Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 269 Dom, Kreuzgang 1645

Beschreibung

Grabplatte der Constantina Spiegel zu Pickelsheim; an der Nordwand des Kreuzgangs, im elften Joch von Osten, ehemals im Mittelschiff;1) heller Sandstein, einige Narben; die untere Inschriftenleiste wurde erst im Jahr 2004 bei der Neugestaltung des Kreuzganges sichtbar, an der oberen leichte Beschädigungen. Relief, das Binnenfeld ist aufgeteilt in drei Zonen, in der Mitte auf einer Beschlagwerktafel in gefaßtem Medaillon ein Vollwappen, in den Zwickeln vier Ahnenwappen. Am Rand auf eingetiefter Inschriftenleiste umlaufend der Sterbevermerk (A), erhaben ausgeführt. In spiegelbildlich darüber und darunter angeordneten karniesbogenartig abgeschlossenen Kartuschen mit abgerundeten Enden zeilenweise die Bibelsprüche (B, C).

Maße: H. 172 cm, B. 96 cm, T. 18,5 cm, Bu. 4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    IVNGFRAWa) CONS[T]ANTINAb) / SPIEGELIN ZV PICHELSHEIM IM HERREN SELIG ENTSCHLAFFENc) DEN 2[. / M]ARTYd) ABENSe) EIN VIRTEL NACH 8 / DEREN SEHLEN GOTT GNEDIG IHRES ALTERS IM 20 IAHR A(NN)Of) 1645

  2. B

    SYRACHg) · 1 · / WER DEN HERREN / FVRCHTET DEM WIRT ES WOLL / GEHEN IN DER LETZTEN NOTT / VND WIRT DEN SEGEN / BEHALTEN2)

  3. C

    IOHANNIS AM 1 / DAS BLVT IESV CHRISTI / GOTTES SOHN MACHT / VNS REIN VON ALLER / SVNDEN3)

Wappen:
Spiegel4)
Spiegel4) Gadenstedt5)
Kanne6) Bach7).

Kommentar

Die Buchstaben sind serifenlos, i-Punkte werden fast durchgängig gesetzt, Initialen überhöht ausgeführt und ragen in den Rand hinein. Hasten-, Balken- und Bogenenden sind keilförmig verbreitert. O wird spitzoval gebildet. Als i-Punkte werden Dreiecke benutzt, als Worttrenner auf Zeilenmitte gesetzt.

Constantina Spiegel von Pickelsheim war vermutlich eine Tochter des Domherrn und späteren Domdekans und Propstes von St. Bonifatius Arndt Spiegel zu Pickelsheim (1575–1652), der im Jahr 1615 Hedwig von Gadenstedt (vgl. Nr. 271) geheiratet hatte.8) Bisher sind aus dieser Ehe jedoch nur zwei Kinder bekannt.9) Arndt Spiegel muß zuvor schon verheiratet gewesen sein. Diese Gattin hatte ihm im August 1605, weil eine Geburt nahte (vicina partus), ihre Gerade (Aussteuer) vermacht; ihren Tod beklagte er im November 1606.10) Der vielleicht als Leichtext verwendete Bibelspruch stammt aus dem apokryphen deuterokanonischen Buch Jesus Sirach.

Textkritischer Apparat

  1. IVNGFRAW] Erster Buchstabe überhöht.
  2. CONSTANTINA] Die ersten sieben Buchstaben beschädigt bzw. zerstört.
  3. ENTSCHLAFFEN] Der erste Buchstabe beschädigt.
  4. MARTY] In der Zeit zwischen dem 20. und 29. März, wenn nach altem Kalender datiert wurde, starb sie zwischen dem 30. März und dem 8. April.
  5. ABENS] Sic!
  6. ANNO] Kürzungszeichen fehlt.
  7. SYRACH] Doppelpunkt über dem Y.

Anmerkungen

  1. Vgl. BKD, S. 300.
  2. Vgl. Sir 1,13. Vgl. D. Martin Luther, Heilige Schrifft Deudsch, S. 1754.
  3. Vgl. 1. Jh 1,7. D. Martin Luther, Heilige Schrift Deudsch, S. 2424.
  4. Drei runde Spiegel 2:1, HZ: offener Flug, jeder Flügel belegt mit den drei Spiegeln 2:1; vgl. Siebmacher Brau, S. 9 und Taf. 8; vgl. auch Nr. 226. Die Spiegel zum Desenberg und die zu Pickelsheim führten dasselbe Wappen; vgl. Kneschke Bd. 8, S. 559 f.
  5. Ein Pfahl, HZ: Flug; vgl. Siebmacher SaA, S. 48 und Taf. 30; ebd. Brau, S. 5 und Taf. 3; ebd. PrE, S. 76 und Taf. 64; mit einigen Abweichungen: ebd. Han, S. 7 und Taf. 7; Ledebur Bd. 1, S. 242; zum Geschlecht auch Kneschke Bd. 3, S. 420.
  6. Ein Büffelkopf, HZ: zwei Büffelhörner; vgl. Siebmacher SaA, S. 82 und Taf. 52; vgl. auch die abweichenden Beschreibungen Siebmacher Pr, S. 193 und Taf. 242; ebd. PrE, S. 109 und Taf. 93; Ledebur Bd. 1, S. 414; vgl. zum Geschlecht außerdem Kneschke Bd. 5, S. 19 f.
  7. Ein Lindenbaum (?) mit zwei gegenständigen Blattpaaren, HZ: zwischen zwei Büffelhörnern ein Mannsrumpf; vgl. die abweichende Beschreibung bei Siebmacher SaA, S. 7 mit Taf. 5.
  8. Nach Lentz 1749, S. 311; König 1729, S. 1117.
  9. Vgl. zu Arndt Spiegel zu Pickelsheim und Hedwig von Gadenstedt auch König 1729, S. 1117 und Nr. 271.
  10. Mülverstedt 1894, S. 232, 336 f.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 269 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0026905.