Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 43 Mecklar (Ludwigsau), Evangelische Kirche 4. V. 14. Jh.

Beschreibung

Kryptogramm auf einer Glocke im Glockenturm (12/21/54B). Die Inschrift läuft zwischen doppelten Rundstegen auf der Schulter um; ein Steg am Wolm. Der Anfang der Buchstabenreihe ist nicht gekennzeichnet. Weitere Zierelemente sind nicht vorhanden.

Maße: H. 62, Dm. 70, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Sebastian Scholz) [1/3]

  1. A Na) M C V Tb) H Tb) D R M Ec) R D V Ed)

Kommentar

Die Inschrift zeigt eine flächige gotische Majuskel mit einigen Besonderheiten wie mehrfach Nodi an Schäften und unregelmäßige dreieckige Aufsätze an Balkenenden, waagerechten Abschlußstrichen und an Bögen, die auf Schäfte treffen. Beim pseudounzialen A, bei D, unzialem E und rundem N sind die Schwellungen der Bögen spitz ausgezogen. Beim R trägt zudem die Cauda eine angespitzte Schwellung. Nicht nur C, E und M sind durch Abschlußstriche völlig geschlossen, sondern auch A, N und R sind unten mit einem Abschlußstrich versehen. Die Abschlußstriche sind zumeist in der Stärke von Schäften gebildet. Das Bemühen, möglichst alle Buchstaben völlig abzuschließen, ist bei Glockeninschriften erst ab der Mitte des 14. Jahrhunderts zu beobachten.1) Ebenso sprechen die spitz ausgezogenen Bogenschwellungen und die breiten Abschlußstriche für eine Datierung in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts und darin eher spät. Die Innenschwellung des D kommt in der Bad Hersfelder Pest-Inschrift (Nr. 34) von nach 1356 und bei der kleinen Glocke in Oberhaun (Nr. 44) vor, in spitzer Variante bei der Hersfelder Osterglocke von 1371 (Nr. 38).

Die Inschrift umfaßt 16 Buchstaben, wobei D, E, M, R, T sowie V jeweils wiederholt werden, so daß insgesamt nur 10 Buchstaben des Alphabets vorhanden sind. Der Gießer arbeitete also nicht mit der anerkannten symbolischen Kraft des ganzen Alphabets.2) Der Verzicht auf das vollständige Alphabet sowie die mehrfache Wiederholung einzelner Buchstaben läßt sich auch beim Jenaer Kryptogrammisten feststellen,3) der allerdings auf andere Buchstaben verzichtete und offenbar eine gewisse Zahlensymbolik benutzte.4) Die Verwendung einer Zahlensymbolik läßt sich hier auch aufgrund fehlender Vergleichstücke nicht feststellen, doch dürfte die vorliegende Buchstabenfolge wie beim Jenaer Kryptogrammisten das Ergebnis eines besonderen Umgangs mit der Unheil abwendenden Kraft des Alphabets sein.

Textkritischer Apparat

  1. Rundes N, nicht zu verwechseln mit D, das keinen Abschlußstrich unten benötigt; außerdem sitzt der Scheitel des Bogens beim unzweifelhaften D in der Mitte des Textes niedriger und ist nach innen geschwollen.
  2. Der Buchstabe steht auf dem Kopf.
  3. Verdoppeltes kapitales E, beide eng zusammengerückt und sich berührend.
  4. Der Bogen wird von einem senkrechten Zierstrich und einem Doppelbalken zwischen diesem Strich und dem Abschlußstrich begleitet.

Anmerkungen

  1. Vgl. die Beispiele in DGA Bayerisch-Schwaben 10; DGA Mittelfranken 13 und 16.
  2. Vgl. dazu Köster, Alphabet-Inschriften auf Glocken 373–377; zu Alphabetglocken vgl. auch Poettgen, Sinnlose Glockeninschriften passim.
  3. Vgl. zu ihm DI 39 (Lkr. Jena) XL f. und Nrr. 11, 12, 13, 14 u. 15, wo die Glocken aus paläographischen Gründen in die 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts eingeordnet werden; dagegen sieht Poettgen, Kryptogramme 85–87 und 93 mit guten Argumenten den in Jena zwischen 1430 und 1446 belegten Meister Herman Herlin als Gießer der fraglichen Kryptogrammglocken an.
  4. Zur Zahlensymbolik vgl. Poettgen, Kryptogramme 96 f. Die mehr oder weniger willkürliche Auflösung der Kryptogramme, wie etwa bei Schlippe, Kryptogramme auf Glocken, wird mittlerweile nicht mehr unternommen.

Nachweise

  1. Karteikarte im Glockenarchiv des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg (12/21/54B).
  2. Willershausen, Historische Kirchenglocken I 73 (tw.).

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 43 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0004301.