Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 170 Dom, Neuer Kapitelsaal um 1510

Beschreibung

Altartafel, Domschatz Inv. Nr. 420; Holz, Tempera, leicht beschädigt und verschmutzt, in einem breiten, doppelt profilierten Rahmen. Stehend links Anna Selbdritt, Maria auf dem linken und das Jesuskind auf dem rechten Arm, rechts Maria Magdalena, ein Salbgefäß in Händen; auf den Nimben umlaufend gelb auf Rot aufgemalt der Titulus (A) bzw. die Bitte um Fürbitte (B).

Maße: H. ca. 218,5 cm, B. 140,5 cm, T. 4,5 cm, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Gunar Preuß) [1/2]

  1. A

    · SANCTA · ANNA · MATER · MARIAa)

  2. B

    · SANCTA MARIA · MAGDALENA · ORA PROb)

Übersetzung:

A: Die Heilige Anna, die Mutter Mariens (oder: Die heilige Mutter Anna, Maria). B: Heilige Maria Magdalena, bitte für (uns).

Kommentar

Die Schrift besticht durch klare, einfache, leicht gelängte Formen. Schaft-, Balken- und Bogenenden werden durch Serifen abgeschlossen, die meistens gerade verlaufen, selten nach innen durchgebogen sind. Einzige Ausnahme bildet die Cauda des R, die an ihrem Ende verbreitert erscheint. C ist flach gewölbt. Der Schaft des kapitalen D ist dünner ausgeführt als der Bogen. Der obere Balken des kapitalen E ist länger als die beiden gleich langen darunter. Das Bogenende der unzialen Form erscheint etwas verbreitert. L zeigt eine ausgewogene Proportionierung von Schaft und Balken. Die Seitenhasten des M sind schräggestellt, der Mittelteil bis auf die Grundlinie gezogen. Die Schräghaste des N ist dünner ausgeführt als die beiden Seitenhasten. O ist fast kreisrund, die linken oberen und rechten unteren Bogenabschnitte sind verstärkt, bilden jedoch keine exakte Schattenachse. Der breite langgestreckte Bogen des R endet dünn, mitunter ohne Berührung des Schafts, die Cauda ist am Bogen angesetzt und endet etwas verbreitert.

Die Tafel soll stilistisch der Werkstatt des Meisters der Halberstädter Kruzifixustafel entstammen, jedoch auch Übereinstimmungen mit dem sog. Sebastiansaltar zeigen.1) Sie könnte – trotz der Unterschiedlichkeit des Farbhintergrundes – gemeinsam mit einer Christophorustafel einen Altar im dritten Joch von Osten des nördlichen Seitenschiffs geschmückt haben, wie dessen Beschreibung von Büsching nahelegt, die durch ein Inventar des Oberdompredigers Grahn von 1811 bestätigt wird.2) Dafür sprechen auch die übereinstimmenden Schriftformen, ähnliche Inschriftenarten und annähernd gleiche Maße (vgl. Nr. 169).

Textkritischer Apparat

  1. MARIA] Sic! Wohl für MARIAE, so Gmelin.
  2. ORA PRO] Scriptura continua. Zu ergänzen NOBIS.

Anmerkungen

  1. Gmelin 1974, Kat. Nr. 129 S. 402 f. Vgl. auch Nr. 120, 121, 168.
  2. Büsching 1819, S. 253; Halberstadt, Domarchiv, Loc. III, Nr. 1, Bl. 39. Vgl. auch Nr. 169 Anm. 3.

Nachweise

  1. Gmelin 1974, Kat. Nr. 129 S. 403 f. mit Abb.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 170 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0017006.