Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 41 Bad Hersfeld, Evangelische Stadtkirche 1380

Beschreibung

Herstellungsinschrift auf der sogenannten Lambertusglocke. Die Inschrift läuft zwischen Doppelstegen auf der Schulter um. Die Buchstaben sind zum Teil stark korrodiert und dadurch oft schlecht lesbar. Als Worttrenner dienen Glocken, als Verstrenner Kreuze.

Maße: H. 71, Dm. 96, Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Brunhild Escherich) [1/11]

  1. + ANNO ∙ MILLENO ∙ TRIA ∙ C ∙ DOa) ∙ OCTVAGENO+ LAMPERTI ∙ FIT ∙ VAS ∙ QVOD ∙ HERSFELD ∙ NVNCIAT ∙ HORASb)

Übersetzung:

Dem Jahr 1080 gebe ich dreimal 100 dazu (1380). Es entsteht die Glocke des Lambertus, die Hersfeld die Stunden verkündet.

Versmaß: Zwei Hexameter, leoninisch zweisilbig und einsilbig rein gereimt.

Kommentar

Die Buchstaben der gotischen Majuskel zeigen die zeittypische Tendenz zur völligen Abschließung, also auch bei A, F, M und V; L und S werden geradezu eingerahmt. Die Abschlußstriche von C und E sind annähernd in der Stärke von Schäften ausgeführt. Die Bogenschwellungen von M und O sind spitz ausgezogen, die Sporen am Balken des T tief heruntergezogen. Die Glocke bietet also ein getreues Abbild der späten gegossenen Majuskel. Einige Buchstaben, darunter D (QVOD) und unziales E (HERSFELD), sind retrograd geschrieben.

Die Glocke war dem heiligen Lambertus geweiht, der als Patron der Lahmen und Augenleidenden angerufen wurde. Zudem war er Zunftpatron der Holzschnitzer in Antwerpen, der Leinenweber in Wachtendonk (Kreis Kleve) und der Maurer in Maastricht.1) Hörle sieht in ihm irrtümlich den Patron der Tuchmacher und geht deshalb davon aus, daß die Glocke von diesen gestiftet wurde.2) Nach jüngeren Nachrichten mahnte die Lambertus-Glocke den Zapfenstreich an.3)

Textkritischer Apparat

  1. DVO Hörle, Kempe; daher wurde die Glocke fast immer zu 1382 datiert.
  2. Die fehlerhafte Lesung von Demme, Anno milleno tria a Do. octageno Lamperti fit ras quod herena (aerena) la (lingua) nunciat hora – ihr folgte Schoof in großen Teilen – wurde bereits von Hörle korrigiert.

Anmerkungen

  1. G. Kiesel, Lambert, in: LCI 7 (1974), Sp. 363 f.
  2. Hörle Hersfelder Stiftskirche 36.
  3. So Kempe, Glocken 18.

Nachweise

  1. Demme, Nachrichten I 31, Anm. 1.
  2. Schoof, Hess. Glockenstudien I 311.
  3. Hörle, Hersfelder Inschriften (vor 1513) 125.
  4. Kempe, Geläut 14.

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 41 (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0004103.