN LEIBE ∙1)

  4. W

    WALDENSTEIN HOLDSADEL 
    BOMERSHEIM DRO 

Übersetzung:

Hier liegt der edle Werner in Frieden begraben, (die Burg, die Herrschaft) Wallenstein (Waldenstein) hatte er mit höchstem Befehl geleitet, ein Mann, der Gott mit Liebe und den Menschen mit Verstand diente. Für die Adligen ist er als Marschall die würdige Krone gewesen. An der Seite seiner beiden Ehefrauen, denen er nun, wie es sich gebührt, verbunden ist, sieht er den Jüngsten Tag Christi heranziehen. Die erste Ehefrau hat er aus dem edlen Geschlecht der von Buchenau heimgeführt, dich, Elisabeth führte er aus der Familie von Urff heim, die von gleichem Adel ist. // Und er hat in Frieden 9 mal 10 und dazu drei (93) Jahre erreicht,2) während die Lehre Gottes gänzlich im Mittelpunkt stand. Für ihn war der 4. April das Ende des Lebens, nachdem er das Heilige Abendmahl im Herzen und im Glauben empfangen hatte.3) Während jener traurige Tag die Wunden Christi beweint,4) ging seine Seele von den Lebenden hin zu den Sternen. Damals schrieben wir siebenmal 10 und 7 und 1500 Jahre (1577). Friede und Heil sei der Seele. Pastor Johannes Curtius hat dies auf beträchtliche eigene Kosten zum (wahren/herrlichen) Lob des Marschalls errichtet.

Versmaß: Neun elegische Distichen (A); Deutsche Reimverse (B).

Wappen:
Wallenstein (Waldenstein)Holtzadel (Holzsattel)5)
Bommersheim6)Trohe7)

Kommentar

Werner war ein Sohn Hans’ III. von Wallenstein (Waldenstein) und der Else von Holtzadel. Er war in erster Ehe mit Margarethe von Buchenau und in zweiter Ehe mit Elisabeth von Urff verheiratet,8) deren Gräber sich laut dem Grabgedicht (A) früher ebenfalls in der Kirche von Raboldshausen befanden. Bereits 1505 läßt sich Werner im Dienste Landgraf Wilhelms II. von Hessen nachweisen. Von 1506 bis 1509 diente er Wilhelms Frau Anna,9) doch nach dem Tode Wilhelms (1509) gab er den Dienst bei der Landgräfin offenbar auf und trat auf die Seite der Regenten gegen die Landgräfin über.10) Nachdem die Landgräfin 1514 die Macht übernommen hatte,11) setzte sich Werner gemeinsam mit anderen Adeligen für die früheren Regenten ein. Im Jahr 1518 wurde er von der hessischen Ritterschaft als einer jener 24 Männer vorgeschlagen, aus denen sich der in diesem Jahr für mündig erklärte Landgraf Philipp seine Räte wählen sollte.12) Ab 1528 ist Werner von Wallenstein (Waldenstein) als Rat Philipps des Großmütigen nachweisbar, unter dem er 1536 zum hessischen Marschall aufstieg.13) Nachdem Werner im hohen Alter von 93 Jahren gestorben war, ließ ihm der Pfarrer von Raboldshausen, Johannes Curtius, das Denkmal errichten. Curtius war von etwa 1553 bis 1580/81 Pfarrer in Raboldshausen.14)

Textkritischer Apparat

  1. Für das P war ursprünglich ein R begonnen, aber nicht zu Ende geführt, die Cauda ist ganz dünn zu sehen.
  2. So statt STETIT.
  3. So für FIDEQVE. Der Mittelbalken des letzten E ist nicht ausgeführt worden.
  4. Durch fehlerhafte Ausmalung ist statt I mit dem Kürzungszeichen für VS ein einem D ähnlicher Buchstabe entstanden; die Kerbe ist korrekt; Cuntz nach Grabmäler.
  5. Zu ergänzen wären SVMPTIBVS und ein zweisilbiges Wort, das auf einem kurz zu messenden A endet und die letzte Silbe des vorangehenden Wortes nicht längt, also vielleicht VERA oder AMPLA.

Anmerkungen

  1. Phil 3,20–21.
  2. Die Angabe bei Gundlach, Hessische Zentralbehörden III 286, Anm. 12 (und die dem folgenden Meinungen) zu Werner von Wallenstein (Waldenstein), Werner sei 105 Jahre alt geworden, ist entsprechend zu korrigieren; sie stammt wohl aus Lennep, Codex Probationum, nach S. 354; zur Familie Wallenstein vgl. jetzt Johannes Nuhn von Hersfeld, Die „Wallensteiner Chronik“ mit Auszügen aus Nuhns „Chronologia“, bearb. und hg. von O. Krafft (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 7,3), Marburg 2013.
  3. Der 4. April 1577 war der Gründonnerstag.
  4. Gemeint ist der Karfreitag.
  5. In Silber zwei schwarze Krähen, vgl. Siebmacher 1, Taf. 142.
  6. Zwischen den beiden abgewendeten Bogenpfählen ein schwarzer Adler wie beim stammverwandten Wappen Praunheim, vgl. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch, Taf. 10, II, 4. Bommersheim/Pommersheim stimmt aber, da Werners Großvater Hans mit Margarethe von Bommersheim verheiratet war, vgl. Demandt, Reichsganerbschaft Lindheim 119, Anm. 132, zum Wappen Siebmacher 1, Taf. 137. Das Wappen ist nicht gleich Bommersheim mit drei Schrägbalken, die mit je drei Scheiben belegt sind, vgl. Siebmacher, Nassau 2, 16 mit Taf. 21.
  7. In Schwarz drei silberne Seeblätter mit den Spitzen zum Kleeblatt zusammengestellt; vgl. Siebmacher 1, Taf. 135; Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch 49 mit Taf. 62, I, 5.
  8. Landau, Ritterburgen II 412 f.
  9. Zu den Hintergründen Puppel, Regentin 160–162.
  10. Demandt, Personenstaat II 923 f., Nr. 3222.
  11. Puppel, Regentin 175–182.
  12. Demandt, Personenstaat II 924, Nr. 3222.
  13. Gundlach, Hessische Zentralbehörden III 286.
  14. Hütteroth, Pfarrer 195; Bätzing, Pfarrergeschichte 235.

Nachweise

  1. Festausschuss zur Vorbereitung der 775-Jahrfeier Raboldshausen (Hg.): 775 Jahre Raboldshausen 1224–1999, Raboldshausen 1999, 20 u. 31.
  2. „Werner III. von Wallenstein 1577, Raboldshausen“, in: Grabdenkmäler <http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/1096> (Stand: 24.1.2007, Bearb. Otto Volk und Andreas Schmidt, HLGL).

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 189 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0018901.