Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 102† Bad Hersfeld, Stiftskirche/Stiftsruine              E. 15.–A. 16. Jh.?

Beschreibung

Beschriftung eines Reliquienkastens. Im Jahre 1749 wurde der Regierungsrat Johann Christoph Kopp1) von Kassel nach Hersfeld gesandt, um festzustellen, welche Reliquien sich dort noch aus katholischer Zeit befanden (vorangehende Nr.). Der Kanzleisekretär H. Hartmann übergab ihm eine „Specificatio …“, wonach unter Nr. 2 ein auf beiden Seiten bemalter und mit gemalten Figuren versehener Kasten vorne in „Mönchsschrift“ eine knappe Beschriftung aufwies. Aus der Aufzeichnung geht nicht hervor, ob diese vollständig erkennbar war oder ggf. nur einen Teil der ursprünglichen darstellte.

Nach Specificatio.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.2)

  1. [– – –] die laÿmera) [– – –]

Kommentar

Die prekäre Überlieferung gestattet keine weitergehenden Aussagen; die Substantive „laymen” oder „laymer“ sind als Lemma in den Wörterbüchern zum Mittel- und Frühneuhochdeutschen nicht nachgewiesen. Die Specificatio ist jedoch als Ganzes sehr aufschlußreich, da sie neben Undeutbarem Figurenteile von Geistlichen (Abt, Specificatio Nr. 6, Patriarch?, Specificatio Nr. 11) und sechs Kästen mit Bezug zu Zünften (Specificatio Nrr. 1, 3, 5, 6, 7, 10) aufführt und das anhand von Darstellungen und einmal anhand einer freilich nicht zitierten Inschrift (Specificatio Nr. 3) erkannt haben will. Bei diesen Kästen muß es sich nicht um Reliquienbehälter gehandelt haben, doch läßt sich schwerlich erklären, warum Zunftladen damals in der Stiftskirche abgestellt gewesen sein sollten. Außerdem erkannte der Gewährsmann einmal den Patron (Eligius?) der Schmiedezunft (Specificatio Nr. 5). In diesen Zusammenhang könnte der Kasten den laymer gehören, deren Name auf Leim, leimen für Lehm, mit Lehm bestreichen3) zu verweisen scheint und damit entweder einen Berufsstand benennt, der im lokalen Fachwerkhausbau tätig war, oder den Zusammenschluß jener Hersfelder Einwohner, die die wichtigen Leimkauten/Lehmkauten pachteten.4)

Textkritischer Apparat

  1. laÿmen Reliquien. Der erste Editor fügte in Klammern noch zwei Fragezeichen an. Offenbar war er sich bewußt, daß danach – und wohl auch davor – Text verloren sein dürfte.

Anmerkungen

  1. Vgl. knapp zu Johann Christoph Kopp in landgräflichen Diensten Strieder, Grundlage VII 263 ff.
  2. So wird man wie üblich den Begriff „Mönchsschrift“ deuten.
  3. Vgl. u. a. Lexer, Handwörterbuch I 1868 u. 1922.
  4. Hierzu sind weitere Recherchen zur Begriffsbildung, zum zunftartigen Zusammenschluß von Bauhandwerkern oder Pächtern nötig. Viele Namen der letzteren kennt man aus den städtischen Rechnungsbüchern.

Nachweise

  1. Specificatio dernjenigen Sachen, welche von Catholischen Zeiten hehr in hiesiger Stiftskirchen annoch verwahrlich geblieben, alß … (HStA Marburg, Best. 17e, Nr. Hersfeld 142).
  2. Reliquien in Hersfeld 31.

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 102† (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0010207.