Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 20: Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe (1980)

Nr. 56 Obergrombach (Stadt Bruchsal), Burgkapelle St. Martin 1459–1467

Beschreibung

Wandgemäldezyklus, gestiftet durch Bischof Johannes II. Nix von Hoheneck gen. Enzberg. Erhalten sind die Malereien an der Nord- und Südwand der spätgotischen Saalkirche1; an der Ostwand wurden sie durch die baulichen Veränderungen um 1846 (Abbruch des Chores und neue Aufmauerung der Ostwand) fast ganz zerstört. Die Freilegung erfolgte um 1890 mit geringfügigen Ergänzungen. – Einigen Darstellungen sind Spruchbänder und Beischriften – Schrift schwarz auf weißem Grund – beigegeben.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

Maße: Bu. ca. 6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

I. Nordwand. Die gesamte Wandfläche zwischen dem 4. und 2. Fenster von Ost ist mit einer Darstellung des Weltgerichts bedeckt; durch Einbruch des Fensters über der Eingangstür ist die zentrale Figur des Weltenrichters zerstört. Die Darstellung folgt der im Spätmittelalter üblichen Form mit Anordnung der Erlösten auf der linken und der Verdammten auf der rechten Seite2. Über den Erlösten schwebt ein Engel mit einem Spruchband, das Inschriftreste enthält:

  1. [kum]e(n)t [her i]r doden [kument fur ge]richta) /

Über den Verdammten fliegt ein Engel mit Posaune und nicht mehr lesbarem Spruchband; Zitat nach Troescher:

  1. [woluff ir doden kument fur gerijt /]

Rechts unten ist der Höllenrachen gemalt, davor eine Säule, an die sich ein Teufel klammert; oben um die Säule ist ein Schrifband gewunden, dessen Text nicht mehr zu entziffern ist:

  1. [. . . morder . . . ir gebent fewernb) /]

Kommentar
Der Inhalt der Spruchbänder wandelt den in Matth. 25, 34 u. 41 überlieferten und in den Weltgerichtsdarstellungen meist den Engeln in den Mund gelegten Text ab.

II. Nordwand, über dem 2. Fenster von Ost: Darstellung eines Wappens, von Engeln gehalten:

 
Wappen:
Bistum Speyer.

III. Nordwand, Fensterleibung des 2. Fensters von Ost, im Sturz: Evangelistensymbol des hl. Lukas mit Spruchband:

  1. [. . . lu]ca[s] /

Ferner die Muttergottes im Strahlenkranz, darunter die Heimsuchung.

IV. Nordwand. Die verbleibende Wandfläche ist mit Darstellungen von Heiligen, angeordnet in drei Streifen übereinander, bedeckt. Erkennbar sind der hl. Georg, darunter Laurentiusmarter und die hl. Maria Magdalena, von Engeln emporgetragen; unten lehrhafte Szene eines Jünglings zwischen Engel und Teufel.

V. Südwand. In regelloser Anordnung Szenen der Heilsgeschichte und der Heiligenlegende von verschiedener Größe, ohne Beischriften oder Spruchbänder; in den Fensterleibungen im Sturz Evangelistensymbol, seitlich Standfiguren von Heiligen, paarweise übereinander stehend. Erkennbar in der Leibung des 1. Fensters von Ost, Westseite: der Apostel Andreas mit seinem Attribut und ein heiliger Bischof mit Stab und Buch; Beischriften über den Figuren:

  1. S / andere / es / S er/[h]art /

VI. Südwand, zwischen den beiden östlichen Fenstern: oben Kreuztragung, darunter Sebastiansmarter und ungedeutete Szene.

VII. Südwand, über dem 2. Fenster von Ost Darstellung eines großen Wappenschildes mit Helmzier als Gegenstück zu II, ebenfalls von zwei Engeln gehalten:

 
Wappen:
Nix von Hoheneck gen. Enzberg.

VIII. Südwand, in der Leibung des 2. Fensters von Ost, im Sturz Evangelistensymbol des hl. Markus, an der Westseite erkennbar die Figur eines Papstes mit Stab und Buch; Beischriften:

  1. . . . . marcus / Sanctus [gregori]us /

IX. Südwand, zwischen den beiden westlichen Fenstern: zwei Szenen aus der Geschichte Johannis d. Täufers, oben die Enthauptung, unten das Gastmahl bei Herodes.

Kommentar
Einen zuverlässigen Anhaltspunkt für die Datierung des stilistisch einheitlichen Gemäldezyklus gibt das Wappen an der Südwand (VII). Es ist auf Bischof Johannes II. Nix von Hoheneck zu Enzberg (1459–1464) zu beziehen. Er entstammte dem in Remchingen (Enzkreis) begüterten Geschlecht der Nix von Hoheneck3 und machte als Geistlicher eine glänzende Karriere, die allerdings im Gefolge der Schlacht bei Seckenheim 1462 ein jähes Ende fand4; er zog sich auf die Burg zu Obergrombach, 1467 nach Pforzheim zurück, wo er noch im gleichen Jahr verstarb5. Das Todesjahr ergibt einen zuverlässigen terminus ante für die Entstehung der Wandgemälde. Der seinem Umfang nach bedeutendste Wandmalereizyklus im Bearbeitungsgebiet ist auch hinsichtlich seiner malerischen Qualität und seiner ikonographischen Besonderheiten bemerkenswert. Der fragmentarische Erhaltungszustand der Inschriften läßt keine Aussagen über den Charakter der Schrift zu. Inhaltlich gehen nur die Inschriften der Weltgerichtsdarstellung über den Charakter rein beschreibender Beischriften hinaus. Ein Vergleichsbeispiel bietet die Ausmalung der Simultankirche zu Oberndorf (Donnersbergkreis), datiert 1474, deren Weltgerichtsbild inhaltlich ähnliche – allerdings in lateinischer Sprache abgefaßte – Texte enthält6. Auch die 1488/91 entstandene Darstellung des Themas im Breisacher Münster von Martin Schongauer hat lateinisch abgefaßte Beischriften, die mit dem Evangelientext eng übereinstimmen7.

Textkritischer Apparat

  1. Ergänzt nach Lübke („tzu gericht“) und Troescher.
  2. Erloschen; überliefert bei Troescher.

Anmerkungen

  1. Zur Baugeschichte vgl. KdmBaden IX, 2, 268. – Einfache flachgedeckte Saalkirche, ursprünglich mit halbkreisförmigem Chor.
  2. Ausführliche Beschreibung bei Rott 16ff. – Zur Ikonographie vgl. Kirschbaum IV 513ff.
  3. Stammburg: Hoheneck b. Dillweißenstein (Stadt Pforzheim); vgl. Alberti II 555; R. v. Gemmingen fol. 551.
  4. Vgl. dazu zuletzt DI. XVI (Mannheim, Sinsheim) nr. 55 (mit ausführlichen Literaturangaben). – Johannes war 1441 Domherr zu Speyer, später ebenso zu Worms und Mainz, wo er die Ämter des Dompropstes bzw. Domdechanten innehatte; 1449–59 war er Pfarr-Rektor zu Ottersweier (Kr. Rastatt); 1459 wurde er zum Bischof von Speyer erwählt; vgl. Busch-Glasschröder 547; Remling II 110ff.; K. Reinfried, in: FDA 15 (1882) 72.
  5. Zu seinem Grab in der Pforzheimer Franziskanerkirche vgl. KdmBaden IX 6, 221. Eine auf Johannes bezügliche Inschrift ehemals auch im Speyerer Domkreuzgang in Verbindung mit den Ahnenwappen Nix von Hoheneck, Frauenberg, Enzberg, Ramung; vgl. Busch-Glasschröder 548; R. v. Gemmingen fol. 551.
  6. Dort ebenfalls Engel mit Spruchbändern: „Surgite · mortui · injusti · ad · judicium . . . . damnationis“ und „… in ignem eternum“. Zitiert nach der Abbildung 111 bei H. E. Kubach, Die Pfalz. München, Berlin o. J.
  7. Die Spruchband-Texte lauten dort: „Venite · benedicti · patris · mei · possidete · regnum · quod · vobis · paratum · est · ab · inicio · seculi ·“ und „Ite · maledicti · in · ignem · eternum ·“ – Vgl. J. Sauer, Der Freskenzyklus im Münster zu Breisach. Freiburg i. Br. 1934, 23ff. m. Abb.

Nachweise

  1. KdmBaden IX 2, 268–272, Abb. 112 u. Taf. 31.
  2. W. Lübke, in: ZGO NF. 6 (1891) 82–97.
  3. M. Wingenroth, in: ZGO NF. 20 (1905) 41.
  4. H. Rott, Burg und Flecken Obergrombach. Karlsruhe 1914, 16–20, Taf. 14.
  5. J. Sauer, in: FDA NF. 19 (1919) 432f., 448f.
  6. G. Troescher, Die Wandbilder der Burgkapelle zu Obergrombach bei Bruchsal und ihre burgundischen Quellen. Frankfurt a. M. 1938.

Zitierhinweis:
DI 20, Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe, Nr. 56 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di020h007k0005605.