Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 107 Ausbach (Hohenroda), Evangelische Kirche 1508

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Widmungsinschrift und Gußjahr auf einer Glocke im Glockenturm. Die Inschrift läuft auf der Schulter zwischen Kordelstegen um, von denen der untere einen hängenden Blütenfries trägt. Das erste und die letzten beiden C der Jahreszahl zeigen jeweils in der Rundung des Bogens ein Gesicht im Profil. Als Worttrenner dienen sechsstrahlige Sterne.

Maße: H. 48, Dm. 63, Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Brunhild Escherich) [1/2]

  1. ANNO ∙ DOMINI ∙ M CCCCCoa) ∙ VIII ∙ IN HONORE ∙ SANCTE ∙ ORTHILGEb)

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1508 zu Ehren der heiligen Ottilia (Odilia).

Kommentar

Das A ist spitz mit nach links überstehendem Deckbalken und geradem Mittelbalken gebildet. Das E erscheint sowohl in kapitaler als auch in zweibogiger Form. Der Mittelbalken des H ist nach unten ausgebuchtet, das I weist einen Nodus oder Halbnodus in der Mitte des Schaftes auf. Das M zeigt die typische kapitale Form mit nicht ganz bis zur Grundlinie reichendem Mittelteil. Das N ist retrograd, und der Schrägschaft trägt in der Mitte eine Ausbuchtung. Das O ist spitzoval, und das R trägt einen kleinen Bogen und eine leicht nach außen gebogene Cauda. Das S ist retrograd gebildet. Zwar fehlen die für die frühhumanistische Kapitalis üblichen Ausprägungen des A mit breitem Deckbalken und gebrochenem Mittelbalken und des M mit schräggestellten Schäften und sehr kurzem Mittelteil, doch aufgrund der Gestaltung der übrigen Buchstaben muß die Inschrift der frühhumanistischen Kapitalis zugerechnet werden.

Textkritischer Apparat

  1. Das o ist durch einen Gußfehler verstümmelt.
  2. Wohl für OTHILIE. Gemeint ist die heilige Ottilia (Odilia) (660–720), Tochter des elsässischen Herzogs Eticho und Äbtissin in dem von diesem gegründeten Kloster Hohenburg, vgl. Adriaan Breukelaar, Odilia, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Bd. 6 (1993) 1108 f. Nicht bei Baist, Ausbach, der fälschlich den Gießernamen „Hans Rortrog [sic, R. Fuchs] von Homberg“ hinzufügte – wenngleich auch Kortrog wenig später (Nr. 123) in einer Frühhumanistischen Kapitalis goß; Inschrift mißverstanden bei Baist und Ludwig: „in hl. Ehre“.

Nachweise

  1. Baist, Ausbach 66 (tw.).
  2. Baist, Ausbacher Kirche 24 (tw.).
  3. Ludwig, Zeichnung.
Addenda & Corrigenda (Stand: 18. Juli 2022):

Hinweis zum Hersteller: Wegen der von Hans Kortrog von Homberg im Jahr 1508 für dieselbe Kirche gegossenen Glocke wird man ihm auch die Ottilien-Glocke zuschreiben dürfen, zumal die festgestellten paläographischen Besonderheiten später in seinem Werk vorkommen, freilich, wie die Glocke von 1512 in Hessisch Lichtenau-Fürstenhagen, vgl. DI 87 (Werra-Meißner-Kreis I, Altkreis Witzenhausen) Nr. 29, zeigt, Einzelformen wie E und R auch abweichen können. Die weit verstreute Produktion des Hans Kortrog harrt noch einer Bearbeitung, insbesondere im Hinblick auf die Paläographie an der Nahtstelle von Mittelalter und Neuzeit, die sich in der konkurrierenden Verwendung von Gotischer Minuskel und einer eigenwilligen Variante der Frühhumanistischen Kapitalis bemerkbar macht.

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 107 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0010702.