Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 28† Bad Hersfeld, Stiftskirche/Stiftsruine 1278?

Beschreibung

Grabplatte für Abt Heinrich III. von Boineburg. Die Platte deckte um 1888 noch das darunter befindliche Grab in der Mitte des Hauptschiffs der Hersfelder Kirche. „Das sorgfältig konturierte Bildniß des Abtes, welches denselben in vollem Ornate darstellt, den schweren Hirtenstab in der Rechten, ein kleines Wappenschild in der Linken, ist wohl erhalten, die Inschrift aber zum größten Teil verletzt.“1) Die Platte zeigte demnach eine Ritzzeichnung des Abtes.

Nach Wendelstädt.

  1. [– – –]abbas sublatus cub[– – –] Heinric(us) Kunrat Boyneborg nat(us)Deus er[– – –]

Versmaß: Mindestens ein Hexameter, leoninisch zweisilbig gereimt oder andere Reimform wie unisoni oder gar cruciferi.

Kommentar

Heinrich war von 1260 oder 1261 bis 1278 Abt von Hersfeld. Seine Eltern sind innerhalb der Boineburger Genealogie nicht geklärt.2) Die Grabinschrift war vermutlich in zeitgemäßen leoninischen Hexametern abgefaßt, worauf die gut ins Metrum passende Wendung abbas sublatus hindeutet, die mit dem folgenden natus zweisilbige Reime an Zäsur und Endsilbe bilden würde. Problematisch ist allerdings die Formulierung Heinric(us) Kunrat Boyneborg nat(us). Sie ließe sich zwar auch noch in einem Hexameter unterbringen, wäre dann aber für diesen Vers zu lang und ergäbe keinen zweisilbigen Reim, sondern einen längeren Text mit möglicherweise komplizierteren Reimformen. Da Heinrich nirgends sonst mit dem Beinamen Konrad erscheint, könnte man den Text so verstehen, daß Heinrich als Sohn des Konrad von Boineburg geboren wurde. Die Flexion von Kunrat und Boyneborg könnte aufgrund metrischer Probleme unterlassen worden sein. Gegebenenfalls handelt es sich aber nur um einen verderbt überkommenen Text, denn die vorgelegte Buchstabenfolge läßt sich so nicht mit einem zweisilbigen Leoniner vereinbaren, in dem die Zäsur nach sublatus stünde und danach nicht mehr so viel Text folgen dürfte. Unter der Annahme einiger Lizenzen bei Namen ergäbe abbas sublatus cubat Heinrich Boyneborg natus einen akzeptablen Vers.

Heinrich wurde 1271 in eine Auseinandersetzung mit der Abtei Fulda verwickelt, in deren Verlauf Hersfeld vier Tage lang belagert wurde. Sein gleichnamiger Vorgänger, Abt Heinrich von Fulda, sollte Hersfeld aus der Krise des Interregnum führen, beide konnten Hersfeld aber nicht konsolidieren.3) Zudem kam es 1273 zu einer Hungersnot und einer Seuche.4)

Anmerkungen

  1. Wendelstädt.
  2. Buttlar-Elberberg, Stammbuch, Boineburg Taf. VI; Unger, Hersfeld 609.
  3. Vgl. Ziegler, Mitra und Krummstab 15 f.
  4. Demme, Nachrichten I 14.

Nachweise

  1. Wendelstädt, Bemerkenswerthe Grabsteine 359.
  2. Hörle, Lullusgrab 36.
  3. „Abt Heinrich III. von Boyneburg nach 1278, Hersfeld“, in: Grabdenkmäler <http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/1113> (Stand: 20. 11. 2006, Bearb. Andreas Schmidt, HLGL).

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 28† (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0002800.