Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 149 Friedewald, Schloß, Schloßplatz 1–4 1557?, A. 17. Jh., 1605

Beschreibung

I. Bauzahl am Nordflügel des westlich der Wasserburg liegenden Schloßhofes, und zwar hoch oben in die schmale Ostseite des Erkers eingelassen. Die querrechteckige Tafel aus hellrotem Sandstein besitzt einen schlichten zweifach abgetreppten Rahmen, der ein geschrotetes, in zwei Zeilen beschriftetes Feld umläuft. Darin steht in erhabener Schrift der Beginn der Jahresformel und darunter eingetieft die vier Ziffern der Jahreszahl.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Rüdiger Fuchs) [1/4]

Schriftart(en): Gotische Minuskel, erhaben, mit Frakturversal.

  1. Anno ∙ domini ∙a) / [1557]

Kommentar

Alle Bauzahlen betreffen den neuzeitlichen Umbau der Vorburg. Die Wasserburg Friedewald selbst wurde ab 1476 vom hessischen Festungsbaumeister Hans Jakob von Ettlingen für die Landgrafen Heinrich III. (1440–1483) und Wilhelm I. (1466–1515) umgebaut, nachdem sie den Anteil der Herren von Milnrode bzw. Buchenau zurückgekauft hatten. Nach einem weiteren Rückkauf von den von Altenburg und Rückershausen wurde bis etwa 1500 auch die Vorburg erneuert. Von diesen Baumaßnahmen zeugen noch die Reste der im Siebenjährigen Krieg zerstörten Burg und ein Wappenstein am Burgtor (Westseite), der angeblich von 1480 stammt. Es besteht immerhin eine Diskrepanz zum Jahr 1486, in dem der Rohbau angeblich abgeschlossen war, und zum Jahr 1489, als der Altar des Rittersaales geweiht wurde,1) zwei Zeitpunkte, zu welchen man die Anbringung einer solchen Zahl erwarten darf. Beide Endziffern ließen sich zu einer 0 verlesen. Die Bemerkungen zum 1480 angebrachten Wappenstein und zur Pechnase nebenan leiten sich jedoch nur aus den Baurechnungen her.2)

Die sehr eng gestellten Minuskeln der noch vorhandenen Bauzahl zeigen, ggf. wegen der eingeschränkten Buchstabenmenge, keine Merkmale der Fraktur, lediglich der Versal ist typologisch dieser moderneren Schrift entnommen, ohne ihre morphologischen Merkmale erkennbar zu übernehmen. Gegenüber den scharfen Kanten der Jahreszahl stehen die stark zerstörten Buchstaben in eigentümlichem Kontrast. Mit großer Sicherheit waren die Ziffern ursprünglich auch erhaben gearbeitet, wurden anscheinend aber spätestens während der Umbauarbeiten zum Hotelkomplex ab 1995 in extrem breiter Kerbe ausgehoben: Die 1 ist eindeutig modern – das zeigen ihre Form mit dem geraden Anstrich und der Verzicht auf Sporen; bei allen Ziffern steht noch eine scharfe Kante. Das Baudatum wird zwar schon in den alten Dehio-Bänden erwähnt, jedoch auch später nie genau beschrieben, so daß man nicht weiß, wie die Zahl früher aussah und wo sie sich befand. Dieser Sachverhalt kann Auswirkungen auf die Datierung des Bauteils haben.

Beschreibung

II. Initialen am Portal des oktogonalen Treppenturms, der sich am Nordflügel des Schlosses (Schloßplatz 1) befindet. Die erhaben gearbeiteten Initialen stehen im Giebel des Portals links und rechts eines leeren Wappenschildes. Als Worttrenner dienen Quadrangel mit paragraphzeichenförmig ausgezogenen Zierstrichen.

Schriftart(en): Kapitalis, erhaben.

  1. M(ORITZ) ∙ L(ANDGRAF) // Z(V) ∙ H(ESSEN)

Kommentar

Unter Landgraf Moritz (1596–1627) wurde der Bau zu Beginn des 17. Jahrhunderts um drei Fensterachsen nach Osten erweitert und der Treppenturm errichtet.3)

Beschreibung

III. Initialen und Jahreszahl am Portal des oktogonalen Treppenturms des Südflügels (Schloßplatz 2–4). Die Initialen (A) befinden sich im Giebel des Portals links und rechts eines leeren Wappenschildes. Darunter ist im Architrav auf einer Tafel die Jahreszahl (B) angebracht.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    M(ORITZ) L(ANDGRAF) // Z(V) H(ESSEN)

  2. B

    1605b)

Kommentar

Ab 1602 wurde der Südflügel unter Landgraf Moritz (1596–1627) um drei Fensterachsen erweitert4) und – wie der nördliche – mit einem Treppenturm versehen. Die Umbauarbeiten wurden offenbar 1605 abgeschlossen. Aus dieser Zeit stammt wohl auch der Dreischalenbrunnen, der dem landgräflichen Künstler Wilhelm Vernukken zugeschrieben wird.5)

Umstritten ist die Bauzeit der beiden den Schloßhof begrenzenden Flügel, also die erste Erneuerung des Vorburgbereichs – der Westflügel wurde schon früh niedergelegt und vor nicht langer Zeit (1995–1997, erweitert 1999) in ein modernes Hotel umgewandelt. Schon Wilhelm Dilich datierte den Marstall, „so oben am theich gelegen“, also den Südflügel, auf 1583 in die Regierungszeit Landgraf Wilhelms IV.,6) worin ihm Martin Zeiller folgte. Dilich war als Günstling von Landgraf Moritz den Geschehnissen allerdings viel näher. Seine Datierungen der Moritzschen Baumaßnahmen auf 1596 und 1601/02 sind aber nicht genau bzw. geben nicht das aus den Bauzahlen (I, III) erkennbare Jahr der Fertigstellung an.

Eine jüngere Datierung der ersten Flügelneubauten auf 1550 bis 15607) mochte von der Bauzahl (I) abgeleitet sein, was indirekt deren erhöhte Anbringung zu bestätigen scheint. Gegen den Befund der Bauzahl (I) datierte man den Flügelbau auf um 15808) oder stellte fest, daß die Erkerformen nicht vor 1570/80 möglich seien.9) Die um eine Generation früher ansetzende Datierung wird von Großmann auf eine „nicht nachvollziehbare Inschrift am Norderker von 1557“ zurückgeführt und anhand der Formen, aber auch ohne Berücksichtigung der realen Bauzahl zurückgewiesen. Die Formenanalyse scheint Großmann zu bestätigen, dann müßte aber die Bauzahl von einem anderen Platz an diese Stelle gerückt worden sein, oder die Überlegungen zur Erneuerung der alten Zahl 1557 wären falsch. Bedenkenswert scheint auch, daß Landgraf Philipp der Großmütige erst 1552 aus der kaiserlichen Gefangenschaft entlassen wurde und seinem hochverschuldeten Land finanziell auf die Beine helfen mußte – was sollte da ein umfassender Neubau im abgelegenen Friedewald nützen? Immerhin stammte der Wohntrakt der Kernburg aus der Mitte des 16. Jahrhunderts10) und könnte somit der Standort der Bauzahl 1557 (I) gewesen sein.

Textkritischer Apparat

  1. Doppelpunkt aus Quadrangeln.
  2. 1603 bei Licht ist durch nichts gestützt; 1609 bei Görlich ebensowenig.

Anmerkungen

  1. Dehio, Hessen I (2008) 250, Kemp 244 f. Die Bauzahl ließ sich nicht überprüfen, da sie weder am Wappenstein (Wappen der Landgrafen von Hessen) über dem Tor noch benachbart aufzufinden war. Zur Frühgeschichte der Burg auch Licht, Wasserburg 129 f.
  2. Vgl. Gutbier, Hans Jakob von Ettlingen 13.
  3. Dehio, Hessen I (2008) 251, Kemp 245.
  4. So nach Merian/Zeiller, Topographia Hassiae 64.
  5. Dehio, Hessen I (2008) 251.
  6. Dilich, Hessische Chronica 144.
  7. Dehio und Kemp – schon im Dehio von 1966.
  8. Gutbier, Hans Jakob von Ettlingen 10, allerdings ohne Kenntnis der Jahreszahl 1557.
  9. So Georg Ulrich Großmann, Renaissance-Schlösser in Hessen – Katalog des DFG-Projekts am Germanischen Nationalmuseum Nürnberg.
  10. Gutbier, Hans Jakob von Ettlingen 33 und zu Abb. 7.

Nachweise

  1. Görlich, Schloß Friedewald 74 (I, nur Jz., III).
  2. Dehio, Hessen 278 (I, nur Jz., II, III).
  3. Licht, Wasserburg 131 (III).
  4. Kemp, Kulturdenkmäler I 245 f. (I, nur Jz., II, III).
  5. Dehio, Hessen I (2008) 250 f. (I, nur Jz., II, III).

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 149 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0014909.