Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 58: Stadt Hildesheim (2003)
Nr. 117 St. Godehard 2. H. 14. Jh.?
Beschreibung
Wandpfeiler. Die Inschrift ist auf zwei Steinquadern auf der Südseite des nördlichen Eckpfeilers der im Westchor gelegenen Maria-Magdalenenkapelle (heute Taufkapelle) in vier vertieften Zeilen erhaben ausgehauen; die ersten drei Zeilen befinden sich auf dem oberen Stein, die vierte auf dem unteren. Der rechte Teil der drei oberen Zeilen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch einen neuen Steinquader ersetzt, die fehlenden Teile der Inschrift wurden nicht ergänzt.
Inschrift ergänzt nach Photo Slg. Rieckenberg.
Maße: Oberer Stein: H.: 28 cm; B.: 87 cm. Unterer Stein: H.: 29 cm; B.: 118,5 cm; Bu.: 6 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.
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Anno d(omi)ni M c lxxxvii xiii k(a)l(endas) a[ugusti1) (con)sec(ra)]/tu(m) (est)a) hoc altare i(n) hono(r)e b(ea)te ma(r)ie ma[gdalene et] / s(anc)tar(um) xi miliu(m) v(irginum) quar(um) in locello s(u)b alt[(are)mb) q(u)inq(ue) cor]//pora reposita su(n)t a d(omi)no adelhogo ep(iscop)o hild[es(emensi)]
Übersetzung:
Im Jahr des Herrn 1187 am 13. Tag vor den Kalenden des August wurde dieser Altar zu Ehren der heiligen Maria Magdalena und der heiligen Elftausend Jungfrauen geweiht, von denen fünf Leiber in einem [Reliquien]sarg unter dem Altar beigesetzt worden sind von Herrn Adelog, Bischof von Hildesheim.
Textkritischer Apparat
- est-Kürzel in Form eines Hakens mit zwei darübergesetzten Quadrangeln; fehlt Kratz.
- alt[(are)m] Die Auflösung der Abkürzung ist nicht sicher, da auch auf dem Photo in der Slg. Rieckenberg durch einen Riß der Befund nicht genau festzustellen ist. altare/-is ist im Mittellateinischen Wörterbuch sowohl als neutr. wie auch als mask. und fem. belegt. Vgl. Mittellateinisches Wörterbuch, hg. von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd. 1. München 1967, Sp. 504. Allerdings ist in der zweiten Zeile der Inschrift altare eindeutig als Neutrum verwendet worden.
Anmerkungen
- 20. Juli. Merkwürdig ist, daß die Weihe des Altars genau zwei Tage vor dem Fest der heiligen Maria Magdalena erfolgt ist.
- Lüntzel (Geschichte 2, S. 591) überliefert ohne genaue Quellenangabe folgende Weihenachricht: Idem Adelogus ep(iscopus) a(nno) 1187 XIII Kal(endas) Aug(usti) dedicavit sacellum et altarem sub turri maiori in honorem beate Mar(ie) Magd(alene) et xi millium virginum et sub altarem in locello reposuit quinque corpora de illa societate s(anctae) Ursulae. ‚Derselbe Bischof Adelog hat im Jahr 1187 am 13. Tag vor den Kalenden des August eine Kapelle und einen Altar geweiht unter dem größeren Turm zur Ehre der heiligen Maria Magdalena sowie der Elftausend Jungfrauen und hat unter dem Altar in einem [Reliquien]sarg fünf Leiber aus jener Gesellschaft der heiligen Ursula beigesetzt‘.
Nachweise
- DBHi, HS C 26a, S. 13.
- Mithoff, Kunstdenkmale, S. 144.
- Kd. Hildesheim, Kirchen, S. 235.
- Karl Eichwalder: St. Godehard in Hildesheim. Hinweise zur Baugestalt des ehemaligen Benediktinerklosters. In: Kat. Schatz von St. Godehard, S. 26, Anm. 11, Abb. S. 19.
- Slg. Rieckenberg, S. 667–669, ein Photo.
Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 117 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0011707.
Kommentar
Die Weihenachricht kann nicht in dem in der Inschrift genannten Jahr 1187 angebracht worden sein, da zu dieser Zeit die gotische Minuskel als Monumentalschrift noch nicht im Gebrauch war. Diese Inschrift erneuert also entweder eine ältere gleichen Wortlauts oder setzt eine bis dahin buchschriftlich tradierte Weihenachricht2) inschriftlich um. Die Buchstaben sind in breiter Strichstärke ausgeführt. Insgesamt vermittelt die Schrift einen gitterartigen Eindruck und ähnelt der buchschriftlichen Textura. Auffällig sind die zahlreichen Kürzungen, die in dieser Form eher in der Buchschrift als in epigraphischen Schriften geläufig sind. Das hier verwendete r(um)-Kürzel in Form eines Bogenr mit gerader Haste und verlängerter, nach oben gebogener durchstrichener Cauda ist in den Hildesheimer Minuskelschriften nur hier belegt. Dieser Befund legt die Vermutung nahe, daß die Vorlage für die Inschrift wohl nicht in einer älteren zerstörten Majuskel-Inschrift bestanden hat, sondern daß ein Eintrag in einer Handschrift umgesetzt worden ist.
Die Buchstaben sind schlicht gestaltet und entsprechen darin den erhabenen gotischen Minuskeln auf den Epitaphien in Heilig Kreuz aus dem letzten Viertel des 14. Jahrhunderts (Nr. 100 Grabschrift des Dietrich Digni, Nr. 107 Grabschrift des Aschwin von Barum). Der gitterartige Eindruck spricht ebenfalls für die Ausführung der Inschrift in der früheren Zeit der gotischen Minuskel, also in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Eine spätere Entstehung ist allerdings auch nicht auszuschließen, da die Übernahme einer älteren buchschriftlichen Vorlage auch zu einem späteren Zeitpunkt die Ausführung der Buchstaben beeinflußt haben kann. Die Baugeschichte liefert keinen Anhaltspunkt für eine nähere zeitliche Eingrenzung.