Inschriftenkatalog: Landkreis Bergstraße

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 38: Bergstraße (1994)

Nr. 107 Hess. Landesmuseum Darmstadt aus Ersheimer Kapelle um 1517

Beschreibung

Zwei inschriftliche Fürbitten und eine Stifterinschrift auf drei Scheibenfragmenten. Die Scheiben gelangten möglicherweise um 1816 aus Ersheim in das Museum.1) Auf dem ersten Fragment kniet der Stifter im Dreiviertelprofil nach rechts gewandt mit gefalteten Händen vor blauem Damasthintergrund. Er trägt eine Goldkette und eine golddurchwirkte Haube. Sein Oberkörper wird von einem Schriftband mit der Inschrift (A) umrahmt (Inv. Kg 54:152). Die von einer Putte bekrönte Umrahmung wird von dünnen weißen Balken gebildet. Über der Figur befindet sich ein Fruchtgehänge. Auf dem zweiten Fragment kniet die Stifterin mit gefalteten Händen ebenfalls vor blauem Damasthintergrund. Sie ist in ein blauviolettes Brokatgewand gekleidet und trägt auf dem Kopf eine goldbestickte Haube und um den Hals eine Goldkette. Ihr Oberkörper wird von einem Schriftband mit der Inschrift (B) eingerahmt. Die Bildeinrahmung ist wie bei Fragment Nr. 1 gestaltet (Inv. Kg 54:155). Das dritte Fragment besteht aus der Inschrift (C) (Inv. Kg 54:156). Bei den Inschriften (A) und (B) sind die Buchstaben schwarz auf gelbem Grund und bei (C) schwarz auf weißem Grund. Alle Scheiben sind später an verschiedenen Stellen ergänzt worden, doch ist der Inschriftentext davon nur bei (B) betroffen.

Maße: H. 50, B. 44, Bu. 2 (A, B); H. 8, B. 42, Bu. 2,3 cm (C).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A, B); Kapitalis (C).

  1. A

    Sant · Cristoffel · ich · dich bitt:In · noete(n)a) · verlosz · mich · nitt ·

  2. B

    Helge Iu(n)ckfrou v(n)d mein patron · Mit virbit woel[..]chb) mei(n) hofnu(n)g zu

  3. C

    · VND · AMOLIA · GEBOR(NE) · FVCHSIN ·

Versmaß: Deutscher Reim (A).

Kommentar

Die Zusammengehörigkeit der Scheiben (A) und (B) ergibt sich sowohl aus der Gleichartigkeit der Rahmung, der Goldketten und des Hintergrundes als auch aus der Übereinstimmung der Buchstabenformen. Die Minuskel fällt durch die ausschließliche Verwendung des Bogen-r und durch die runden Linksbögen bei den Hasten von v und w auf. Die Hastenspitzen von b und l laufen in einem nach rechts gezogenen Zierstrich aus. Allerdings kommen in (B) auch l und h mit Schaftspaltung vor. Das H in Helge entstammt der frühhumanistischen Kapitalis, die übrigen Versalien sind an den Formen der gotischen Majuskel orientiert.

Im Jahr 1517 wurde der Chorneubau der Ersheimer Kapelle durch die drei Brüder Engelhard, Georg und Philipp von Hirschhorn vollendet.2) Zu diesem Anlaß dürften auch die Scheiben für die fünf dreibahnigen Fenster des Chors gemacht worden sein. Die Übergabe von Scheiben aus Ersheim an das Landesmuseum Darmstadt ist durch das Inventar gesichert. Die Zuweisung der hier behandelten Scheiben nach Ersheim ergibt sich aus dem Zusammenhang mit weiteren Scheiben und wird durch die Nennung der Frau Georgs von Hirschhorn, Amalia Fuchs von Bimbach, gestützt.3) Fraglich ist allerdings, ob sich Inschrift (C) auf Fragment (B) beziehen läßt oder ob die dargestellte Stifterin nicht auch die Frau eines der beiden anderen Hirschhorner Brüder sein kann. Auch für die Identifizierung des Stifters gibt es keinen sicheren Anhaltspunkt.4)

Rüdiger Becksmann hat auf die große Ähnlichkeit der Ersheimer Scheiben mit den Scheiben aus der Evangelischen Kirche Neckarsteinach hingewiesen und nimmt für beide Scheibengruppen eine Fertigung in der Werkstatt von Jakob und Hans Konberger genannt Glaser in Heidelberg an.5)

Textkritischer Apparat

  1. e klein über das o gesetzt.
  2. e klein über das o gesetzt. Die Stelle vor dem ch ist ergänzt, wodurch die Lesung unsicher ist, vgl. Beeh-Lustenberger Nr. 275, 215.

Anmerkungen

  1. Beeh-Lustenberger 218.
  2. Vgl. dazu die Nrr. 105 u. 106.
  3. Einsingbach, Kdm. 242; Beeh-Lustenberger 217f. mit Anm. 7.
  4. Vgl. dazu Beeh-Lustenberger 219.
  5. Becksmann, CVMA Deutschland II,1 LIXf. u. Becksmann, CVMA Deutschland I,2 LVIIf. Zu Neckarsteinach vgl. Nr. 70.

Nachweise

  1. Einsingbach, Kdm. 246.
  2. Beeh-Lustenberger, Glasmalerei Nr. 274f. mit Abb. 182-183 u. Nr. 279 mit Taf. 18.

Zitierhinweis:
DI 38, Bergstraße, Nr. 107 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di038mz04k0010703.