Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 83 Lengers (Heringen), Evangelische Kirche 1486

Beschreibung

Glocke, offenbar rückgeführt und heute im Turm oben auf der Ostseite hängend, daher nicht erreichbar, insbesondere keine Aufsicht möglich. Es ist nicht bekannt, ob die Glocke ursprünglich dieser Kirche gehörte,1) deren Bau von 1766 stammt.2) Die Inschrift ist unmittelbar unter der Kante zwischen Schulter und Flanke zwischen Kordelstegen angebracht; ein weiterer Steg am Wolm. Die Haube war anscheinend verstümmelt. Als Worttrenner dienen auf Medaillons montierte Tatzenkreuze.

Die Autopsie ergänzt nach Karteikarte im Glockenarchiv und Foto ebd.

Maße: H. 61,5, Dm. 69, Bu. 4,0 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Rüdiger Fuchs) [1/6]

  1. M[o]a) ∙ cccc[o]a) [lx]xxvib) ∙ lvcas ∙ marcvs ∙ mathvsc) ∙ yohansd)

Kommentar

Diese Glocke stimmt im Text, im Aufbau, also in der Anbringung der Inschrift ganz oben an der Flanke, im Duktus und einzelnen Phänomenen der Schrift mit der etwas größeren Glocke von 1465 in Mecklar (Nr. 65) so gut überein, das man beide Glocken einer Werkstatt zuschreiben muß. Auffällige Übereinstimmungen sind die auf die Schulter aufgelegten ringförmigen, somit nicht einem o der gotischen Minuskel entsprechenden Ordinalendungen, die l mit dem rechtsschrägen und leicht geschwungenen oberen Schaftende, die x mit einem ausgeprägten Balken, die Schreibung des Namens Johannes mit einem gespiegelten y, das hier nicht auf eine mißglückte versale i-longa zurückgeht, sondern zu spätmittelalterlichen Schreibweisen gehört. Unterschiede bestehen in den fehlenden Reliefs, dem in Mecklar besser proportionierten h und der hier einem gespiegelten y näherkommenden Form; hier steht außerdem in yohans kein c vor h.

Evangelistenglocken sind eigentlich eine verbreitete Untergattung des 13. bis frühen 15. Jahrhunderts.3) In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erfuhren sie eine zunehmende Beliebtheit in der Umgebung von Hersfeld, wie außerdem die Glocken von Mecklar und Nentershausen (Nrr. 65, 95) zeigen.

Textkritischer Apparat

  1. Sic nach Foto bei der Karteikarte.
  2. Sic nach Foto bei der Karteikarte; diese Stelle wurde nach dem Krieg durch eine unbekannte Einwirkung mit großer Hitze (Feuer, Reparatur?) zerschmolzen.
  3. Sic, leicht anders als auf der verwandten Glocke in Mecklar, vgl. unten. Schoof beginnt seine Wiedergabe hier.
  4. Sic, die Oberlänge des h verstümmelt; Schoof las josh.

Anmerkungen

  1. Laut freundlicher Auskunft von Pfarrerin Andrea Koch (07. August 2014) ist in der Gemeinde und beim Glockensachverständigen des Kirchenkreises nichts über diese Glocke bekannt.
  2. Vgl. Dehio, Hessen I (2008) 556.
  3. Vgl. Walter, Glockenkunde 160–162.

Nachweise

  1. Schoof, Hess. Glockenstudien II 110.
  2. Karteikarte im Glockenarchiv des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg (12/21/52B).

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 83 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0008303.