Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 95 Nentershausen, Evangelische Kirche 1498

Beschreibung

Glocke mit Namensansage, Glockenspruch, Meisterinschrift und Evangelistennamen, auf dem Glockenturm. Die auf der Schulter umlaufende Inschrift (A) wird oben von einem einfachen Steg und unten von einem Doppelsteg mit hängendem Bogenfries begrenzt, der an den Enden kleine Kreuzblumen trägt. Auf der Glockenflanke befinden sich auf den gegenüberliegenden Seiten eine Kreuzigungsgruppe mit dem Titulus (C) und die Reliefs zweier Bischöfe. Dazwischen sind die Namen der Evangelisten genannt (B), hier nach dem Beginn der Inschrift ausgerichtet; der erste Name steht unterhalb von theowaldus. Als Worttrenner dienen Quadrangel mit paragraphzeichenförmig ausgezogenen Zierstrichen.

Maße: H. (mit Krone) 110, Dm. 103, Bu. 3,4 (A, B), 2,5 (C) cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Sebastian Scholz) [1/1]

  1. A

    + heinricvs ∙ heis ∙ ich∙ in ∙ sancte ∙ theowaldvs ∙ er ∙ lvt ∙ ich∙ stefan ∙ hofman ∙ gos ∙ michmcccclxxxxviii

  2. B

    ∙ lvcas ∙ ∙ matevs ∙ // ∙ marcvs ∙ ∙ iohanes ∙

  3. C

    i(esvs) n(azarenvs) r(ex) i(vdeorvm)1)

Versmaß: Deutsche Reimverse (A).

Kommentar

Die gotische Minuskel ist im Zweilinienschema und mit verhältnismäßig flachem Relief ausgeführt worden. Das s ist aus zwei kleinen, gegeneinander gesetzten c gebildet, von denen das untere auf dem Kopf steht. Die beiden unteren Teile des gebrochenen Bogens stoßen jedoch nicht aneinander, sondern jeweils an den senkrechten Teil des gebrochenen c-Bogens. Das bedeutet, daß die beiden Bögen weiter ineinander geschoben sind als üblich. Das t verfügt über einen beidseitig überstehenden kräftigen Balken, an dessen rechtem Ende ein weit ausgezogener Zierstrich ansetzt. Auch das x hat einen solchen Balken; der Schrägrechtsschaft ist geschwungen.

Stefan (Stefen, Steffen) Hofmann ist auch als Gießer für zwei Glocken im Glockenturm der Stadtmauer sowie einer Glocke im Dom zu Eisenach sowie weiterer Glocken in Aseleben (Lkr. Mansfeld-Südharz, Sachsen-Anhalt) und Ifta (Wartburgkreis, Thüringen) inschriftlich belegt.2)

Mit dem Glockennamen Heinrich ist nicht etwa der hl. Kaiser aus Bamberg gemeint, sondern der lokale Stifter Heinrich von Baumburg († 1483?), dem es gelang, die Kirche zu einem Anlaufpunkt für Pilger zumachen. Auf sein Betreiben hin hatte die Kirche aus Rom einen 100-tägigen Ablaß für alle erhalten, die an bestimmten Tagen von einer Vesper bis zur nächsten in der Kirche ausharrten und „Gebührendes“, also die geforderten Gebete, verrichteten.3)

Diese Glocke ist in der Umgebung von Bad Hersfeld die jüngste von drei Glocken mit Evangelisten.4)

Anmerkungen

  1. Joh 19,19.
  2. Eichler, Handbuch 138.
  3. Schulze, Evangelische Kirche Nentershausen (1992) o. S. (Kap. 8.), leider ohne präzise Angaben zur Ablaßurkunde.
  4. Vgl. bei Nrr. 65, 83.

Nachweise

  1. Wenzel, Hess. Glockenkunde, Bd. 20, fol. 61v–62r.
  2. Gipper, Unsere Heimatglocken (VI) (A).
  3. Evangelische Kirche Nentershausen 71.

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 95 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0009507.