Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 75: Halberstadt Dom (2009)
Nr. 122 Dom, Chor E. 15. Jh.
Beschreibung
Altartafel, Domschatz Inv. Nr. 413; im Chor im zweiten Joch von Osten an der nördlichen Chorschranke, ehemals im östlichsten Joch des südlichen Seitenschiffs,1) die vielleicht zugehörige Predella Kriegsverlust; Fichtenholz, Tempera, in einem Holzrahmen und durch eine weitere vertikale Leiste in der Art des Rahmens in der Mitte geteilt, sehr abgerieben und viele Fehlstellen, die 1937 eingetönt wurden, die Fassung des Rahmens modern.2) Links das Martyrium des hl. Johannes des Evangelisten in einem Wasserkessel vor einer Stadtarchitektur, rechts die Taufe Christi durch Johannes den Täufer in einer Flußlandschaft. Auf dem oberen Rahmen in aufgemalter Inschriftenleiste auf geweißter Grundierung in schwarzer Farbe aufgemalt die Tituli als Bildbeischriften (A, B).
Maße: H. 126 cm, B. 201 cm, T. 4 cm (einschließlich Rahmen), Bu. 4,8 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
- A
: sanctus . iohan(n)es . ewangilistaa) :
- B
: sanctus . iohan(n)es . baptista :
Übersetzung:
A: Der heilige Johannes der Evangelist. B: Der heilige Johannes der Täufer.
Textkritischer Apparat
- ewangilista] evangelista Büsching.
Anmerkungen
- Büsching 1819, S. 246 f.
- Gmelin 1974, Kat. Nr. 81 S. 298.
- Stange 1954, S. 128; Gmelin 1974 Kat. Nr. 81 S. 296 f. Vgl. zum hannoverschen Marktkirchenaltar auch DI 36 (Stadt Hannover), Nr. 30.
- Büsching 1819, S. 247; Busch 1943, S. 71.
- Gmelin 1974, Kat. Nr. 81 S. 298.
- GEH, S. 86.
- UBHH Bd. 3, Nr. 1971 S. 442 f., 2141 S. 257 f.; vgl. auch Bd. 2, Nr. 776 S. 80; Bd. 3, Nr. 2121 S. 246 f., 2436 S. 535 ff.; Bd. 4, Nr. 2835 S. 163, 3379 S. 371.
- „ad columpnam superioram ante chorum“; vgl. Schwarz 1994, S. 67 f. mit Anm. 284.
- LHASA Magdeburg, XVIIe Nr. 8 von 1491 VII 6; vgl. auch Schwarz 1994, S. 67 mit Anm. 284.
Nachweise
- Büsching 1819, S. 247.
- Stange 1954, Abb. 218.
- Gmelin 1974, Kat. Nr. 81 S. 296 mit Abb. 81.
Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 122 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0012200.
Kommentar
Die Schäfte mit kurzen Oberlängen enden z. T. als Quadrangel. Der linke Teil des oberen Bogens des a ist als Haarstrich ausgeführt. Der rechte Schaft endet in einem Quadrangel. Ein kleines dünnes Strichlein endet den oberen Bogenabschnitt des c, das in Verbindung mit t auch nach rechts umgeknickt werden kann. Es wirkt wie ein halbwegs verschriebenes e. Das c kommt auch mit waagerechtem oberem Bogenabschnitt vor. Die Schaftspitze des l ist tief gespalten. Der winzige Schaft des p endet fast spitz. Die gebrochenen Bögen des runden s werden durch einen geschwungenen Zierstrich abgeschlossen. Die Buchstaben s und t werden verbunden. Eine zweite Form des Schaft-s weist keine Verbindung zum t auf. Seine Spitze ist gespalten. Der Buchstabe wird nicht gebrochen, sondern geht in eine rundhakenförmige Krücke über. Das w besteht aus zwei seitenverkehrten v mit gemeinsamem Mittelschaft. Davon unterscheidet sich das u. Sein linker Schaft ist am unteren Ende nach rechts gebrochen und stellt mit einem dünnen Diagonalstrichlein die Verbindung zum rechten Schaft her. Als Worttrenner benutzte man auf die Grundlinie gesetzte Quadrangel.
Die Inschrift ist in die beiden letzten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts zu setzen, wie besonders die Schriftähnlichkeit mit den Bischofsnamen auf den Chorschranken (vgl. 115) zeigt. Damit stimmt der stilistische Befund überein. Stange und Gmelin datieren das Werk in die Zeit um 1480.3) Gmelin stellt es in einen Zusammenhang mit dem Marktkirchenaltar in Hannover, dem Euphemienaltar in Halberstadt (vgl. Nr. 106 (†)) sowie Fragmenten eines Altars in Langreder (Kreis Hannover). Die Tafel war ehemals mit einer Predella verbunden, die die zwölf Apostel zeigte und ebenfalls schon einmal mit dem hannoverschen Marktkirchenaltar in Verbindung gebracht worden war.4) Möglicherweise handelte es sich um die heute im Depot aufbewahrte Predella, Inv. Nr. 433 e. Die heute als zugehörig betrachtete,5) im Zweiten Weltkrieg verlorene Predella, Inv. Nr. 433 j, müßte demnach zu einem anderen Altar gehört haben und erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts in einen Zusammenhang mit der Johannestafel gebracht worden sein. Der Johannesaltar war 974 geweiht worden und befand sich zunächst im Norden des Oratoriums über der Krypta.6) Im Jahr 1317 existiert eine Vikarie St. Johannes Ev. und St. Katharina. 1325 werden zwei einzelne Altäre für die beiden Johannes angeführt.7) 1456 stiftet der Dompropst Ludolf Quirre anstelle des früheren Altars St. Johannes Evangelista am südwestlichen Vierungspfeiler, der – wie auch das angrenzende erste Joch des südlichen Seitenschiffs – heute noch sein Wappen trägt, also dort, wo sich die Johannestafel 1817 befand, einen Altar zu Ehren der Hl. Blasius, Johannes Evangelista, Katharina, Stephan und aller Heiligen.8) 1494 ließ der Vikar Johannes Gottingk von dem Hildesheimer Offizialen Johannes Blemer ein Transsumpt der Stiftungsurkunde herstellen.9) Um diese Zeit könnte auch die Altartafel entstanden sein.