Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 49 Untergeis (Neuenstein), Evangelische Kirche               E. 14.–A. 15. Jh.(?)

Beschreibung

Glocke, abgenommen, dokumentiert, aber auch zurückgeführt. Sie dient heute auf den Kopf gestellt als Taufbecken und wurde dazu in ein hölzernes Gestell eingebaut.1) Auf der Schulter läuft die Inschrift zwischen Rundstegen um, ein weiterer, eher gratiger Steg am Wolm. Als Trennzeichen dienen zwei Tatzenkreuze. Die Glocke wurde wohl sandgestrahlt und danach mit Goldbronze gestrichen.

Maße: H. 28, Dm. 34, Bu. 3–3,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Rüdiger Fuchs) [1/3]

  1. + HILF GOT + MAKIAa)

Kommentar

Anders als die eher im späten 15. Jahrhundert und danach konzentrierte Formel hilf got maria berot2) liegen die Vergleichsbelege für das vorliegende Gebet und seine Varianten erheblich früher; man vergleiche den Kelch von 1380 in Greifswald (helv got to deme besten Amen)3), die Glocke von Bernshausen von 1399 (hilf got ave maria)4) und den Kelch von Göttingen aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts (hilf got / hilf maria)5). Die Verwendung dieser kurzen Formel, die auch mit anderen Formeln kombiniert wurde, reicht ins 16. Jahrhundert und gilt etwa als Standardformel bei dem Heilbronner Gießer Bernhart Lachaman.6)

Im Falle von Untergeis kommt die gut beurteilbare Schrift zu Hilfe, deren weit entwickelte, leicht schlanke Majuskeln charakteristisch spitz ausgeformte Schwellungen und sogar leicht angespitzte Bögen im Scheitel des unzialen symmetrischen M zeigen. Die spitzen Schwellungen sind wie die Formel ein Phänomen der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die vergleichsweise eklektischen und harten Formen, auch die eher spitz gestalteten auslaufenden Bogenenden und die als Sporen beidseitig an Schäften und Abschlußstrichen nach innen weisenden Dreiecke gehören dabei zu einer jungen Entwicklungsstufe, so daß man die vorliegende Glocke zwischen der Hersfelder Marienglocke von 1371 (Nr. 38) und der Creglinger Maria hilf-Glocke von 14017) ansetzen möchte, die beide jedoch auch Innenschwellungen zeigen. Auf der Karteikarte wurde die Datierung „A. 15. Jh. ?“ zu „E. 14. Jh. ?“ und schließlich zu „um 1400“ verändert. Näher wird man angesichts der Vielfalt der späten Majuskelglocken nicht datieren können; die Übereinstimmungen zur Hersfelder Glocke von 1371 sind in Duktus und ornamentalem Charakter der Buchstaben weitaus geringer als bei rein formalen Kriterien, so daß man sie nicht als verwandt betrachten sollte, zumal die Buchstaben in Hersfeld nur minimal erhöht sind. Gegenüber der Glocke von Mecklar (Nr. 43) sind die spitzen Schwellungen stärker akzentuiert, die Dreiecke an den Sporen dort stärker verschliffen, aber die Schäfte auch mit Nodi und Halbnodi besetzt.

Textkritischer Apparat

  1. Sic, das K, etwas nach rechts kippend, mit R wegen großer Ähnlichkeit bei Majuskeln verwechselt.

Anmerkungen

  1. Dem Vorsitzenden des Kirchengemeinderats, Herrn Heinrich Bettenhausen, ist herzlich für die Öffnung der Kirche und nützliche Hilfestellungen zu danken.
  2. Vgl. eine vorläufige Zusammenstellung der für die Datierung der Erkshausener Glocke hilfreichen Belege bei Nr. 64.
  3. DI 77 (Greifswald) Nr. 61.
  4. DI 66 (Lkr. Göttingen) Nr. 24.
  5. DI 19 (Stadt Göttingen) Nr. 17.
  6. Vgl. DGA Württemberg und Hohenzollern 32 f.
  7. DI 54 (ehem. Lkr. Mergentheim) Nr. 37 u. DGA Württemberg und Hohenzollern, Abb. 439.

Nachweise

  1. Karteikarte im Glockenarchiv des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg (12/21/81C).

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 49 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0004902.