Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 141 St. Lamberti und andere Standorte 1. V. 15. Jh.

Beschreibung

Altarretabel.1) Eichenholz, bemalt. Die außen und innen mit szenischen Darstellungen versehenen Flügel des Altars wurden um 1780 vom Mittelteil des Altars entfernt und verkauft. Nach 1855 wurden die Außen- und Innenseiten gespalten und in einzelne Tafeln mit je einer Szene zerlegt.2) Der den Aposteln Petrus und Paulus geweihte Altar befindet sich, in Einzelteile zerlegt, an verschiedenen Standorten: Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum; Hannover, Niedersächsische Landesgalerie; Hildesheim, Roemer-Museum; Hildesheim, St. Lamberti (Leihgabe des Roemer-Museums); Münster, Westfälisches Landesmuseum; Neuß, Clemens-Sels-Museum; Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum. Zum Zeitpunkt der Aufnahme (August 2001) befanden sich die erhaltenen Tafeln der Außenflügel in der Landesgalerie Hannover, das zentrale Bild der Kreuzigung und die vier rechts und links davon angebrachten Tafeln in St. Lamberti.

Die Außenseiten der Altarflügel zeigen acht Szenen aus dem Leben der Apostel Petrus und Paulus (Szenen 1–6, die beiden unteren Tafeln des linken Außenflügels sind verloren), die Innenseite der Flügel und der Mittelteil zwölf Szenen aus dem Leben Christi (Szenen 7–19) von der Einsetzung des Abendmahls bis zum Weltgericht. Die Inschriften sind – sofern keine anderen Angaben gemacht werden – in den Nimben der dargestellten Figuren angebracht: 1. Petrus erweckt einen Toten [Roemer-Museum], im Nimbus eine nicht mehr lesbare Inschrift. 2. Sturz des Magiers Simon [Braunschweig], im Vordergrund Petrus (A), hinter ihm Paulus (B). 3. Abschied des Saulus vom Hohen Rat [Neuss]. 4. Bekehrung des Saulus [Hannover], rechts unten der geblendete Saulus auf einem niedergestürzten Pferd, links oben Christus (C1) und ein Engel in einem Strahlenkranz. Von der Hand Christi geht ein Spruchband (C2) aus. 5. Taufe des Paulus [Hannover] mit Inschrift D. 6. Flucht aus Damaskus [Hannover], im linken Bildteil: Paulus (E) disputiert mit zwei Juden, rechts: Paulus (F) wird in einem Korb die Stadtmauer heruntergelassen. 7. Einsetzung des Abendmahls [Braunschweig], Christus und zwei der sechs zu seiner Linken sowie vier der sechs zu seiner Rechten sitzenden Jünger (G). 8. Fußwaschung [Braunschweig], Christus (H) kniet im Vordergrund, neun der zwölf ihn umgebenden Jünger mit den Inschriften I. 9. Christus in Gethsemane [Roemer-Museum], links die drei schlafenden Jünger (J), rechts der betende Christus (K). 10. Gefangennahme [Roemer-Museum], Christus mit Inschrift L, rechts Petrus (M). 11. Christus (N) vor Pilatus [St. Lamberti]. 12. Kreuztragung [St. Lamberti]. Dieses Bild ist mit dem Mittelbild, der Kreuzigung, verschmolzen. Christus mit Inschrift O, unter dem Stadttor von Jerusalem Maria und Johannes mit Nimben sowie ein dritter Nimbus, zu dem keine Figur gehört, mit den Inschriften P. 13. Kreuzigung [St. Lamberti], links unter dem Kreuz Maria Jakobi, die Gottesmutter Maria und Maria Salome mit den Inschriften Q. Ebenfalls links unter dem Kreuz Johannes und Maria Magdalena mit den Inschriften R. Im Nimbus des gekreuzigten Christus die nur noch zum Teil lesbare Inschrift S. Rechts unter dem Kreuz der Hauptmann mit einem Spruchband T. Im vergoldeten Bildhintergrund der Kreuzigung befinden sich zahlreiche Christusmonogramme (U). 14. Beweinung [St. Lamberti], vier Frauen, davon drei nimbiert, und Johannes beweinen den toten Christus mit den Inschriften V. 15. Grablegung [St. Lamberti]. Diese Szene ist wie die Kreuztragung mit dem Mittelbild, der Kreuzigung, verschmolzen. Zwei Männer ohne Nimben legen Christus (W) ins Grab, drei Frauen links neben dem Grab, dahinter Johannes und eine weitere Frau mit den Inschriften X. 16. Auferstehung [Braunschweig], Christus mit Inschrift Y. 17. Himmelfahrt Christi [Neuss], sechs der Jünger und Maria mit den Inschriften Z. 18. Ausgießung des Heiligen Geistes [Braunschweig], sechs der Jünger und Maria mit den Inschriften AA. 19. Weltgericht [Nürnberg, Leihgabe des Landesmuseums Münster], Maria und Johannes der Täufer knien zur Rechten Christi, der auf einem doppelten Regenbogen thront. Rechts und links von ihm je ein Engel. Die Dargestellten mit den Inschriften BB.

Die Inschriften in den vergoldeten Nimben heben sich glatt vor punziertem Hintergrund ab, die Inschriften auf den Schriftbändern sind aufgemalt. Die einzelnen Wörter der Nimbeninschriften sind vielfach unvollständig ausgeführt. Zur Erleichterung des Verständnisses werden in den Fußnoten Ergänzungsvorschläge gemacht. In eckigen Klammern stehende Buchstaben sind nur unvollständig ausgeführt. Als Worttrenner dienen Quadrangeln mit nach oben und unten ausgezogenen Zierhäkchen.

Maße: Mittelteil: H.: 133,5 cm; B.: 288 cm. Flügelbilder: H.: ca. 64,5 cm; B.: 59,5 cm; Bu.: 1,5–2 cm (Nimbeninschriften), 0,75 cm (C2), 1,45 cm (T).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Henning Jürgens [1/6]

  1. A

    Santus petrus ap[o]a)

  2. B

    [S]anctus pau[l]u[s ap]ostulu[s]

  3. C1

    [ - - - ] crist(us)b)

  4. C2

    Saule saule quid me persequeris ego sum ihc)3)

  5. D

    Sanct(us) pa[u]lu[s]

  6. E

    S(anctus) paulvs

  7. F

    Sanctus paulus

  8. G

    S(an)c(tu)s · bartolod) // Sanctus · [....] // S(an)c(tu)s · philli[...]e) // S(an)c(tu)s · petru[s .] // [st]usf) cristuf) ihesuc) crisf) // Sanctus · thomag) // Sanctus an[dreas]

  9. H

    [..] ihesus cristu[s] ihesu[s]

  10. I

    · phylippus // bartholomeu[s] // mathyas · apa) // thadeus · apa) // iacobus // S(an)c(tu)s · iohanes · [.]a) // S(an)c(tu)s symon aa) // andreas apa) // S(an)c(tus)

  11. J

    [S]anctus · iohannes · evh) // Sanctus · petrus · apostolua) // Sanctus · iacobus · aposa)

  12. K

    ihesu cristus · ihesc)

  13. L

    · ihesu[s] cristus · ihristu

  14. M

    Sanctus · petrus · apostoa)

  15. N

    ihes(us) crist(us) ihesus [..]

  16. O

    ihesus cr(istus)i)

  17. P

    Sanctus iohaj) // marik) // Sancta · maria · matl)

  18. Q

    Sancta · maria · iacm) // Sancta · mater · domn) // [.]ao) · maria · salome · co[n]p)

  19. R

    · Sancta · mari[a · ]magdaleq) // Sanctus · iohannes · [.]

  20. S

    hesr) [....]s [.]hesusc) [..]

  21. T

    · Vere · filius · dei · erat · iste4)

  22. U

    ih(esu)s cr(istu)ss)

  23. V

    u[...]ma[ri]a · salot) // [ - - - ] // Sancta · maria · mater · dei · // Sanctus · Johannes [...] // crist(us) ihes(us)

  24. W

    [.]vs ihes(vs) cr(istv)su)

  25. X

    S(anctus) iohanv) // Sa(ncta) magd[.]q) // mater · dei · [.] // · Sancta · maria · iw) // [ - - - ]

  26. Y

    [...]s [i]hes[us] cristus ihe(sus)

  27. Z

    [Sa]nctus d[.]m[....] // Sanctus mateux) // thadeus // S(an)c(t)a · maria · virgy) // S(an)c(tu)s · petrus · aa) // S(an)c(tu)s thomag) // S(an)c(tu)s iacobus

  28. AA

    thomas · // · phylippus · // · bartolomed) // Sancta · maria · mater · domini // · andreas · apoa) // nctusz) · iacobus · // ymoaa)

  29. BB

    Sanctus · iohannes · baptisbb) // Sancta · maria · mater · d[.i]cc) // [..] cristus · ihesus · cristus

Übersetzung:

Der heilige Apostel Petrus. (A)

Der heilige Apostel Paulus. (B)

Saulus, Saulus, was verfolgst du mich, ich bin Jesus. (C2)

Die heilige Maria des Jakobus. Die heilige Mutter des Herrn. [...] Maria Salome [...]. (Q)

Wahrhaftig, dieser war Gottes Sohn. (T)

Maria Salome. [...] Die heilige Maria Mutter Gottes. Der heilige Johannes. Jesus Christus. (V)

Der heilige [...]. Der heilige Matthäus. Thaddäus. Die heilige Jungfrau Maria. Der heilige Apostel Petrus. Der heilige Thomas. Der heilige Jakobus. (Z)

Thomas. Philippus. Bartholomäus. Die heilige Maria, Mutter des Herrn. Der Apostel Andreas. Der heilige Jakobus. Simon. (AA)

Der heilige Johannes der Täufer. Die heilige Maria, Mutter Gottes/des Herrn. Christus Jesus Christus. (BB)

Kommentar

Die s entsprechen in ihrer Grundform dem schlingenförmigen Schluß-s der Kursive, sie sind hier entsprechend dem Formprinzip der gotischen Minuskel mit gebrochenen Bögen ausgeführt. Die Hasten des u enden oben gerade.

Ein Altar der Patrone Peter und Paul ist in St. Lamberti für das Jahr 1433 urkundlich bezeugt: Cord von Hudessem, Bürger der Altstadt, stiftet 400 Rheinische Gulden für eine Kommende an diesem Nebenaltar.5) Ein Retabel ist in diesem Zusammenhang nicht erwähnt, und es muß offen bleiben, ob diese große Altartafel tatsächlich für einen der Nebenaltäre in St. Lamberti gestiftet wurde. Schriftquellen, die über den Ursprung und die Geschichte des Retabels Auskunft geben könnten, fehlen bis zum späten 18. Jahrhundert.6)

Der Altar wird aus stilkritischen Gründen und aufgrund von Motivabhängigkeiten in das erste Viertel des 15. Jahrhunderts datiert.7)

Textkritischer Apparat

  1. Zu apostolus zu ergänzen.
  2. Es ist nicht zu entscheiden, ob der erste Teil der Inschrift auf dem Nimbus ausgeführt war oder ob der Nimbus beim Herausschneiden der Szene beschädigt wurde und infolgedessen die Inschrift nicht mehr vorhanden ist.
  3. Zu ihesus zu ergänzen.
  4. Zu bartolomeus zu ergänzen.
  5. Wohl phillippus. Es ist nicht erkennbar, wie viele Buchstaben am Wortende tatsächlich ausgeführt waren.
  6. Zu cristus zu ergänzen.
  7. Zu thomas zu ergänzen.
  8. Zu evangelista zu ergänzen.
  9. xp.
  10. Zu iohannes zu ergänzen.
  11. Zu maria zu ergänzen.
  12. Zu mater zu ergänzen.
  13. Zu iacobi zu ergänzen.
  14. Zu domini zu ergänzen.
  15. Der Anfang dieses Nimbus ist vom Nimbus der Gottesmutter überdeckt. Zu ergänzen ist Sancta.
  16. Lesung und Bedeutung fraglich, vielleicht consolatrix.
  17. Zu magdalena zu ergänzen.
  18. hes] Über e ein Kürzungsstrich, vielleicht ihesus.
  19. ihs xps.
  20. Zu salome zu ergänzen.
  21. xps.
  22. Zu iohannes zu ergänzen.
  23. Wahrscheinlich zu iacobi zu ergänzen. Maria, die Mutter des Jakobus, gehört zu den Frauen am Grab.
  24. Zu mateus zu ergänzen.
  25. Zu virgo zu ergänzen.
  26. Zu Sanctus zu ergänzen.
  27. Zu Symon zu ergänzen.
  28. Zu baptista zu ergänzen.
  29. Zu ergänzen entweder zu dei oder zu d(omi)ni.

Anmerkungen

  1. Eine grundlegende kunsthistorische Untersuchung dieses Altars bietet Gabriele Neitzert: Der Peter-und-Pauls-Altar der St.-Lamberti-Kirche in Hildesheim. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 6 (1967), S. 127–166. Auf diese Arbeit stützt sich die folgende Beschreibung; s. a. Wolfson, Deutsche und niederländische Gemälde, S. 159–162 (mit ausführlicher Verzeichnung der jüngeren Forschungsliteratur). Speziell zu den Tafeln im Clemens-Sels-Museum in Neuß: Gabriele Neitzert: Der Peter-und-Pauls-Altar der St. Lamberti-Kirche in Hildesheim. In: Neusser Jahrbuch 1968, S. 13–15.
  2. Vgl. Neitzert 1967 (wie Anm. 1), S. 128 (mit weiteren Details zur Besitzgeschichte).
  3. Act. 9,4f.
  4. Mt. 27,54.
  5. Stiftungsurkunde s. UB Stadt 4, Nr. 198.
  6. Vgl. Helga Stein: Zur Geschichte des Peter- und Paul-Altars in der Lamberti-Kirche der Neustadt von Hildesheim. In: Die Tafeln des Peter- und-Paul-Altars aus der Lamberti-Kirche in der Neustadt von Hildesheim, hg. von Bernd Schäliche. München 2000 (Kulturstiftung der Länder. Patrimonia 183), S. 19–32.
  7. Neitzert 1967 (wie Anm. 1), S. 147f.; Heide Grape-Albers: Die Kunsthistorische Stellung des Peter- und Paul-Altars aus der Hildesheimer Lamberti-Kirche. In: Die Tafeln des Peter- und-Paul-Altars (wie Anm 6), S. 33–48, hier S. 48: „um 1420“.

Nachweise

  1. Gabriele Neitzert: Der Peter-und-Pauls-Altar der St.-Lamberti-Kirche in Hildesheim. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 6 (1967), S. 132 (C2), S. 138 (T), Abb. sämtlicher Tafeln.
  2. Wolfson, Deutsche und niederländische Gemälde, S. 159 (C2), Abb. S. 160f.
  3. Slg. Rieckenberg, S. 588–590 (Q–W), zwei Photos.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 141 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0014103.