Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 82 Bad Hersfeld, Stiftskirche/Stiftsruine 1485

Beschreibung

Grabplatte des Ritters Wolf von der Tann. Die Platte aus rotem Sandstein ist heute innen an der Westwand des nördlichen Seitenschiffs angebracht. Die Inschrift läuft auf dem Rand um; rahmende Linien sind nur noch teilweise zu erkennen. Im Feld befindet sich in Ritzzeichnung die Figur eines vollgerüsteten Ritters mit zeitgenössischem Schaller und Schwert bei der Rechten. Seine linke Hand hält das Vollwappen unten rechts an der Helmzier (Fisch). Auch im oberen linken Eck ist ein Vollwappen in Flachrelief angebracht; damit könnte ein gleichfalls unkenntliches Relief oben rechts über dem Helm des Ritters in Verbindung stehen. Das Feld zeigt weit verteilt starke Abwitterungsspuren und Ausbrüche im Bereich der Füße und 22 in einem regelmäßigen Muster quer und längs angebrachte längliche Vertiefungen von 7 bis 9 cm Länge; offenbar wurde die Platte als Untergrund eines Aufbaus unbekannten Aussehens genutzt.

Maße: H. 200, B. 99, Bu. 8,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/1]

  1. Min ∙ ros ∙ v(er)ginga) das / ist war ∙Da ∙ ma(n) ∙ schreip ∙ v(ir)zehn ∙ minder iar ∙lxxxv / vo(n) ∙ d(er) ∙ hunb) ∙ brucke(n)1) ∙ shied / wolf ∙ vo(n) ∙ d(er) ∙ tan(n) ∙ vf ∙ so(n)ab(end) ∙ vor veste(n) vo(n) ma(ri)e [v]erucku(ng)c)2)

Versmaß: Zwei deutsche Reimverse.

Datum: 13. August 1485.

Wappen:
unkenntlichvon der Tann3)

Kommentar

Gereimte deutschsprachige Grabinschriften sind in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts selten. Auch die Angabe des Todesortes ist ungewöhnlich. Schon einleitend im ersten Vers teilt die Inschrift die Todesursache wenigstens indirekt mit, denn Min ros verging heißt, daß von der Tanns Pferd fehltrat. Zusammen mit dem in Prosa vermerkten Unfall auf der Haunebrücke kann das nur bedeuten, daß der Ritter wegen des scheuenden Pferdes in den Fluß fiel und ertrank.4)

Mehrere formale Indizien, nämlich Vierlinienschrift, flachgedecktes g, die Versalien (unziales symmetrisches M und offenes D), die Schildform und die Rüstung bestätigen unmißverständlich die Auflösung der kryptischen Datierung.

Textkritischer Apparat

  1. vdrug Hörle, Schmidt; verdrug = vertrocknet Hörle, May.
  2. hini verrucken Hörle, Schmidt.
  3. vor velti(n) vo(n) manec zueku(min) Hörle, ähnlich May.

Anmerkungen

  1. hun brucken meint die Brücke über die Haune.
  2. marie veruckung bezeichnet Mariä Himmelfahrt.
  3. In Rot ein silberner gekrümmter Fisch (eine Forelle); Helmzier: gekrönter Hut mit 3 Federn, vorgelegt der Fisch des Schildbildes; Siebmacher, Hessen 27 mit Taf. 31.
  4. Der Todesfall eines Knappen in den Wassern der Nahe oder des Glan wurde 1389 auf ein Winterhochwasser zurückgeführt, vgl. DI 34 (Bad Kreuznach) Nr. 72. Sommerhochwasser sind häufiger und typisch für die heißen Monate, vgl. Fuchs, Inschriften als Zeugnisse des kulturellen Gedächtnisses.

Nachweise

  1. Hörle, Lullusgrab 35.
  2. May, Hersfelder Inschriften 30.
  3. „Wolf von der Tann 1485, Hersfeld“, in: Grabdenkmäler <http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/1085> (Stand: 7. 11. 2006, Bearb. Andreas Schmidt, HLGL).

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 82 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0008204.