Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 117 Bad Hersfeld, Stiftskirche/Stiftsruine         1518, 1690?, 1709, 1730

Beschreibung

Jahreszahlen, Namen und Initialen. Ein Wappen mit Jahreszahl auf einem Quader aus hellrotem Sandstein, innen auf der Ostseite der Fensterarkade im nordwestlichen Eck der unteren Turmstube des Westturms, über dem blaugrauen Eisengeländer. Auf dem inneren Quader das Wappen zentral, darüber in ähnlicher Kerbe Initialen (A), darunter eine Jahreszahl (B). Auf dem Quader nach außen Zeichen (oder doch Buchstaben?) und der Buchstabe B, noch weiter außen die moderne Jahreszahl 1947. Als Worttrenner dienen halbkugelig vertiefte Punkte (B) und konturierte Quadrangel mit zweiseitig ausgezogenen großen Zierstrichen innen (A) bzw. außen (B).

In der Umgebung fand sich keine weitere vor 1650 datierte Beschriftung, allerdings auf einem Kapitell aus nachgesetztem Stein im Nordwesten ein Name (C), ein weiterer auf einer anderen Arkade im Nordosten (D), weitere Namen in den Gewänden der Südwestecke, im Süden (E) und Westen über Eck nach Süden (F) und nach Osten (G).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis (A), Versalien der Gotischen Minuskel (A), arabische Ziffern in moderner Formung (B), Kapitalis (C–G).

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/1]

  1. A

    S F ∙ O V

  2. B

    ∙ 1 ∙ 5 ∙ 1 ∙ 8 ∙

  3. C

    A H HERMAN

  4. D

    GEBHARD1) / 1730

  5. E

    I. OSTERLING

  6. F

    I RHODI(VS) / 1709

  7. G

    [– – –] / IMB[– – –]a)/ MEYLb) / A ∙ G ∙ ∙ THON /[.]O[– – –]c) / [1]69[0]

Wappen:
unbekannt2)

Kommentar

Die Beschriftung über dem Wappen zeichnet sich durch große Unregelmäßigkeit der Richtung und Größen aus und durch eine Mischung von Schriftarten. Trotzdem wird man die Initialen wegen des identischen Worttrenners mit der Datierung der Inschrift (B) zusammenziehen müssen, obwohl dort die Kerbe der Ziffern eher flach ausgeführt ist. Die Unterschiede zu benachbarten Beschriftungen sind in jedem Falle wesentlich größer. Der erste Buchstabe von (A) ist ein frühes kapitales S mit für die Zeit typischen weit nach innen umgebogenen Bogenenden, dann folgt leicht nach rechts geneigt ein halbunziales F mit Unterlänge, nach dem Worttrenner wieder nach rechts geneigt ein schlankes spitzovales O und ein von der Schreibschrift beeinflußter Minuskelversal V. Wegen der erhöhten Anbringung der beiden äußeren Buchstaben könnte man diese beiden zusammenfassen; dagegen spricht allerdings die Mischung der Schriftformen.

Unklar ist, ob es sich bei der Beschriftung von 1518 um eine Art stilisiertes Graffito oder um die Verewigung einer am Bau beteiligten Person handelt, wie wenig ältere Inschriften der inneren Stube (Nrr. 90, 98, 100) suggerieren. Bei den jüngeren Namen scheint es sich um Verewigungen von Insassen des Karzers zu handeln, die sich auch in der inneren Stube und ihrem Zugang verewigten – einige Jahreszahlen stimmen sogar überein. Einige der Namen wie THON (G) zeigen allerdings eine gewisse Vertrautheit mit Steinmetzarbeit, sonst wäre die Schrift nicht so gleichmäßig und nicht wenigstens in Teilen mit geraden scharfen Kanten versehen.

Textkritischer Apparat

  1. Die Oberfläche des Quaders stark zerstört, ggf. sogar mutwillig, vgl. unten.
  2. Das E nicht zweifelsfrei erkennbar. MYL wäre immerhin Namensbestandteil des Abtes Crato Melles (Kraft Myle) (Nrr. 145 f.).
  3. Diese Passage mutwillig mittels fast waagerechter Kerben zerstört.

Anmerkungen

  1. Der Name häufig in Hersfeld, vgl. Schmidt, Bürgerbücher 152 (Register).
  2. Nach schrägrechts geneigt eine Art Hürde, aus zwei dünneren, oben weiter auseinander stehenden Stäben und zwei mehr waagerechten, dickeren bestehend, letztere oben schräg, unten links schräg, rechts in einem Haken endend. Das Ganze nach Auskunft von Herrn Prof. Dr. Friedrich Karl Azzola, Trebur, kein Handwerkszeichen, ggf. aber ein sekundäres Instrument wohl aus dem Bereich der Landwirtschaft oder zum Aufhängen von Textilien o. ä.

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 117 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0011700.