Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 176 Rotenburg, Schloß 1571, (1571), 1581, ca. 1607

Beschreibung

Bauzahlen und Namen von Bauherren im Innenhof des Schlosses.

I. Am östlichen Ende des Südflügels Treppenturm mit Renaissanceportal aus rotem Sandstein mit Diamantquaderung, in dessen Dreiecksgiebel ein Schriftband mit Bauzahl in erhabenen Ziffern.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Rüdiger Fuchs) [1/2]

  1. 1/57/1

Beschreibung

II.† Bauzahl im Giebelfeld des hofseitigen Eingangsportals zur Schloßkapelle, die in der Nordostecke der Hofanlage stand.

Nach Mangin bei Kramm und Ortmüller.

  1. 1581

Beschreibung

III. In der Südwestecke des Schloßhofs Treppenturm mit der Wappentafel des früheren Bauherrn Landgraf Wilhelm IV. über dem Eingang. Die hochrechteckige Tafel (1,2:1) aus gelbgrauem Sandstein wird von einem mehrfach abgetreppten Rahmen umlaufen, im vertieften Feld oben Name, unten Datierung, dazwischen das Ehewappen in Form zweier aneinandergeschobener Vollwappen.

Schriftart(en): Kapitalis, erhaben.

  1. VON GOTTES GENADEN / WILHELM LANDGRAFF ZV HESSEN // ANNO DOMINI 1571

 
Wappen
Hessen-Kassel1) und Württemberg2)

Beschreibung

IV. In der Nordwestecke des Schloßhofs Treppenturm mit der Wappentafel des jüngeren Bauherrn Landgraf Moritz über dem Eingang. Die hochrechteckige Tafel (1,1:1) aus gelbgrauem Sandstein wird von einem mehrfach abgetreppten Rahmen umlaufen, im vertieften Feld oben Name, darunter das Ehewappen in Form zweier aneinandergeschobener Vollwappen.

Schriftart(en): Kapitalis, erhaben und nach rechts schräg liegend.

  1. VON GOTTES GENADEN / MORITZ LANDTGRAFF ZV HESSEN

 
Wappen
Hessen-Kassel1) und Nassau-Dillenburg3)

Kommentar

Die Bauzahlen (I, II) und die Wappentafel (III) verewigen den Beginn des Schloßneubaus unter Landgraf Wilhelm IV. und seiner Gattin Sabine von Württemberg, die auch die Fundation der Schloßkirche im ehemaligen Nordflügel per Inschrift verkündeten (Nr. 222) und ihre Wappen mit den Beischriften darin anbringen ließen (Nr. 224); insofern stehen die vorliegenden Inschriften zu den beiden Wappen in der Tradition der Zeit. Zwei noch jüngere Gedenkinschriften von 1610 (Nr. 287) faßten den Schloßbau seit Landgraf Ludwig II. dem Freimütigen († 1471) zusammen. Die Gestalt des heutigen Schlosses wird aber im Wesentlichen dem Neubau unter Landgraf Wilhelm IV. dem Weisen ab 1570/71 (I) verdankt: Der Umbau nach Kasseler Vorbild schuf eine umschlossene Hofanlage mit anschließendem Garten (im Osten). Offenbar wurden drei Flügel und die Kapelle im Osten des Nordflügels in einer großen konzentrierten Aktion zwischen 1570 und 1590 erbaut, einschließlich des beeindruckenden Rittersaals im Ostflügel (1790 abgerissen) und der Innenausstattung durch Wilhelm Vernukken sowie der Schloßkapelle im Nordosten. Von den noch vorhandenen Baulichkeiten abgesehen, weiß man das meiste darüber durch die Beschreibungen Lucaes und einige Zeichnungen von Dilich und Mangin. Die Bauleistung noch unter Landgraf Wilhelm IV. verschlang über 32.000 Gulden und erforderte mehrere Tausend Dienstfuhren.4)

Nur den Rest des Nordflügels, wo noch die alte Burganlage abgerissen werden mußte, baute Landgraf Moritz, der dem Schloß aber durch die Rotenburger Quart nach 1627 zur Residenz eines teilselbständigen Fürstentums verhalf. Sein Bau im Norden zur Fulda hin wurde am 16. Mai 1607 vollendet, wie Lucae aus einer Inschrift entnommen haben könnte, da er unmittelbar nach seiner Beschreibung der Wappentafel (IV) dazu genaue Angaben macht: „Über demselben stehet Herren Landgraff Moritzes und seiner Gemahlin frawen Julianae Gräffliches Nassawisches wapen in röthlichem stein von volkommener größe kunstreich eingehawen. Und eben daß ist die Seite oder theil deß Schloßes, welches Anno 1607 Hochbemeldeter Herr Landgraff Moritz den 16. tag Martii vollendeten.“5)

Es stellt sich die Frage, ob die beiden Tafeln (III, IV) gleichzeitig am Ende der Bauzeit entstanden oder zu den jeweiligen Bauphasen 1571 und ca. 1607 und ob sie nicht doch dem 18. Jahrhundert angehören, weil sie nahe dem barockisierten Westflügel plaziert sind. Insofern hätte Lucae um 1700 den ursprünglichen Zustand festgehalten. Immerhin könnte man dann wohl beide Tafeln als Kopien älterer ansehen.

Erhabene Buchstaben entsprechen durchaus den Usancen der Zeit und der Region. Dennoch unterscheiden sich beide Tafeln, die Wilhelms (III) ist etwa bei den Helmen besser erhalten, ihre Wappenschilde sind geringfügig gestreckt und unten angespitzt, oben mit Voluten versehen; die stilistischen Unterschiede sind aber gering, die Tafel für Moritz ein wenig gedrungener. Beide Schriften sind eng verwandt, wenngleich die für Moritz (IV) leicht nach rechts schräg liegt und konsequenter mit erhöhten Versalien versehen ist, ihr R besitzt auch nicht die knapp unter die Grundlinie reichende Cauda. Identisch sind aber das leicht aus der Schreibachse nach rechts gekippte A und die eingestellte Cauda des G; identisch ist auch der Duktus. Beide Tafeln sind also leichte Varianten desselben Typs und aus einem identischen Material mit gleichartigen Verwitterungsspuren hergestellt. Sie können keinesfalls in einem Abstand von 36 Jahren entstanden sein, wie die Datierungen vorgeben. Außerdem bestehen auffällige Unterschiede zur Bauzahl von 1571 (I) beim Schaft der 5 und beim asymmetrischen Sporn am Balkenende der 7.

Obwohl der Tafel des Moritz ein Datum fehlt, dürften daher beide Tafeln gleichzeitig hergestellt worden sein; es ist zu prüfen, ob gegebenenfalls bei der Barockisierung des Westflügels ab 1750. Sachlich spricht einiges dafür, daß wie in der Schloßkapelle ursprünglich die Namen auch der beiden Ehefrauen genannt waren. Sollte es sich um Kopien handeln, sind die geringen Unterschiede bewußt gesetzt, weil ja die ursprünglichen Tafeln auch knapp 40 Jahre auseinander lagen und sich stärker unterschieden. Entscheidende Hinweise darauf gibt Lucae, der rötliche(!) Steine sah und anscheinend bei der Tafel des Moritz ein Datum, das man aber nicht wiederholte. Dieser Theorie widersprechen einige Sachverhalte, da erstens die Schrift keine dezidierten Merkmale des 18. Jahrhunderts besitzt, vielmehr G mit eingestellter Cauda für um 1600 spricht, während nach rechts geneigtes A und das schmale D mit den Schaft übergreifenden Bogenenden in einer Schrift mit ausgeprägter Sporenbildung eher jünger erscheinen, allerdings nicht zwingend. Die Form des Wappenschilds mit geraden Flanken und rundem Abschluß bei (IV) ist eher unspezifisch, um 1600 selten, aber später auch, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in Kassel durchaus verbreitet. Drittens erscheint der Akanthus der Helmdecken sehr natürlich und schwungvoll, während er viel später zumeist plump und teigig entgegentritt. Es gibt also durchaus Gründe, die Tafeln als späte Kopien anzusehen, doch müßten die Hersteller dann in extremer Weise das alte Aussehen nachgeahmt haben.

Dessen unbenommen muß man um die Tafeln ursprünglich mehr Dekor vermuten.

Anmerkungen

  1. Hessen-Kassel, nämlich Herzschild Landgrafen von Hessen; geviert von Grafen von Katzenelnbogen, Ziegenhain, Nidda, Diez; Helmzier: Landgrafen von Hessen (fehlen Kleestengel, Einstecklöcher vorhanden), Grafen von Katzenelnbogen (auf dem Flug nur eine Scheibe mit Schildbild), Ziegenhain.
  2. Geviert von Herzogtum Württemberg, Herzogtum Teck, Reichssturmfahne (via Markgröningen), Grafen von Mömpelgard; Helmzier: Württemberg, Teck.
  3. Geviert von Grafen von Nassau, Katzenelnbogen, Vianden, Diez; Helmzier: Katzenelnbogen, Nassau, Diez.
  4. Vgl. Ortmüller 23.
  5. Lucae, Kleinod 76 (72).

Nachweise

  1. Kramm, Schloßanlage 181 mit Abb. 1 (II, Bauzeichnung von François Ignace Mangin von 1789).
  2. Ortmüller, Geschichte 18 f. (I), 20 mit Abb. 2 (II, Bauzeichnung von François Ignace Mangin von 1789), 21 (III, IV erw.).
  3. Görlich, Schöne alte Bauten 35 (III erw. mit Jz., IV erw.) – Dehio, Hessen 757 (II, III, Jz.).
  4. Kemp, Kulturdenkmäler II 791 (I–III, Jz.).
  5. Dehio, Hessen I (2008) 788 (I–III, Jz.).

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 176 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0017609.