Inschriftenkatalog: Landkreis Bergstraße
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 38: Bergstraße (1994)
Nr. 160 Neckarsteinach, Evangelische Kirche 1572
Beschreibung
Epitaph für Hans III. Landschad und seine zweite Gemahlin Margaretha von Fleckenstein. Die große, dreispaltige Tafel aus Sandstein befindet sich heute an der Nordwand des Langhauses. Sie ist von einem Architekturrahmen eingefaßt und trägt einen von zwei Fischen flankierten Giebelaufsatz, in dem zwei Vollwappen angebracht sind. Die Marmorierung ist aufgemalt. Darunter befindet sich die Überschrift (A) des Gedichts (B), das auf drei Spalten verteilt ist, von denen die ersten bei-den je 36 und die letzte 38 Zeilen umfassen. Die Zeilen sind vorliniert. Auf den rahmenden Pilastern sind je acht bemalte Ahnenwappen aus Holz befestigt. Ihre farbige Fassung ist ebenso wie die des Ornaments renoviert worden.1) Die Konsole bildet eine von Putten gehaltene Maske.
Maße: H. 300, B. 238, Bu. 2-2,5; Versalien bis 4 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Frakturelementen. Kapitalis.
- A
Epitaphium Herr Hansen Landschaden Von SteinnachS RitterS Vnd Seiner / leczten hausfrauwen Margreta landschedin Geborn Von Fleckensteÿn · 1 · 5 · 72 ·
- B
Rhümlich Christlich Auch Trostlich istDas man Zu Keiner Zeit VergistDer alten lieben VorfahrnDie Vor Vns Zu Dem leben WahrnDern Werck Vnd thaten Zeügen SeinEins Rechten Christens Glaubens feinDie auch im heren hie ZeitlichEntschlaffen Seÿen SeligklichNimer Wirdt Ir Vergessen NichtWie GotteS Wort VnS DeS berichtAlso Wird Hie Löblich GedachtDeS Edlen RitterS hochgeachtHanS Landschaden Von Steinach gutDer Mit Christlichem Dapffern mutSein RiterSchafft bewiSen hatWie NachuolgenD Geschriben StatSo Wol Wider DeS teiffelS ReichIn GlaubenS Sachen alS Zu gleichin Weltlicher Gefahr VnD NotZu Allen Dem sigt er Durch GottIm Heiligen Stand Christlicher EheDarin sich FinDt Vil ach VnD WeheGieng im Zu hand nit weniger auchManch Raucher luft Vnd Dempfich rauchIm Jar thauSendt fünfhundert DreÿStarb im sein Erst gemahl luceÿVon Nippenburg Geboren werDDie Wird Christlich bestatet Zur ErDZu Ires hern hauSwürtS grab alhierWartend Im frid Der Vrstend schierZwen Söne Hansen Vnd bernharDVerlieS sie im nach Ir hinfartIm Sechsten Iar Der Ringern Zala)begab Er sich Zum Andern malIn Ehlich lieb Pflicht VnD VereinMit Margrethen Von Fleckenstein //Dieselb Im Auch Zwen Söhn GebarChristoffeln2) VnD hanSen bleickar3)Die ist hie Vor Der kirch bestattIm ölberg bei bleickar LandschaDWaS Dan fernerS Anlangen thutManch lobwirdige thugent Gutmit welchen DiSer Ritter wertVon Gott Vor Andern hoch VerehrtWard an Im Globt InsonderheitWeisheit VerstanD WolredenheitZu Sampt Manlicher tapferkeitZu schimpf Vnd Ernst alZeit bereitDie Zeit SeinS lebens braucht er sichIn kriegSleiffen Ser RitterlichKönig MATHIASN Zu Hungernleÿst er Sein Denste wilig GernWider Den türcken Etlich IahrNicht mit Geringer leibS gefahrDem Keiser MAXIMILIANHat er Drei Schlachten helffen thunZu baÿrischer KriegS VheD war erChurfürstlicher PfalZ ObristerVber Den ganZen Hauffen GroSbeideS Zu FueS VnD auch Zu RoSSein Ritterschafft holt Vber MeerZum heilgen LanD Vnd grab mit ehr4)Aber Der Liebe Gott legt InIn Seinem besten alter hinZu beth am Podagra ZwenZig Iaran HenD VnD Füssn erlahmet gahrDrumb Must er sich FürbaS entschlahnDer Weltlich Sachen Müssig GahnNoch hat er in Seim Grösten schmerZEr erSt beweist Sein Manlich herZMit Ritterlicher Dapffer keytDem Teüffel Vnd Der Welt Zu LeÿDt //AlS Nemblich im achZehenden iarDeS LutherS Lehr ward OffenbarHat Er in ANNO Zwentzig ZweÿWider Der Welt Vnd BapstS GeschreÿDer Erst in Diser LandSart GleichDurch GotteS Geist Vnd Eifer ReichSambt Seiner Gmahlin von FleckensteinSolch Lehr Vor Christlich Vnd Vor ReinErkant Vnd also Bald Mitt Crafftallhie DaS bapstumb AbgeSchafftJacob ottern Ein Glerter ManZum prediger Genomen AnOhn Allen Scheuh und offentlichDie lehr Bekant BestendigklichgantZ Vngeacht Den WiderstanDSo CAROLUS VnD FERDINANDRhömischer Keiser Vnd Königauch der Churfurst pfaltzgraf ludwigDurch schickung Schreiben vnd mandatbeÿ schwerer straf VnD VngenadErnstlich an Ihn Gewendet hanDer lehr GentZlich Abe ZustanDoch wider all solch troend wordtauch Hellischen gewalt vnD pforDthat diser theüer Ritter Guetwenig Geacht Leib ehr VnD GuetSonder Durch GotteS hilf Vnd Crafftbis In sein End Verhart standhafftDo er nun mercket seinS LebenS endbfahl Er sein Geist In GotteS hendEntschlieff Im Herren Seligklichalhie im Fordern SchloS sag ichSeinS AlterS SechS und SechtZig iarAVFN SIBENDEN NOVEMBER ZwaralS Man im Iar schrib ain und DreissigWie ES Ist auf Gemercket vleissigGott Geb VnS allen auch Zu GleichEin Selig Nachfarth in sein Reich · Ame(n)
Versmaß: Deutsche Reime.
Landschaden von Steinach, Fleckenstein; Landschaden von Steinach, Sachsenheim, Rosenberg, Speth von Zwiefalten, Helmstatt, Weingarten, Zeiskam, Leonrod; Fleckenstein, Ratsamhausen, Müllenheim, Ochsenstein, Andlau, Ramstein, vom Haus, Efringen.5) |
Textkritischer Apparat
- Ringere Zal bezeichnet bei weggelassenen Jahrhunderten die Zahl unter Hundert, vgl. H. Grotefend, Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit I, Hannover 1891, ND Aalen 1970, 123 (Mindere Zahl).
Anmerkungen
- Vgl. Möller/Krauß 98, Anm.
- Zu diesem vgl. Nr. 147.
- Zu diesem vgl. Nr. 172.
- Vgl. Hans Ulrich Landschad, Aufzeichnungen (Irschlinger 245 mit Anm. 4).
- Vgl. Möller/Krauß 98.
- Vgl. Nr. 159.
- Irschlinger, Landschaden Taf. 2.
- Hans Ulrich Landschad, Aufzeichnungen (Irschlinger 246).
- Hans Ulrich Landschad, Aufzeichnungen (Irschlinger 245).
- Langendörfer, Landschaden 44-46. Zum Verlauf des Krieges vgl. Schaab, Kurpfalz I 214-216. Zu den Einsätzen Hans‘ III. im Landshuter Erbfolgekrieg s. auch Trithemius, Hist. Belli Bavarici 120 u. 129.
- Langendörfer, Landschaden 46f.
- Langendörfer, Landschaden 11.
- Vgl. dazu D. Blüm, Erzherzog Ferdinand und der lutherische Prediger Otter (Neckarsteinach 1526), in: Geschbll. Kreis Bergstraße 18 (1985) 53-56 mit einem Abdruck des Schreibens Ferdinands an Hans III.; Langendörfer, Landschaden 12.
- Zu ihr vgl. Nr. 118.
- Möller/Krauß 98; Hans Ulrich Landschad, Aufzeichnungen (Irschlinger 251, Anm. 5); Einsingbach, Kdm. 394; Seeliger-Zeiss, Neckarsteinach 17.
- Vgl. dazu Nr. 159 und Nr. 192.
- Hans Ulrich Landschad, Aufzeichnungen (Irschlinger 209).
Nachweise
- Wickenburg II 259-262.
- Möller/Krauß, Neckarsteinach 98f.
Zitierhinweis:
DI 38, Bergstraße, Nr. 160 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di038mz04k0016009.
Kommentar
Wie bei der Inschrift für Hans IV. (†1571) ist hier eine Minuskel mit Merkmalen der Fraktur und mit Frakturversalien verbunden worden. Dabei ist die Versalienform des D auch am Ende der Worte und in der Verbindung Dt als vorletzter Buchstabe verwendet worden. Ebenso finden sich S und Z am Wortschluß und innerhalb der Worte als Versalien. Die Form des S ist dem eines griechischen σ ähnlich. Die Buchstaben c, g, v und w sind mit Hastenbeugung und die Bögen von b und h mit Schwellzügen gebildet. Im übrigen bleiben aber die Merkmale der gotischen Minuskel erhalten. Das a ist immer zweistöckig, und langes s und f haben keine Unterlängen. Ihre Hasten brechen unten nach rechts. Damit stimmt die Schrift weitgehend mit der des Epitaphs für Hans IV. überein.6)
Hans III. Landschad war ein Sohn Blickers XIV. (†1499?) und Mias von Helmstatt (†1496).7) Nach den Angaben der Inschrift muß er im Jahr 1465 geboren worden sein. In den „Aufzeichnungen“ nennt Hans Ulrich Landschad abweichend vom Inschriftentext den 30. Nov. 1531 als Todesdatum.8)
Seine ersten Kriegserfahrungen scheint Hans III. unter König Matthias Corvinus von Ungarn (†1490) in Kämpfen gegen die Türken gemacht zu haben. In den „Aufzeichnungen“ Hans Ulrich Landschads heißt es, Hans habe in seiner Jugend in drei Schlachten für Matthias Corvinus gekämpft. Die in der Inschrift genannten drei Schlachten unter Kaiser Maximilian fehlen dagegen in den „Aufzeichnungen“.9)
Im Jahr 1498 ist Hans III. in den Diensten des Herzogs von Württemberg nachweisbar. Im darauffolgenden Jahr diente er allerdings bereits als Burgraf von Alzey Kurfürst Philipp von der Pfalz. Dieses Amt übte er bis 1507 aus. In diese Zeit fällt auch die in der Inschrift erwähnte Tätigkeit im bayerisch-pfälzischen Erbfolgekrieg (1504). In diesem Jahr wurde Hans zum pfälzischen Hauptmann ernannt und leitete mehrere wichtige militärische Aktionen. Nach dem Waffenstillstand Ende 1504 wurden ihm die Verhandlungen mit König Maximilian übertragen, die sich bis 1507 hinzogen, aber ohne greifbaren Erfolg blieben.10) Auch bei dem Nachfolger Kurfürst Philipps, Ludwig V. von der Pfalz, stand Hans als Rat in Diensten. Seine Tätigkeiten für diesen erstreckten sich bis in das Jahr 1526.11) Insofern ist die Angabe der Inschrift zu korrigieren, daß er sich nach der Erkrankung an der Podagra zwanzig Jahre lang der öffentlichen Tätigkeit enthalten habe.
Ein großer Teil des Epitaphs ist dem Einsatz Hans‘ III. für die Reformation gewidmet. Er wurde gleich zu Anfang der Reformation ein Anhänger Luthers, den er vermutlich 1518 in Heidelberg erlebt hat. Bereits im Oktober 1520 setzte er sich in einem Brief an Kurfürst Friedrich von Sachsen für die Ideen Luthers ein. Im Jahr 1522 schickte Hans an Kurfürst Ludwig V. jenes Schreiben, auf das in der Inschrift angespielt wird. Er kritisierte darin das Abrücken des Kurfürsten von Luther und forderte ihn auf, Luthers Thesen weiter zu unterstützen.12) Mit der ebenfalls in der Inschrift genannten Aufnahme des Predigers Jakob Otter in Neckarsteinach 1526 brachte sich Hans III. in Gegensatz zu den katholischen Kräften. Otter war von Erzherzog Ferdinand von Österreich aus Kenzingen vertrieben worden, und der Erzherzog forderte nun von Hans die Entlassung Otters. Andernfalls drohte er ihm mit der Ungnade des Kaisers. Hans blieb zunächst standhaft, aber als sich auch Kurfürst Ludwig V. unter kaiserlichem Druck gegen Otter stellte, mußte dieser Neckarsteinach verlassen.13)
Wann Hans seine erste Frau Lucia von Nippenburg heiratete, ist unbekannt. Seine zweite Frau Margarete heiratete Hans 1506. Sie starb am 22. September 1530.14)
Hans Ulrich Landschad, der Verfasser der „Aufzeichnungen“, wird allgemein auch als Verfasser des Epitaphs für seinen Großvater Hans III. angesehen.15) Ein Vergleich mit den Inschriften seines eigenen Epitaphs, das er sich zu Lebzeiten selbst gesetzt hat, und des Epitaphs für seinen Vater Hans IV. macht dies wahrscheinlich.16) Auffällig sind allerdings die oben erwähnten abweichenden Angaben in der Inschrift und in den „Aufzeichnungen“ des Hans Ulrich. Während das Epitaph 1572 entstand, wurden die „Aufzeichnungen“ erst um 1604/06 verfaßt.17) Die Abweichungen könnten sich aus dem zeitlichen Abstand erklären.