Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 20: Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe (1980)

Nr. 74 Oberöwisheim (Stadt Kraichtal), ev. Pfarrkirche St. Mauritius 1477

Beschreibung

Stifter-Inschriften des Andreas Kocz an der monumentalen Ölberg-Anlage mit Außenkanzel, an der Südseite des Langhauses, außen1. Material: gelber Sandstein.

I. Dreizeilige Inschrift über der rundbogigen Pforte, die als Zugang zu der Außentreppe der Kanzel dient.

Maße: H. (Werkstück) 65, B. 90, Bu. 6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. anno · d(omi)ni · 1477a) / andreas koczb) pl(e)b(a)n(us) / ecc(lesi)e et fundator operi(s) /

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1477 Andreas Kocz, Pfarrer dieser Kirche und Stifter dieses Werkes.

II. Vierzeilige Inschrift (die letzte Zeile eingerückt) an der der Kanzel zugewandten Westseite des Ölberggehäuses, auf drei Quader verteilt. Verwitterungsschäden an Zeile 3 und 4.

Maße: H. 63, B. 77, Bu. 6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. Pie Euwangelisatorc) / incitad) popul(u)m orare / pro fundatoree) haru(m) / f[ig]urarum /

Übersetzung:

Frommer Prediger des Evangeliums, rege die Gemeinde an, für den Stifter dieser Figuren zu beten!

Kommentar
Der in der Formulierung ungewöhnliche Spruch, gerichtet an den jeweiligen Prediger auf der Außenkanzel, hat verschiedene Lesarten erhalten, die aber mit dem Buchstabenbestand z. T. unvereinbar sind. Rott (KdmBaden IX 2, 278) liest: . .invita popul(u)m orare pro s̄ aiarum haru(m) s(a)nct(u)m Mauriciu(m); Stocker: . .canta popule orare prob. salute harum . . animarum.
Die Schrift ist eine hervorragend gestaltete, sehr eng geführte Minuskel mit mehreren Ligaturen, was die Lesung erschwert.
Der Stifter stammte nach Aussage seines ehemals ebenfalls vorhandenen Grabsteins2 aus Heidelsheim.

Textkritischer Apparat

  1. Stocker, Schematismus 48: Jahresahl „1411“; Feigenbutz 191: „1422“. – 4 und 7 in gestürzter Form ausgeführt.
  2. Stocker, Schematismus 48: „korz“; Feigenbutz 191: „katz“; Mone 153: „Kusz“.
  3. Sic!
  4. Am linken Rand ist eine Haste (i) erkennbar, das danach zu erwartende n hat die Erscheinungsform eines re (ligiert), darauf folgt cita. Sinngemäß scheint die Lesung incita am ehesten vertretbar. Die Unklarheit nach dem ersten Buchstaben geht wohl auf einen Steinmetzfehler oder eine spätere Umarbeitung zurück.
  5. Am Original: profundatore.

Anmerkungen

  1. Zur älteren Baugeschichte vgl. KdmBaden IX 2, 275; H. E. Walter, 235ff. – Beim Neubau des Langhauses 1972 wurde die alte Langhauswand mit Kanzel und Ölberganlage in loco erhalten.
  2. Vgl. nr. 75.

Nachweise

  1. KmdBaden IX 2, 278 u. Abb. 117.
  2. Mone, in: BadArchiv II 153.
  3. Stocker, Schematismus 48.
  4. Feigenbutz, Kraichgau 191.
  5. RDK I (1937) 1299 (Außenkanzel).
  6. D. Munk, Die Ölbergs-Darstellung in der Monumentalplastik Süddeutschlands. Erlangen 1968 (Diss. phil. Tübingen 1967) Kat. nr. 273.
  7. H. E. Walter, in: 1200 Jahre Oberöwisheim. Ludwigsburg 1973, 235f. mit Abb. bei S. 201, 235.

Zitierhinweis:
DI 20, Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe, Nr. 74 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di020h007k0007403.