Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 84† Gehau (Breitenbach am Herzberg), Burg Herzberg 1487, 1516, 1536, 1563(?)

Beschreibung

Bauzahlen an der Kernburg, alle im Gefolge des Umbaus der alten Wehranlage durch Hans von Dörnberg und von deren Weiterbau bzw. Ausstattung. Schon kurz nach der verlorenen Bauinschrift von 1483 (Nr. 77) bezeugen eine Jahreszahl und mehrere darauf beziehbare Zeichen den umfassenden Baufortschritt, denn auf jene Inschrift am „alten Haus“ der Hochburg folgten schnell eine Bauzahl (I) und das Zeichen des Bauleiters Hans Jakob von Ettlingen, hessischer Festungsbaumeister.1) Die jüngeren Bauzahlen (II, III) beziehen sich auf die Veränderung der Innenbefestigung zwischen Vor- und Hochburg und schließlich auf den Ausbau des Nordwestturms (IV) zum sogenannten Rittersaal (Nr. 159).

I. Bauzahl und Zeichen des Baumeisters am Nordostturm (sogenannter Gehauer Turm)2), trotz intensiver Nachsuche,3) die freilich durch ungehemmten Bewuchs um die Burg gehindert wurde, nicht aufgefunden. Der genaue Standort bleibt also ungewiß, wogegen das genaue Aussehen der Zahl und der Abstand zum Meisterzeichen anhand eines alten Fotos von vielleicht 19444) rekonstruiert werden können; alle Rillen waren schwarz gefärbt. Dieses Meisterzeichen, das „Ettlingische Hörnchen“,5) befindet sich auch unten am Bergfried zusammen mit dem Relief eines Hirschs, der eine Rose in Maul trägt.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz; Reinhard Gutbier, Bamberg (Thomas G. Tempel (Repro)) [1/4]

Nach Landau und Abbildung bei Gutbier.

  1. 1487a)

Meisterzeichen: Hans Jakob von Ettlingen.5)

Kommentar

Nach Maßgabe des alten Fotos stehen Zahl und Zeichen auf einem Quader dicht zusammen, die Ziffern oben gut verteilt und in regelmäßigem Abstand. Die Spitze der Aufhängung des Horns ragt knapp von unten in die offene 4, so als wäre diese der Aufhänger. Eine mittlere, senkrecht von der Spitze herabhängende Verbindungslinie läßt das Ganze wie ein Schiff aussehen; dazu tragen auch die doppelten Linien auf den Seiten bei, so daß das angebliche Horn (so am Bergfried eindeutig) an fünf Riemen zu hängen scheint. Auch entspricht die Krümmung nicht einem Horn und auch nicht dem am Bergfried.

Beschreibung

II. Baudatum auf einer Wappentafel, die sich über dem Eingang zur Hochburg befindet. Die in jüngerer Zeit farbig gefaßte Tafel zeigt zwei Vollwappen, zwischen deren Helmzierden die Ziffern der Jahreszahl eingehauen sind. Zwischen der zweiten und dritten Ziffer ist ein Steinmetzzeichen (Nr. 1) angebracht. Die Ziffern der Sonnenuhr darunter sind modern.

  1. 1//5//1//6b)

 
Wappen
Dörnberg6) Boineburg7)

Beschreibung

III. Baudatum im Sturz des einzigen Fensters auf der Südseite des Gerichtsturms der Hochburg. Zwischen der zweiten und der dritten Ziffer befindet sich ein Wappen.

  1. 15 ∙ // ∙ 36

 
Wappen
Dörnberg

Kommentar

Beide Jahreszahlen dürften mit Baumaßnahmen im Zusammenhang stehen, die nach dem Brand des Jahres 1510 durchgeführt wurden, bei dem ein großer Teil der Wirtschaftsgebäude vernichtet worden war.8) Die Baumaßnahmen hatte jeweils das auf der Burg sitzende Familienmitglied zu verantworten: Im Jahr 1516 war das Ludwig von Dörnberg (1491–1522), Enkel von Hans’ von Dörnbergs Bruder Wilhelm, der seit 1514 mit Catharina von Boineburg verheiratet war; 1536 saß auf Herzberg der 1557 verstorbene Emmerich von Dörnberg (Nr. 148).9)

Beschreibung

IV. Eine weitere, allerdings verstümmelte und daher bislang übersehene Bauzahl steht außen auf dem Schlußstein der Tür zum Rittersaal (Nr. 159) im Südwestturm und gehört zum Innenausbau der 1560er Jahre (Nr. 152),10) die von Adolf Wilhelm von Dörnberg durchgeführt wurden.

Schriftart(en): Ziffern erhaben.

  1. 15[..]

Textkritischer Apparat

  1. Trotz der oben am Schaftende der 1 nach links abgestreckten Fahne, bei der nicht geprüft werden kann, ob sie zum ursprünglichen Bestand gehört, ist die Zahl in arabischen Ziffern gotischer Bauart eindeutig. In Landaus Nachempfindung ist die lambdaförmige 7 leicht nach rechts gekippt und sieht aus wie das Zeichen „größer“, also wie „>“.
  2. Die erste 1 sieht aus wie eine linksgewendete 5 mit relativ langem durchgebogenem Balken, das ist kaum eine Folge unfachmännischer Farbfassung, die Kerbe ist vorhanden. Die 5 ist noch linksgewendet mit Betonung des Bogenendes.

Anmerkungen

  1. Zu ihm vgl. Gutbier und jüngere Publikationen zu den ihm zugeschriebenen Werken, u. a. im Bearbeitungsgebiet Hauneck und Friedewald (Nr. 149). Der Geburts- bzw. Herkunftsort ist aus den stark variierenden Schreibweisen kaum sicher zu bestimmen, vgl. auch Vaupel, Ettlingen 110.
  2. Die Lokalisierungen weichen ab: nach Landau 87 am Nordwestturm, von Gutbier 61 als Verwechslung erkannt.
  3. Dem Besitzer der Burg, Freiherrn Jürgen von Dörnberg, sei für unermüdliches Mitsuchen und freimütige Auskünfte anläßlich des letzten Suchanlaufs am 9. Juli 2013 herzlich gedankt. Wegen wucherndem Bewuchs war die Stelle mit Zahl und Zeichen unzugänglich und konnte auch nicht von der Ferne eingesehen werden.
  4. Dieses Foto wurde von Dr. Reinhard Gutbier, Bamberg, freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Den Standort konnte er nur unsicher als „eher im südöstlichen Bereich“ präzisieren.
  5. Vgl. Gutbier 61 u. Abb. 40, zu den Zeichen des Bergfrieds ebd. Abb. 32 f.
  6. Von Gold und Rot gespalten, vgl. Siebmacher 1, Taf. 139; Siebmacher, Hessen 7 f. mit Taf. 6.
  7. Schwarz-silbern geviert, vgl. Siebmacher, Sachsen 1, 8 mit Taf. 7.
  8. Vgl. dazu Landau 88, der allerdings die Bauzahlen 1516 und 1536 nicht erwähnt.
  9. Vgl. Buttlar-Elberberg, Stammbuch, Dörnberg Taf. I.
  10. Kurzgefaßt bei Landau 88; Planzeichnung bei Gutbier pl. 27.

Nachweise

  1. Landau, Burg Herzberg 87 (mit Nachempfindung) (I).
  2. Gutbier, Hans Jakob von Ettlingen 15 (I), (II), (III), Abb. 40 (I).
  3. Kemp, Kulturdenkmäler I 204 (I, II, III).

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 84† (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0008402.