Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

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DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 1 Dom, Schatzkammer 7./A. 9. Jh.?, 3. D. 9./A. 10. Jh.

Beschreibung

Silbertäfelchen des 7. oder 9. Jh. und Intaglio des 9. Jh. in einem Tafelreliquiar des 13. Jh., Domschatz Inv. Nr. 46;1) Holzkern, Leder, Messing, Silber vergoldet, Silber nielliert, Silberblech vergoldet und geprägt, Kugelfiligran, Bergkristall plan und bombiert und weitere Steine gemugelt oder geschliffen (Kameen, Intaglio, Plan- und Linsenschliff), Perlen, Emails (Zellenschmelz), Textilien (wohl Seidenstoffe), Reliquien, Pergamentcedulae. Rückseite und Ränder des fast quadratischen Holzkerns sind mit Leder bezogen, die Vorderkante der seitlichen Ränder mit einem schmalen Messingbändchen beschlagen. Den äußeren Rahmen der Vorderseite bilden acht von Perldraht gefaßte, aufgenagelte Filigranbänder, die, wie die folgenden inneren, in Zargenfassungen gemugelte, geschliffene und geschnittene Steine, Perlen sowie Emailplättchen (Zellenschmelz) tragen. Das nächst innenliegende zwölfteilige Schmuckband aus vergoldetem Silberblech ist mit geprägten gegenständigen Blattornamenten (Lebensbaummotiv?) und Steinen verziert, die auf den horizontalen Bändern als Saum, auf den vertikalen kreuzweise angeordnet sind. Es umschließt zwölf Scheiben aus Bergkristall, unter denen auf dunkelrote Textilien (vermutlich Seidenstoffe) gebettet – z. T. stoffumwickelte – Reliquienbündelchen zu sehen sind, denen mit Leinen-, Woll- oder Seidenfäden 15 Authentiken als Pergamentcedulae mit den in brauner Tinte geschriebenen Namen von zwölf Aposteln, den vier Evangelisten und Johannes dem Täufer beigebunden sind.2) Das innerste, schmalere fünfteilige Filigranband umgibt eine im Zentrum eingelassene, fast quadratische Bergkristallplatte.3) Darunter befinden sich in vergoldeten Mulden der durch Holz-, Wachs- oder Harzriegel in Form eines Kreuzes gebildeten Kreuzwinkel weitere Reliquien mit zugehörigen Pergamentcedulae, die ihren Inhalt bezeichnen.4) Die Kreuzvierung, unter der sich wohl weitere Reliquien befinden, bedeckt ein längsrechteckiges, mit zwei Nägeln am unteren Rand befestigtes, nielliertes Silbertäfelchen, auf dem sich eine gravierte Kreuzigungsgruppe befindet. Am oberen Kreuzstamm auf dieser Platte anstelle des Kreuztitulus als Nomen sacrum der Name Jesu (A), über den Kreuzbalken das Bibelwort (B) jeweils in griechischen Buchstaben zweizeilig mit Modeln eingeschlagen.5) Etwa in der Mitte des äußeren unteren Filigranbandes ein Intaglio aus Bergkristall mit dem umlaufenden Titulus (C). Der Lederbezug ist abgerieben und teilweise abgerissen, etliche kleine Steine sowie ein großer fehlen.

Maße: H. 45,4 cm, B. 40,5 cm, T. 4,5 cm, Bu. ca. 0,2 cm (A, B), ca. 0,4 cm (C).

Schriftart(en): Byzantinische Majuskel (A, B), Kapitalis (C).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/3]

  1. A

    I(HCOY)C X(PICTO)Ca)6)Ἰ(ησοῦ)ς Χ(ριστό)ς

  2. B

    Ι[ΔΟ]Υb) O / Y[(IO)C]c) CO[Y] // ΙΔΟΥb) [H] / MH(TH)Pd) COY7) ἰ[δο]ῦb) ὁ / υ[(ίό)ς]c) σο[υ] // ἰδοῦb) [ἡ] / μή(τη)ρd) σου

  3. C

    + TEODVLFVSe) ABBAf)

Übersetzung:

A: Jesus Christus. B: Siehe da, dein Sohn. Siehe da, deine Mutter. C: Abt Teodulf.

Kommentar

Die Buchstaben der Inschrift C weisen keine Sporen auf. Schaft- und Balkenstärke sind durchweg gleich. A kommt nur in der kapitalen Form und spitz vor. Der Balken ist tief angesetzt und sehr dünn ausgeführt. Der obere Bogen des B ist etwas kleiner als der untere. D ist sehr gleichmäßig und exakt gebildet. Die Buchstaben E und F sind ungewöhnlich schmal ausgeführt. Das kreisrunde O ist kleiner als die übrigen Buchstaben. Sehr flache und etwas spitze Bögen zeigt das S. Einziger Buchstabe mit leicht verbreitertem Schaftende ist das T. V ist sehr breit proportioniert.

Das Tafelreliquiar besteht aus Teilen unterschiedlicher Entstehungszeit. Am ältesten ist das niellierte Silbertäfelchen, welches das Zentrum schmückt, unter dem wohl ein Stück des Wahren Kreuzes verborgen ist.8) Die Darstellung der Kreuzigung stammt nach den Forschungen von Johanna Flemming noch aus dem 7. Jahrhundert.9) Nach Stil und Ikonographie gilt sie als in Zusammenhang mit der Staurothek Fieschi-Morgan in New York, die mittlerweile jedoch in das frühe 9. Jahrhundert datiert wird, und dem sog. Kreuz der Theodelinde und den Pilgerfläschchen in Monza stehend. Das Intaglio mit dem Namen des Abtes Teodulf ist spätkarolingisch. Hans Wentzel nahm an, daß es aus der gleichen Werkstatt stammt, der wir auch die sog. Susannaschale verdanken, die unter Lothar II. (855–869) entstanden ist, der er auch das sog. Radbod-Siegel zuwies, das engste Verwandtschaft zum Siegelstein des Teodulf aufweise.10) Genevra Kornbluth korrigierte diese Auffassung und sieht den Siegelstein zusammen mit demjenigen des Radbod und der Freiburger Kreuzigung – auch mit epigrahischer Begründung – zu einer Gruppe von Kunstwerken zugehörig, die eine enge Beziehung zur Susannaschale aufweisen, aber nicht aus einer Werkstatt stammen.11) Die beiden Siegelsteine des Radbod und Teodulf könnten entweder Vorbild für den jeweils anderen gewesen oder einem Dritten nachgebildet und während des Pontifikats Erzbischof Radbods von Trier zwischen 883 und 915 vom selben Künstler geschaffen worden sein.12) Inschriften verbänden die Objekte ebenso eng wie der figürliche Stil und zögen eine Trennungslinie zu einer Gruppe von Steinschnitten um die SusannaSchale.13) Bei dieser Zeitstellung kann es sich dann jedoch nicht, wie auch schon vermutet wurde, um einen Stein aus dem Besitz des Teodulf, Abts von Fleury und späteren Bischofs von Orleans (* um 760, † 821) handeln.14) Auch ein Notarius Theodulf, der zwischen 902 und 910 in Urkunden der Lothringischen Kanzlei vorkommt, läßt sich nicht mit Sicherheit als namengebender Besitzer des Steins in Anspruch nehmen, da für ihn der Titel eines Abtes nicht nachweisbar ist.15) Eine Beziehung dieses Notars Theodulf zu dem lothringischen Erzkanzler Erzbischof Radbod von Trier ist jedoch zu erkennen. Der Halberstädter Stein ist von gleicher Machart wie der Siegelstein des Radbod, und er scheint aus einer spätkarolingischen Trierer oder Metzer Werkstatt zu stammen. Besonders zu Metz jedoch gab es in Halberstadt zu Zeiten Bischof Hildiwards (968–996) enge Verbindungen, die eine Gebetsverbrüderung, Reliquienschenkungen und die Weitergabe von Pontifikalinsignien einschlossen.16) Deshalb ist dieser Notar Theodulf zumindest hypothetisch – bis zum Erweis des Gegenteils – als möglicher Besitzer des Steins in Erwägung zu ziehen.

Die meisten der in dem Tafelreliquiar aufbewahrten Reliquien, wenn nicht alle, stammen vom Vierten Kreuzzug, an dem Bischof Konrad von Krosigk (1201–1208, † 1225 VII 21) teilgenommen hatte.17) Nach seiner Wiederkunft am 16. August 1205 schenkte er – vor seiner Resignation als Bischof im Jahr 1208 urkundlich der Halberstädter Kirche eine Reihe von Reliquien, von welchen in der Urkunde jedoch nur die wichtigsten und solche, die des Schmuckes nicht entbehrten und deshalb wohl als Reliquiare anzusprechen sind, namentlich aufgezählt werden; so etwa „lignum domini in quantitate non modica in argentea tabula prout decet honorifice repositum et servatum“.18) Viele der Reliquien, die sich im Tafelreliquiar befinden, wurden jedoch nur allgemein als in „capsam magnam argenteam cum reliquiis infinitis“ eingeschlossen aufgeführt. Namen von Heiligen, deren Überreste im Reliquiar enthalten sind, finden sich jedoch auch unter den aufgezählten Reliquien in der zeitgenössischen Halberstädter Chronik.19) Auch werden die Feste etlicher Heiliger, deren Reliquien im Tafelreliquiar enthalten sind, in einem Ablaß Bischof Volrads von Kranichfeld (1254/55–1296, † 1298?) aus dem Jahr 1258 genannt.20) Ob alle Reliquien der Tafel Teil der Schenkung Konrads von Krosigk waren, ist nicht sicher, da auf den Cedulae der Authentiken, die nicht alle zur selben Zeit entstanden sein müssen, mehrere Hände geschieden werden können.

Die Reliquientafel wird jedoch erst nach dem Tode des Bischofs Ende Juli 1225 angefertigt worden sein. Dafür spricht nicht nur der Filigranschmuck, der nach den Forschungen von Dietrich Kötzsche mit demjenigen am Deckel des Quedlinburger Samuhel-Evangeliars und am Armreliquiar des heiligen Nikolaus in Halberstadt (Nr. 20) übereinstimmt, die um oder kurz nach 1225 entstanden sind.21) Denn manche Reliquien der Tafel, die nicht mit denjenigen übereinstimmen, welche die Urkunde von 1208 enthält, werden erst in einer Schiedsurkunde von 1225 erwähnt.22) Der päpstliche Kardinallegat Konrad von Urach entschied – wohl im August des Jahres – einen Streit zwischen dem Domkapitel und dem Kloster Sittichenbach um Reliquien und Ornate. Diese hatte Konrad von Krosigk, der sich nach seiner Resignation 1208 dorthin zurückgezogen hatte, dem Zisterzienserkloster überlassen. Der Kardinallegat legte in einem Schied fest, daß das Kloster der Domkirche unter anderen einige der in dem Tafelreliquiar aufbewahrten Reliquien schuldet, darunter einen Dorn der Dornenkrone und ein Haar der Jungfrau Maria. Das Tafelreliquiar wurde zusammen mit anderen Reliquiaren zu bestimmten Festen in feierlicher Prozession zur Liebfrauenkirche und wieder zurück getragen, wie man aus einer Urkunde des Jahres 1259 erfährt.23)

Textkritischer Apparat

  1. [IHCOYC XPICTOC] Die Nomina Sacra nicht durch Kürzungsstrich gekennzeichnet (IC XC).
  2. ΙΔΟΥ] (ἰδοῦ) ἴδε Nebe; der Bibeltext schwankt zwischen Imperativ Aorist Aktiv (ἱδε) und Medium (ἰδοῦ), siehe zu Nr. 7. Freundlicher Hinweis von Professor Dr. Klaus Hallof, Berlin.
  3. YIOC] (υ(ἱό) Ligatur Y[C].
  4. MH(TH)P] (μή(τη)ρ) Ligatur MHP.
  5. TEODVLFVS] Teodulus Büsching Niemann, Theodulus Lucanus, Lucanus 1866, Theodorus Elis, THEODVLF Wentzel, THEODULFUS Baum, Mütherich.
  6. ABBA] Abbas Büsching, Niemann, Lucanus, Elis, Lucanus, Baum, fehlt Wentzel, Mütherich, Hinz, Janke.

Anmerkungen

  1. Siehe dazu: LHASA Magdeburg, Rep. A 14 Domkapitel zu Halberstadt Älteres Archiv Nr. 1852 Bd. 1 Nro. 28, Inventur der Reliquien auf dem Cyther 1717 Den 19 July 1717 „1, Viereckigte Tafel mit durch brochenen Silbers belegt und mit allerhand Steinen besetzt mit Reliquien angefüllet“; Haber 1739, S. 45 f.; Büsching 1819, S. 257; Niemann 1824, S. 37; Lucanus 1837, S. 9; Elis 1857, S. 72 f.; Lucanus 1866, S. 44 zur alten Inv. Nr. 141; Nebe 1889/1890, S. 90; Zschiesche 1895, S. 158; Hermes 1896, S. 98 f. mit Abb. S. 92; BKD, S. 274; Doering 1927, S. 67; Meyer 1936, S. 26; Braun 1940, S. 228; RDK Bd. II, Sp. 280 (Hans Wentzel); Mütherich 1959, S. 71–74 mit Abb. 5 f.; Frolow 1961, Nr. 459 S. 386, Nr. 608 S. 462 f.; Hinz 1964, S. 211–213 mit Abb.; Frolow 1965, S. 94, 104 Anm. 1, 108, 111, 113, 157, 251 Anm. 1 mit Fig. 61; Flemming 1979, S. 65 f. mit Abb. 2; Flemming 1982, S. 18–24; Hahnloser/Brugger-Koch 1985, S. 83 mit Taf. 15 Abb. 16; Katalog Köln 1985 Bd. 3, H* 1 S. 133 (U[lrich] H[enze]); Katalog Braunschweig 1985 Bd. 1, Nr. 1051 S. 1212 f. (M[ichael] Br[andt]); Flemming/Lehmann/Schubert 1990, S. 247 mit Abb. 148; Kostbarkeiten 2001, S. 60 f. mit Abb. ([Petra] S[evrugian]); Janke 2006, Nr. 3 S. 144–147 mit Abb. 40 und Taf. 3.; Toussaint 2008, S. 304–313; Der heilige Schatz 2008, Nr. 22 S. 96–98 mit Abb. (Gia Toussaint).
  2. Die auf den Authentiken verzeichneten Texte lauten: „math(e)i ap(ostol)i. // PetRi a(postoli) // S(ancti) Pauli // De vestib(us) ioh(ann)is ew(a)n(geliste) // Iacob(i) // Joha(nnis) bapt(iste) · // andree ap(osto)li // Philippi ap(osto)li // s(an)c(t)i iacob[i] ap(osto)li maioris · // Math[i]e ap(osto)li // MaRci ew(angeliste) · // Simonis // Thome a(postoli) // Bartholo(mei) // Luce [e]w(angeliste) ·“.
  3. Das Zentralfeld ist vielleicht nicht ursprünglich, wie eine kleine Blüte in der Ecke unten rechts annehmen läßt, die zum Originalschmuck des Reliquiars gehört haben kann; vgl. Katalog Köln 1985 Bd. 3, H* 1 S. 133 (U[lrich] H[enze]).
  4. Die Texte dieser Authentiken lauten: „Spinea co(rona) // S(an)c(t)a cRuce // de corp(or)e d(omi)ni · // · De c(ri)nib(u)s S(anct)e Marie v(irginis) // marie m // andree // Anne // Silvestri“.
  5. Freundlicher Hinweis von Professor Dr. Klaus Hallof, Berlin.
  6. Zur Kürzung des Namens durch Kontraktion siehe Traube 1907, S. 113–116.
  7. Io 19,26–27.
  8. Es ist unsicher, ob das kreuzförmig angeordnete Material im Zentralbereich des Reliquiars Holz ist. Ebenso könnte es sich um Wachs oder Harz handeln. Dafür spricht auch die Anbringung der Herrenreliquien im weitesten Sinne in den beiden oberen Kreuzwinkeln. Sie sind im Gegensatz zu den Apostelreliquien sämtlich sorgfältig verpackt. Deshalb könnte auch die Kreuzpartikel unter der vermutlich zu der ursprünglichen, ehemals zu einem byzantinischen Reliquiar gehörenden kleinen Silberplatte ge- und verborgen sein. Das hätte weitreichende Folgen für die Interpretation des Reliquiars. Andererseits könnte Holz auch in Byzanz bei Reliquienweisungen mit Myron bestrichen worden sein und auf diese Weise sein heutiges Aussehen erhalten haben. Vgl. auch Flemming 1982, S. 21, die das Silberplättchen durch einen Vergleich mit der Staurothek Fieschi-Morgan in New York als „Fragment von Konrads argentea tabula“ postulierte. Zum Wandel der Reliquienverehrung nach dem Vierten Kreuzzug und dem 4. Laterankonzil durch ihre Sichtbarmachung Toussaint 2005, auch mit Halberstädter Bezügen, bzw. als genuin abendländische Entwicklung und speziell zum Halberstädter Tafelreliquiar Diedrichs 2001, S. 130–133, 196–199. Einen Hinweis auf die Sichtbarmachung und selbst auf die Berührung der Reliquien bzw. der sie einschließenden Behältnisse in Halberstadt gibt das um 1230 entstandene Chronicon Montis Sereni (MGH SS XXIII), S. 171. Dort heißt es bezogen auf den Erwerb der Reliquien durch Konrad und ihre Ausstellung am 16. August „… multis et maximis sanctorum reliquiis ibidem acquisitis Halverstadensem ecclesiam insignavit (scil. Conradus Halverstadensis episcopus), quarum veneracioni dies proxime sequens assumpcionem Dei genetricis deputata est, multis undique ad ipsam celebritatem concurrentibus, quando reliquie ipse aspectui omnium vel eciam contactui exponuntur …“; vgl. auch UBHH Bd. 2, Nr. 995 S. 221 f. Zum Chronicon Montis Sereni LexMA Bd. VI, Sp. 1941 Art. Petersberg (K[arlheinz] Blaschke). Die Interpretation der Tafel als Himmlisches Jerusalem bei Diedrichs 2001, S. 132 geht gewiß nicht fehl. Seine Deutung der hl. Maria Magdalena und der hl. Anna als Frauen unter dem Kreuz, die er nach Mc 15,40 (zu ergänzen auch Io 19,25, Anm. d. Bearb.) vornimmt, scheint überinterpretiert, da die hl. Anna in den beiden Bibelstellen nicht erwähnt ist. Der Annenkult wird im Westen erst im Spätmittelalter gepflegt; im Osten wurde Anna jedoch seit der Spätantike verehrt; vgl. LCI Bd. 5, Sp. 168–174 (M[artin] Lechner). Allein Halberstadt könnte eine Ausnahme bilden, da nach mittelalterlicher Auffassung angeblich Bischof Haimo von Halberstadt (840–853) basierend auf den Kirchenvätern die Trinubiumslegende propagierte und damit den Ursprung der Heiligen Sippe; vgl. Haymo von Halberstadt, Opera, S. 823 D/824 A. Seine Autorenschaft für fast alle unter seinem Namen überlieferten Werke ist jedoch widerlegt; vgl. LexMA Bd. IV, Sp. 1864 (B[irgit] Gansweidt); Verfasserlexikon, Sp. 650 f. (F[ranz] J[osef] Worstbrock); ADB Bd. 10, S. 390 (B. Simson); NDB Bd. 7, S. 522 f. (Gerhard Baader); G[eorg] Waitz in Archiv für ältere Geschichtforschung XI (1858), S. 285, Zedler Bd. 12, Sp. 950–952. Ein Interesse an Reliquien der Heiligen Anna kann deshalb trotzdem gerade in Halberstadt auch schon im 13. Jahrhundert durchaus bestanden haben. Eine Annenreliquie ist in Halberstadt weder vorher belegt, noch wird sie im Zusammenhang mit dem Vierten Kreuzzug genannt. Eine Reliquie des hl. Silvester war zusammen mit anderen schon bei der Domweihe 992 im Hauptaltar des Domes gefunden und ebendort durch Bischof Hildiward wieder eingeschlossen worden; GEH, S. 88. Zur Deutung der Edelsteine an mittelalterlichen Reliquiarien siehe Toussaint 2004.
  9. Flemming 1979, S. 65 f.; Flemming 1982, S. 20–24; Flemming/Lehmann/Schubert 1990, S. 247. Siehe auch Grabar 1958, Nr. 13 S. 29 mit Planche XXIV und XXV. Zur Staurothek Fieschi-Morgan siehe RBK Bd. 2, Sp. 102 f.; Katalog Köln 1984, S. 132 ff. mit Abb. 9 b; Katalog New York 1997, Nr. 34 S. 74 f. mit Abb. (T[homas] F. M[athews]) mit jüngerem zeitlichen Ansatz (Anf. 9. Jh.) der Staurothek.
  10. RDK Bd. 2, Sp. 280 (Hans Wentzel); Mütherich 1959, S. 72 f. mit Abb. 5 f.; Katalog Magdeburg 2001 Bd. 2, IV. 67 S. 284 f. (R[ainer] K[ahsnitz]). Zum Steinschnitt des Löwenkopfs auf dem Reliquiar siehe Wentzel 1959, S. 18 f.
  11. Kornbluth 1995, S. 62, 66; zur Freiburger Kreuzigung siehe auch Sauer 1926, S. 241–254.
  12. Kornbluth 1995, S. 68 f.
  13. Kornbluth 1995, S. 65. Sie merkt an, epigraphisch sei besonders „the letters’ irregular disposition“ hervorzuheben, die Unterschiede bis zu ihrer anderthalbfachen Höhe aufwiesen.
  14. So Baum 1954, S. 111 mit Fig. 56; Flemming/Lehmann/Schubert 1973, S. 247 mit Abb. 148; Flemming/Lehmann/ Schubert 1990, S. 247 mit Abb. 148. Siehe zu Theodulf von Orléans auch LexMA Bd. VIII, Sp. 647 f. Art. Theodulf (H[ans] Sauer).
  15. Vgl. Mütherich 1959, S. 72–74.; zu dem Notar Theodulf und Radbod von Trier siehe auch MGH Diplomata IV, Nr. 18, 49, 50, 60, 68, 70, 76; Kehr 1940, S. 35–38; Schieffer 1958, S. 117–119, 126, 128–131; Flemming/Lehmann/Schubert 1990, S. 247; vgl. zu Radbod von Trier LexMA Bd. VII, Sp. 386 (R[olf] Große).
  16. GEH, S. 86; MGH SS VI (Annalista Saxo), S. 31 zu 980; UBHH Bd. 1, Nr. 56 S. 42 f.; Vita Deoderici, S. 468; Braun 1907, S. 678; Boettcher 1913, S. 19 f.; Jäschke 1970, S. 153–158; Beumann 1990, S. 44–49.
  17. GEH, S. 116–122 mit einer Aufzählung von Reliquien; MGH SS XXIII (Chronicon Montis Sereni), S. 171; zur Kreuzzugsteilnahme Schmidt 1876, S. 29; Nebe 1880, S. 216–221; Schmidt 1886, S. 26 f.; Boettcher 1913, S. 92–95; Fritsch 1913, S. 102 f.; Andrea 1987, S. 22–54; Averkorn 1997, S. 20; Gatz 2001, S. 219 f. (Walter Zöllner). Die Silvesterreliquie könnte auf dem Rückweg Bischof Konrads, der über Rom führte, dort erworben worden sein.
  18. UBHH Bd. 1, Nr. 449 S. 401.
  19. GEH, S. 120 f. Auch hier wird die Aufzählung „et multe alie reliquie sanctorum martirum confessorum atque virginum quos enumerare longum esset“ beschlossen. Vgl. zur Bischofschronik Andrea 2000, S. 240–246; Grieme 2000, S. 185–196; Schlochtermeyer 1998, S. 82–102; Handschuh 1982, S. 12–24; Jäschke 1970, passim.
  20. UBHH Bd. 2, Nr. 962 S. 198; neben weiteren die der Kreuzauffindung (3. Mai), der Apostel Petrus und Paulus (29. Juni), Matthäus (21. September), Philipp und Jacob (1. Mai) sowie Johannes d. Täufers (24. Juni) sowie des Tages, an dem die Reliquien der Heiligen nach Halberstadt gebracht wurden (16. August).
  21. Katalog Braunschweig 1985 Bd. 2, Nr. 1051, 1052 S. 1212–1214 (M[ichael] Br[andt]); Kötzsche 1991, S. 46–48 mit Abb.; Katalog München 1991, Nr. 1 S. 52 mit Taf. 1 (Dietrich Kötzsche); Katalog Berlin 1992, Nr. 4 S. 44–47 mit Abb. (D[ietrich] K[ötzsche]); zu weitere Vergleichsstücken siehe Der heilige Schatz 2008, Nr. 22 S. 96 f. mit Abb. (Gia Toussaint).
  22. UBHH Bd. 1, Nr. 572 S. 507. Danach hatte Bischof Konrad dem Kloster Reliquien und liturgische Gewänder vermacht (vivens donavit et moriens reliquit). Zu Konrad von Urach und seiner Reise als päpstlicher Legat in Deutschland und besonders nach Halberstadt zwischen dem 18. und 31. August 1225 vgl. Neininger 1994, S. 241 f. und Regest Nr. 286 S. 452 f.
  23. UBHH Bd. 2, Nr. 995 S. 221; vgl. auch oben Anm. 8.

Nachweise

  1. Büsching 1819, S. 257 (C).
  2. Niemann 1824, S. 37 (C).
  3. Lucanus 1837, S. 9 (C).
  4. Elis 1857, S. 73 (C).
  5. Lucanus 1866, S. 44 (C).
  6. Nebe 1889/1890, S. 90.
  7. Zschiesche 1895, S. 158 (C).
  8. BKD, S. 274 (C).
  9. Doering 1927, S. 66 (C).
  10. RDK Bd. 2, Sp. 279 (Hans Wentzel) (C).
  11. Baum 1954, S. 111 (C).
  12. Mütherich 1959, S. 72 (C).
  13. Hinz 1964, S. 211 (C).
  14. Flemming 1982, S. 18 (A).
  15. Janke 2006, Nr. 3 S. 144–147 mit Abb. 40 und Taf. 3 (C).

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 1 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0000106.