Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 183 Odensachsen (Haunetal), Evangelische Kirche 1573

Beschreibung

Bildbeischrift, liturgische Texte, Meistersignatur und Jahreszahl auf einem dreiflügeligen Altarretabel aus Holz. Das Retabel ist heute auf der Rückseite der Nordempore aufgestellt. Im 18. Jahrhundert war es auseinandergenommen worden, und die Seitenflügel wurden in die Front des Orgelprospekts eingebaut.1) Der Mittelteil war im Westbereich der das Kirchenschiff deckenden Holztonne eingefügt.2) Nach ersten Recherchen ab 2003 und im Zuge der Orgelrestaurierung ab 2006 konnte der Flügelaltar 2007 wieder als Ganzes aufgestellt werden.3) Auf den Außenseiten der Flügel ist die Verkündigung an Maria zu sehen; die falsche Gruppierung beim Fund wurde mittlerweile behoben. Der linke Flügel ist nur noch zur Hälfte erhalten, was zu Textverlust geführt hat; außerdem sind die Flügel oben und unten beschnitten. Auf dem noch vorhandenen Teil ist ein Teil des Engels zu sehen, der in der rechten Hand einen Stab trägt und mit der linken auf Maria hindeutet. Auf dem rechten Flügel steht Maria mit Nimbus und gefalteten Händen. Über den Köpfen beider befindet sich die Inschrift (A). Auf der linken Flügelinnenseite ist die Geburt des Herrn dargestellt. Im Vordergrund steht der Stall mit Maria, Joseph und dem nackten Jesuskind, während im Hintergrund ein Engel den Hirten ein Schriftband mit der Inschrift (B) zeigt und ihnen so den Frieden verkündet. Auch hier ist korrespondierend zum verstümmelten Bild des verkündenden Engels gut die Hälfte der Darstellung verloren. Auf der rechten Flügelinnenseite ist die Anbetung der Könige zu sehen. Über der Szene schweben rechts oben drei Engel, die eine Tafel mit Notenlinien und Notation sowie der Inschrift (C) halten. Unten in der rechten Ecke ist die Meistersignatur (D) angebracht. Das Mittelfeld zeigt eine figuren- und anspielungsreiche Kreuzigung. In der Mitte steht das Kreuz Christi, flankiert von zwei weiteren Kreuzen, die von zahlreichen Personen in drei Hauptgruppen umgeben sind, am linken Schächerkreuz die Marien mit dem die Gottesmutter stützenden Johannes, am Kruzifixus Maria Magdalena, Longinus und der Hauptmann, am rechten Schächerkreuz Soldaten bei Herodes und Pilatus. Im Hintergrund ist eine Stadtansicht abgebildet, die vermutlich Hersfeld als Jerusalem zeigt.4) Auf dem Kreuzesstamm in der Mitte ist die Meistersignatur mit der Jahreszahl (E) angebracht; ein Kreuztitulus ist heute nicht mehr erkennbar, aber sein früheres Vorhandensein anhand von Farbspuren zu vermuten. Unbestimmte Worttrennungszeichen stehen zwischen Zeilenmitte und Grundlinie. Besonders bei der zweiten Hälfte von Inschrift (A) kann man eine Überarbeitung und auch eine Verfälschung von Schriftformen nicht ganz ausschließen.

Maße: H. 131, B. (gesamt) 320, B. (Flügel) 78, B (Mittelteil) 157, Bu. 5 (A) 0,6 (B) 0,6–0,9 (C), 1,2 (D, E) cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Brunhild Escherich) [1/10]

  1. A

    [VERKV]NDVNG 15 ∙ 7 [3]a) // MARIE LV(CAE) Ib, 5) ∙ 1 ∙ 5 ∙ 7 ∙ 3

  2. B

    GLORIA IN EX[CELSIS – – –]6)

  3. C

    GLORIA IN EXCEL/SIS DEO6)

  4. D

    ∙ V(ALENTINVS) H(EP)c)

  5. E

    15 V(ALENTINVS) H(EP)c) 73

Übersetzung:

(B, C) Ehre sei Gott in der Höhe.

Kommentar

Die Darstellungen auf dem Altar greifen mit Mariä Verkündigung, der Geburt Christi, der Anbetung der Könige und der Kreuzigung traditionelle Bildthemen auf, die im Mittelalter auf Retabeln häufig verbunden wurden.7) Als Valentin Hep das Retabel 1573 für den Hauptaltar der Kirche von Odensachsen schuf, war dort möglicherweise schon die Reformation eingeführt worden, obwohl Odensachsen der Abtei Fulda gehörte. Im Jahr 1582 läßt sich jedenfalls definitiv ein lutherischer Pfarrer in Odensachsen nachweisen.8) Die gewählten Bildthemen waren aber sowohl für Katholiken als auch für Lutheraner unproblematisch. Hep bewegte sich mit seiner Arbeit also auf sicherem Boden.

Der Altar ist die einzige bekannte Arbeit dieser Art von Valentin Hep, der sonst als Bildhauer in Erscheinung getreten ist. Seine unverwechselbare Signatur, die in identischer Weise auch auf anderen Werken von ihm angebracht ist, läßt aber keinen Zweifel an der Zuschreibung zu.9)

Textkritischer Apparat

  1. Die 7 ist gerade noch zu sehen, dahinter ist das Bild abgeschnitten.
  2. Als Mariae Laetum Votum Iubens 1573 im Sinne von „Die frohe Botschaft Maria verheißend“ aufgelöst bei Sabo 437.
  3. V und H sind in Nexus litterarum ausgeführt.

Anmerkungen

  1. Sabo, Das älteste Bild I 2.
  2. Pfeiffer, Golgatha 5.
  3. Zum Schicksal des Altars zusammenfassend Sabo, Buchonia 429–434.
  4. Funk, 300 Jahre Kirche 135 f.; Sabo, Das älteste Bild II 6 f. unter Berufung auf eine Stellungnahme von Dr. Holger Th. Gräf, Marburg; Zweifel an dieser Interpretation bei Kurz, Älteste Hersfelder Stadtansichten 19.
  5. Lk 1,26–38.
  6. Antiphon der Weihnachtsmesse, vgl. Corpus antiphonalium officii Bd. 3, 236, Nr. 2946.
  7. Vgl. Pfeiffer, Golgatha 5–8.
  8. Neuber, Haunetaler Geschichte 116 f.
  9. Vgl. zu ihm Sabo, Das älteste Bild II 5; identische Signaturen zeigen die Nrr. 172 f., beide von 1570.

Nachweise

  1. Sabo, Das älteste Bild I 1–3 mit Abb. (A, C).
  2. Sabo, Das älteste Bild II 5 mit Abb. (E).
  3. Sabo, Zeichen 36.
  4. Sabo, Buchonia 436 f. (A), 431 (A, Abb.), 436 f. (A, Abb.), Farbtaf. XXIII, Abb. 48 (Totale), Farbtaf. XXIV, Abb. 50 (C) 442 (C), 442 u. 445 (E, Abb.), Farbtaf. XIV f. (Mittelteil, E).

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 183 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0018300.