Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 87 Dom, Nordportal um 1440

Beschreibung

Nordportal; Kalkstein, stark beschädigt, verschmutzt, Schriftverlust. Das spitzbogige Portal wird durch einen Pfosten und eine davorgestellte Säule mit zwei rudimentären Engeln als Trumeaufiguren geteilt. In dem aus fünf größeren und zwei kleineren Teilen unterschiedlich gefärbten, jedoch sämtlich ursprünglichen Steins zusammengesetzten Tympanon1) sind in Relief in zwei Ebenen Marientod und Aufnahme der Seele Marias dargestellt. Die untere Ebene zeigt Maria auf dem Totenbett, umstanden von sechs Aposteln, die jeweils durch Attribute und auf den Nimben umlaufende Tituli (A–F) gekennzeichnet sind; im Nimbus Mariä der Titulus (G), auf der Mantelschließe des Johannes ein Buchstabe (H). In der oberen Bildebene empfängt Christus – über einer von Engeln getragenen Baldachinarchitektur – in himmlischer Sphäre umgeben von musizierenden Engeln sowie zwei biblischen Patriarchen, Enoch und Elias,2) die in ihren Händen Spruchbänder mit dem Responsoriums- bzw. Versikelanfang (I, J) halten, Marias personifizierte Seele. Ein wenig tiefer stehen auf beiden Seiten jeweils drei Apostel, von denen nur drei eindeutig durch ihre Attribute bezeichnet sind.3) In den beiden Bogenläufen des von zwei Fialen flankierten, mit Kreuzblumen besetzten Portalgewändes Reste von Figuren, die vermutlich Könige, Patriarchen und Propheten des Alten Testamentes darstellen, von denen nur die beiden untersten der rechten äußeren Seite noch vollständig erhalten sind. Auf den Spruchbändern in ihren Händen – jeweils von links unten nach rechts unten der Archivolte folgend – die Antiphon- bzw. Responsorienanfänge (K–N, Q–T) außen und (U–X) innen sowie die unidentifizierbaren Inschriftenfragmente (O, P). Auf dem Reif der als Baldachin fungierenden Krone über der ersten Portalfigur des äußeren östlichen Bogenlaufs Buchstaben (Y). Am rechten unteren Rand des Tympanonreliefs, in Birett, Almutie und Chorrock gekleidet, die winzige Figur des betenden Stifters sowie, umschlossen von einem Spruchband mit der eingehauenen, linksläufig und in Spiegelschrift ausgeführten Anrufung (Z) ein den Kopf wendendes Einhorn, möglicherweise seine Wappenfigur. Aus der Portalspitze wächst als Baum des Lebens das seitlich mit Kreuzblumen besetzte Kreuz empor, in dessen Vierpaßenden die Evangelistensymbole zu sehen sind: oben das für Johannes, links für Markus, rechts für Lukas und unten das für Matthäus stehende mit den Tituli (AA–EE) auf Spruchbändern bzw. auf dem Nimbus des Matthäussymbols. Ein Corpus fehlt und die beiden für die Assistenzfiguren vorgesehenen Konsolen sind leer. Auf einem Schriftband unterhalb der obersten Kriechblumen zu beiden Seiten des oberen Kreuzesstammes der Kreuztitulus (FF). Zu beiden Seiten des Portals jeweils über einem Wasserschlag rundbogige, mittels Hohlkehlen profilierte, stark beschädigte Reliefs, die die Martyrien der Dompatrone zeigen. Das linke Relief mit Antiphonanfang (nach dem Bibelwort) als Bildbeischrift (GG) am unteren Rand zeigt den knienden Stephanus in Diakonstracht. Über ihm ist Gott als Halbfigur mit Kreuznimbus dargestellt. Auf einem zugehörigen Spruchband ein Wort des Augustinus als Titulus (HH). Hinter einem der Steiniger steht Paulus mit den Kleidern des Stephanus. Er wird durch den eingehauenen Titulus (II) auf einem Spruchband, das in ein darunterliegendes eingetieftes Feld gebettet ist, als Saulus bezeichnet. Ein Spruchband auf der gegenüberliegenden Seite unter Stephanus wurde nicht beschriftet. Auf dem Relief rechts – über dem Anfang einer Lectio (JJ) – kniet Sixtus vor einem Burgberg. Hinter ihm steht abgewendet der Henker mit dem Schwert in der Rechten; ein Brustbild in der rechten oberen Bildecke zeigt Gott mit Kreuznimbus und ein Spruchband, darauf das Inschriftenfragment (KK). Soweit nicht gesondert gekennzeichnet (Z, KK) sind die Inschriften erhaben ausgeführt.

Maße: H. ca. 12 m (gesamt), B. ca. 9 m (gesamt), Bu. 4,5 cm (A, J, M, T, U, W, Y, Z, II), 4,7 cm (B), 4,5–5 cm (C, D), 5–5,5 cm (E, HH), 5,5 cm (F, X), 5 cm (G), 3 cm (H), 1,7 cm (I), 4,8 cm (K), 4,7–5,4 cm (L), 5 cm (N, O), 6 cm (P), 4 cm (Q), 5,2 cm (R), 3,7 cm (S), 5,3 cm (V), nicht ermittelt (AA–FF), 11–13,5 cm (GG), 11–12 cm (JJ), 4–4,5 cm (KK).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal der gotischen Majuskel (JJ).

Klaus G. Beyer, Weimar [1/11]

  1. A

    · s(an)c(tu)s · ⟨....⟩busa)

  2. B

    sanctu⟨..⟩aulusb)

  3. C

    s(an)c(tu)s · iohannesc) ·

  4. D

    · s(an)c(tu)s · bartholomeusd)

  5. E

    · s(an)c(tu)s · petrvs ⟨...⟩se) ·

  6. F

    · s(an)c(tu)s ⟨ · ..... ⟩asf) ·

  7. G

    · sanctag) · maria ·

  8. H

    b

  9. I

    vidi · speciosam // · sicud · colu(m)ba(m)4)

  10. J

    · que · est · ista · que · ascen//dit p(er) des(er)tu(m) ·5)

  11. K

    sup(er)h) · salute(m) et // o(mn)em · pulch(ritudinem)i)6)

  12. L

    [– – –]o // beata · v(ir)go ·7)

  13. M

    ante // · thor[um]j)8)

  14. N

    leva // ei(us)k) · su[b capi]t(e)k)9)

  15. O

    v[.....]a[....]os(vs) a[.]a

  16. P

    a[......] // [.] · [....]10)

  17. Q

    [ue]nil) · i(n) ortu(m) // me(um)11)

  18. R

    svrge · amica · mea12)

  19. S

    su//rgem) · p(ro)pera // a(m)ica13)

  20. T

    [pulch]ra · esn) // et · decorao)14)

  21. U

    hec · e(st) · q(ue) · nesciuit · thoru(m)15)

  22. V

    elegitp) · eam · deus16)

  23. W

    pu//lchraq) · es · et · svav(is)17)

  24. X

    hancr) · de(us) · elegit · i(n) h(ab)itac(i)o(n)em s(uam)18)

  25. Y

    · a · a ·

  26. Z

    misere(re)s) · mei · deuss)

  27. AA

    s(anctus) // iohan(nes)t)

  28. BB

    s(anctus) · ma//rc(us)

  29. CC

    · s(anctus) · lu//cas

  30. DD

    sanctus · mateus

  31. EE

    sancte ewa(n)geliste

  32. FF

    i(hesus) n(azarenus) // r(ex) i(udeorum)19)

  33. GG

    d(omi)ne · ne · statvas · illis · h(o)c · pecca(tum)u)20)

  34. HH

    fiat · tibi · sicud · petisti21)

  35. II

    · savlvs ·

  36. JJ

    Beat(us) · sixt(us) · dixit · ego · sac(ri)ficov) · deow) · hostia(m)x) · pu(r)a(m)x)22)

  37. KK

    [....]p[.]g[..] · in · sac(ri)ficiu(m)y) · tvv(m) ·

Übersetzung:

A: Der heilige Jacobus. B: Der heilige Paulus. C: Der heilige Johannes. D: Der heilige Bartholomäus. E: Der heilige Petrus. F: Der heilige Andreas. G: Die heilige Maria. I: Ich habe eine Schöne gesehen wie eine Taube. J: Wer ist die, die durch die Wüste heraufsteigt. K: Über Gesundheit und alle Schönheit [habe ich die Weisheit lieb gehabt]. L: O heilige Jungfrau. M: Vor das Lager (i. S. v. Bett) [dieser Jungfrau]. N: Seine Linke [liegt] unter [meinem] Haupt. Q: Ich bin gekommen in meinen Garten. R: Erhebe dich, meine Freundin. S: Erhebe dich, eile [meine] Freundin. T: [Schön] bist du und reizend. U: Diese ist es, die kein Lager [der Sünde] kannte. V: Sie erwählte der Herr. W: Schön bist du und lieblich. X: Diese hat Gott [sich] zum Wohnsitz erwählt. Z: Gott erbarme dich meiner. AA: Der heilige Johan[nes]. BB: Der heilige Markus. CC: Der heilige Lukas. DD: Der heilige Matthäus. EE: Heiliger Evangelist. GG: Herr, wollest du jenen diese Sünde nicht anrechnen. HH: Es geschehe dir, wie du es erbeten hast. JJ: Der heilige Sixtus sagte: Ich bringe [mich] Gott als reines Opfer dar. KK: […] dein Opfer (?).

Heraldisches Symbol:
Barby?23)

Kommentar

Die erhabenen Minuskeln sind zumeist sehr sorgfältig und breitstrichig ausgeführt. Ihre Anbringungsweise verhinderte ausgeprägte Ober- und Unterlängen der Buchstaben. In den Nimbeninschriften wird rundes s mehrfach spiegelverkehrt gebildet wie auch die Inschrift Z insgesamt. Die sorgfältig ausgeführte Schrift weist nur schwach ausgeprägte Unter- und Oberlängen auf. Durchgehend finden sich an Balken- und Bogenenden von a, e, f, g, r und t angesetzte Zierstriche. Als Worttrenner verwendete man Quadrangel. Neben Kürzungsstrichen fanden hochgestellte Buchstaben, einmal auch hochgestelltes Quadrangel als Kürzungszeichen Verwendung.

Die stilistisch leicht unterschiedliche Gestaltung der farblich voneinander abweichenden Reliefplatten läßt auf die Herstellung durch zwei, vielleicht auch drei Meister derselben Werkstatt schließen, wie auch die verschiedenen Steinmetzzeichen nahelegen.1) Die Ikonographie des dargestellten Marientodes ist ungewöhnlich. Zwar findet sich eine horizontale Teilung des Bildfeldes verbunden mit szenischen Abfolgen von Dormitio, Grabtragung und Erhöhung (Krönung bzw. Inthronisation oder Transitus) Mariens in einigen französischen und deutschen Portaltympana,24) jedoch nicht die hier dargestellte Zweiteilung von Dormitio und Aufnahme der Marienseele durch Christus umgeben von den Himmlischen Heerscharen, die gewöhnlich die Marienkrönung begleiten. Sie kommt in ähnlicher Weise in Darstellungen der Ostkirche – dort auch die Stellung der Bahre Mariens – und einigen italienischen vor.25) Aus dem niedersächsischen Raum kennen wir sie in reduzierter Form aus einer Miniatur einer niedersächsischen Bildhandschrift des 13. Jahrhunderts und einer Wandmalerei aus der Mitte desselben Saeculums im Kloster Marienberg vor Helmstedt.26) Nicht eindeutig bestimmbar ist allerdings, ob im oberen Bildfeld die Aufnahme der Marienseele im Himmel dargestellt ist oder ob die Baldachinarchitektur von den beiden kleinen Engeln an ihren Seiten mitsamt Christus, der Marienseele und den beiden Propheten emporgetragen wird und somit der Transitus Mariae wiedergegeben ist. Für letztere Annahme sprechen die sechs etwas seitlich unterhalb der Baldachine postierten Apostel, die nach oben schauen. Dagegen läßt sich die Anwesenheit der beiden Propheten anführen. Ihre Darstellung, es handelt sich um Enoch und Elias, ist in diesem Zusammenhang überhaupt außergewöhnlich.

Die Baldachinarchitektur in der Bildmitte zeichnet Maria als Zentralfigur des unteren Bildstreifens aus und kennzeichnet durch ihre Erhöhung die in himmlischen Sphären befindlichen Figuren. Ihre Gewölbe sind mit naturalistisch wiedergegebenen Schlußsteinen und angedeuteten Gewölberippen versehen. Zusammen mit dem darunter angebrachten Sakramentshäuschen sind sie als Kirchenraum zu verstehen. Ekklesiologisch gedeutet versinnbildlicht hier die Kirchenabbreviatur des dreitürmigen Architekturaufbaus Maria Ecclesia als Fundament des Himmels.27) Symbolisiert wird die himmlische Kirche weiter durch die Apostel, die zugleich in zwar sakraler, jedoch irdischer Umgebung dem Tod Mariens beiwohnen und gleichzeitig die Aufnahme ihrer Seele in den Himmel bezeugen, sowie durch die musizierenden Engelchöre und die in den Archivolten abgebildeten biblischen Könige, Propheten und Patriarchen. Letztere halten in ihren Händen Spruchbänder mit Texten der Antiphonen, Responsorien und Versus, die während des officium divinum am Fest Assumptio Mariae zu singen bzw. zu lesen waren.28) Die beiden Trumeaufiguren, Engel, auf deren Knien vermutlich das während des Stundengebetes verwendete Antiphonale ruhte, bebildern zusätzlich diesen Zusammenhang. Als Märtyrer sind die Hauptpatrone des Doms, die in den beiden seitlich des Portals angebrachten Reliefs dargestellt sind, in die Deutung einzubeziehen. Sie alle bilden den lebendigen Leib der Kirche, den auch das über dem Portalbogen sich erhebende Kreuz als Baum des Lebens mit den Evangelistensymbolen in den Kreuzenden versinnbildlicht.29)

Besonders die Verwendung der beim eucharistischen Opfer zum Gedächtnis des Herrn während des Gebetes Unde et memores gesprochenen Worte hostiam puram zur Kennzeichung der Nachahmung des Opfers Christi durch den Märtyrer Sixtus betont das Kreuz als Mittelpunkt der Heilsgeschichte.30) Die durch Maria personifizierte Ecclesia ist zugleich Mater und Sponsa Christi, wie die Brautsymbolik der liturgischen Texte anzeigt, die sich aus Bibeltexten um das Hohelied speisen.31) Gemeinsam mit den nicht abgebildeten heiligen Bekennern, Mönchen, Eremiten und Jungfrauen werden die Patriarchen und Propheten im Eingangsgebet der Commendatio animae, die zu den Sterberiten der katholischen Kirche gehört, beim Aufbruch der Seele aus der irdischen Welt in das Himmlische Jerusalem angerufen.32) Namentlich werden auch in einem weiteren zugehörigen Gebet, Suscipe Domine, die neben Christus dargestellten, vom irdischen Tode befreiten Propheten Enoch und Elias genannt.33) In der unteren Bildebene des Tympanons wird der von der Commendatio animae begleitete Augenblick, in dem die Sterbende ihr Leben aushaucht, verbunden mit der Aufbahrung Mariens dargestellt.34) Der zu den liturgischen Handlungen während der Exequien notwendigen Gerätschaften, die sie ursprünglich wohl in Händen hielten, wurden die sechs dargestellten Apostel – bis auf die Kerze in der Linken des Johannes – vermutlich während eines späten Bildersturmes im Dreißigjährigen Kriege beraubt, der auch die Könige, Patriarchen und Propheten in der Archivolte ihre Köpfe kostete.35)

Die Verbindung der Darstellung von Mariae Himmelfahrt einschließlich der Texte ihrer Festliturgie mit der Commendatio animae in Text und Bild als Beispiel guten Sterbens darf auch als eine Bitte zur Fürbitte aller Heiligen, besonders aber Mariens als erhabenster Fürsprecherin, aufgefaßt werden. Sie werden im Schlußgebet der Commendatio animae angerufen, die Dahingeschiedenen Christus zur Aufnahme in den Himmel anzuempfehlen.36) Eine Funktion des Nordportals war, als Eingang für die verstorbenen Domherren, Vicare und übrigen Kirchenangehörigen zu dienen. Durch dieses wurden sie zur Aufbahrung in den Dom gebracht, den sie nach den Exequien durch die sogenannte Totentür an der Südseite des Kirchenschiffs wieder verließen, um im Kreuzgang bzw. -garten begraben zu werden.37) Eine Bitte um Fürbitte leistet der Stifter des Portales durch seine Abbildung perenniter. Die Anbringung der Anrufung (Z) in Spiegelschrift auf dem Spruchband, das er in seinen betenden Händen hält, macht deutlich, daß sie an Christus, Maria und die Heiligen gerichtet ist und nicht von Menschen zu lesen war.

Faßt man das von dem Spruchband – wie vom Haag eines Hortus conclusus – umschlossene Einhorn nicht allein im Zusammenhang mit der Mariensymbolik auf, wo es mit Christus gleichgesetzt wird, auf den sich auch die Anrufung des Stifters bezieht,38) sondern auch als Wappenfigur des Stifters, so ist dieser wohl mit dem Domherrn Johannes von Barby zu identifizieren. Er wurde schon 1410 mit einem Kanonikat in Halberstadt providiert und ist als Halberstädter Domherr zwischen 1426 und 1438 nachweisbar.39) Er war Propst von Walbeck, und auch um die Halberstädter Dompropstei scheint er sich, wenn auch vergeblich, bemüht zu haben.40) Schon seit 1405 Magdeburger Domkanoniker wird er dort später Domkantor und schließlich 1439 zum Domdekan gewählt. Er starb 1445. Obwohl sie ein ähnliches Wappenbild führten, kommen die mit den Barby verwandten Domherren Balduin von dem Knesebeck (1466–1473),41) den zuerst Elis und in der Folge Hermes nannten, oder Werner Jansmann II. (1468–1481)42) als Stifter eher nicht in Frage, weil man die architekturhistorisch datierte Fertigstellung des nördlichen Querhauses um 1440 weit vor beider Wirkungszeit ansetzen muß.43)

Liegt in der Art und Aufstellung der Bahre Mariens eine motivische Nähe zu der über einhundert Jahre älteren Darstellung des Marientodes im Tympanon der Braunschweiger Martinikirche vor,44) so scheint sich ikonographisch – nicht stilistisch – ein Nachhall böhmischen Einflusses bemerkbar zu machen. Mehrfach wurde auf böhmischen Tafelbildern der Marientod in einem Kirchenraum dargestellt.45)

Textkritischer Apparat

  1. sanctus ⟨....⟩bus] Der Name ist durch Ergänzung der nicht ausgeführten Buchstaben zu iacobus zu ergänzen.
  2. sanctu⟨..⟩aulus] Der vorletzte Buchstabe des ersten und der zweite Buchstabe des zweiten Wortes fragmentarisch, der letzte spiegelverkehrt. Der Name ist durch Ergänzung der nicht ausgeführten Buchstaben zu paulus zu ergänzen.
  3. sanctus iohannes] Der letzte Buchstabe spiegelverkehrt.
  4. sanctus bartholomeus] Die beiden ersten s spiegelverkehrt, der erste Schaft des m fragmentiert.
  5. sanctus petrvs] Die ersten drei s spiegelverkehrt. Vermutlich lautete der zerstörte Buchstabenbestand des letzten Wortes apls und ist zu apostolus aufzulösen.
  6. sanctus ⟨.....⟩as] Das a spiegelverkehrt. Die nicht ausgeführten Buchstaben sind zu andreas zu ergänzen.
  7. sancta] Das s spiegelverkehrt.
  8. super] Das s ist beschädigt.
  9. pulchritudinem] Das Wort durch ein hochgestelltes Quadrangel gekürzt.
  10. thorum] Das r beschädigt.
  11. eius-capite] Sämtliche Buchstaben bzw. Zeichen beschädigt.
  12. veni] Lesung unsicher.
  13. surge] Das e beschädigt.
  14. es] Das s beschädigt.
  15. decora] Die ersten vier Buchstaben des Wortes beschädigt.
  16. elegit] Das g beschädigt.
  17. pulchra] Das p beschädigt.
  18. hanc] Ein Kürzungszeichen für das Wort fehlt.
  19. miserere … deus] Die eingehauene Inschrift spiegelverkehrt, Kürzungszeichen fehlt.
  20. iohannes] Ein Kürzungszeichen für das Wort fehlt.
  21. peccatum] Ein Kürzungszeichen für das Wort fehlt.
  22. sacrifico] Die ersten beiden Buchstaben des Wortes beschädigt. Kürzungszeichen ein hochgestelltes Quadrangel.
  23. deo] Die beiden ersten Buchstaben beschädigt.
  24. hostiam puram] Die beiden Worte ohne Kürzungszeichen.
  25. sacrificium tuum] Der erste und der vierte Buchstabe der eingetieften Inschrift beschädigt.

Anmerkungen

  1. Die einzelnen Platten des Tympanons sind sämtlich mittelalterlich, wie auch aus den an vielen Teilen von Tympanon und Archivolte vorkommenden übereinstimmenden drei Steinmetzzeichen hervorgeht. Vgl. Anhang Taf. LXXXII, Nr. 2 a, 2 b, 3, 4 a, 4 b. In ihrem Zusammenhang stellen sie vermutlich das Ergebnis eines Planwechsels dar. Es ist anzunehmen, daß die seitlichen Maßwerkeinfassungen der unteren beiden Platten zunächst auf der mittleren oberen, die ursprünglich vielleicht eine durchgehende war, weitergeführt wurden. Sie ließ so keinen Platz für die dort jetzt postierten sechs Apostel. Der Planwechsel mag also ikonographisch, vielleicht auch theologisch-philosophisch, z. B. wegen eines nicht genehmen alten Bildprogramms, oder technisch, etwa durch einen Bruch der oberen Platte, begründet gewesen sein. Es war jedenfalls notwendig geworden, die mittlere obere Platte an den Seiten nach oben hin abzuarbeiten und die beiderseits davon einzufügenden Zwickelplatten mit anderem, schmalerem und zusätzlich gekehltem Profil zu versehen. Dabei fügte man in die rechte Seitenplatte, möglicherweise aus der ursprünglichen Platte, zwei Engel ein, die sowohl in ihrer Plazierung als auch in der Größe leicht von ihren Pendants gegenüber abweichen. Eine Ergänzung der Tituli der zu den beiden unteren Platten gehören den unteren Apostelreihe wurde auf den Bogenteilen der Nimben, die zum unteren Rand der oberen seitlichen Platten zu rechnen sind, nicht vorgenommen; vgl. auch Giesau 1929, S. 32. Lucanus 1837, S. 5 hält die drei Platten aus hellerem Stein für eine im 14. Jh. (!) entstandene Ergänzung, wie er aus unterschiedlicher Schrift und Technik erkennen will. Hermes 1896, S. 38 nimmt an, daß der Domherr Balduin von dem Knesebeck um 1466 eine ursprüngliche linke Hälfte ergänzt habe. Stilistisch scheinen die untere linke Platte und die beiden Einfügungen der seitlichen rechten Platte des Tympanons einer, die übrigen Reliefs einer anderen Hand anzugehören. Die Archivolte weist wie die Teile des Kreuzes Merkmale beider Hände oder noch einer dritten auf.
  2. Nicht Moses und Elias wie Elis 1883, S. 47; Hermes 1896, S. 37 meinen.
  3. Rechts: Matthäus oder Matthias mit Beil und Buch, Judas Thaddäus mit Keule. Der in dieser Dreiergruppe stehende unbezeichnete Apostel könnte, als zu Judas gehörend, Simon Zelotes sein. Links: Jakob d. Jüngere mit Walkerstange; die unbezeichneten Apostel der linken Seite müssen dann Philippus, wegen seiner Nähe zu Jakobus d. Jüngeren, und als letzter Thomas sein.
  4. Vgl. das Responsorium CAO Vol. IV, Nr. 7878 (vielleicht nach Ct 2,13 und 5,12).
  5. Vgl. den darauf folgenden Versikel CAO Vol. IV, Nr. 7878 (vgl. auch Ct 3,6; ähnlich Ct 8,5); Legenda aurea Bd. 2, S. 783.
  6. Vgl. das Responsorium CAO Vol. IV, Nr. 7726 (vgl. auch Sap 7,10).
  7. Vielleicht nach dem Responsorium „Beata es Virgo“; vgl. CAO Vol. III, Nr. 6165–6165ter.
  8. Vgl. die Antiphon CAO Vol. IV, Nr. 1438 (vgl. auch Sap 3,13).
  9. Vgl. die Antiphon zum Evangelium CAO Vol. III, Nr. 3574 (vgl. auch Ct 8,3).
  10. Vielleicht die Antiphon „Adiuvabit eam deus vultu suo“, die ebenfalls an vielen Marienfesten gesungen wurde; vgl. CAO Vol. III, Nr. 1282 (vgl. auch PsG 45,6 „Adiuvabit eam deus mane diluculo“).
  11. Vgl. Antiphon CAO Vol. III, Nr. 5325 (vgl. auch Ct 5,1). Die hyperkorrekte Schreibweise nur CAO Vol. I, Nr. 106 d, S. 289.
  12. Vgl. Antiphon „Iam hiems transiit“ CAO Vol. III, Nr. 3470 (vgl. auch Ct 2,13).
  13. Nicht ermittelt. Ähnlich Anm. 12 (vgl. auch Ct 2,10).
  14. Vgl. die Antiphon CAO Vol. III, Nr. 4418 (vgl. auch Ct 7,6).
  15. Vgl. die Antiphon CAO Vol. III, Nr. 3001 (vgl. auch Sap 3,13); Legenda aurea Bd. 2, S. 782.
  16. Vgl. den Versikel CAO IV, Nr. 8046 (vgl. auch PsG 131,13).
  17. Vgl. die Antiphon „Pulchra es, amica mea, et suavis“ CAO Vol. III, Nr. 4417 (vgl. auch Ct 6,3).
  18. Textvorlage nicht ermittelt. Ähnlich Anm. 16. Das Responsorium zu diesem Versikel lautet: „Et habitare eam facit in tabernaculo suo“; vgl. auch PsG 131,13.
  19. Io 19, 19.
  20. Vgl. Breviarium Halberstadense 1515, fol. XXXIXv: „Positis autem genubus clamabat voce magna dicens stephanus domine iesu ne statuas illis hoc peccatum“; CAO Vol. III, Nr. 4317, 4320; nach Act 7,59.
  21. Augustinus, Sermo 77; vgl. PL 38, Sp. 487.
  22. Vgl. Breviarium Halberstadense 1515, fol. LXVIr, LXVIIr: „Beatus sixtus dixit. Ego semper sacrificaui et sacrifico deo patri omnipotenti et domino iesu christo filio eius et spiritui sancto hostiam puram sanctam et immaculatam.“
  23. Ein steigendes, wiedersehendes Einhorn. Vgl. die abweichende Wappenfigur Siebmacher BraA, S. 6 mit Taf. 2.
  24. Vgl. Schiller Bd. 4, 2, S. 107–111 mit Abb. 625–639.
  25. Vgl. Schiller Bd. 4, 2, S. 92–95 mit Abb. 587–593; S. 131–133 mit Abb. 664, 682–685.
  26. Vgl. Kroos 1964, S. 89–95 mit Abb. 14 und S. 80. Zu weiteren Beispielen der Dormitio mit der Aufnahme der Marienseele aus handschriftlicher Überlieferung vgl. Schiller Bd. 4, 2, S. 95–107 mit Abb. 597–613 bes. 609 und 613.
  27. Nach Bandmann 1951, S. 65 ff., 73, 98. Vgl. auch LCI Bd. 2, Sp. 514–529 bes. 519 f. (G[ünter] Bandmann); LCI Bd. 3, Sp. 194 ([Gregor] M[artin] Lechner); Schiller Bd. 4, 2, S. 114.
  28. Vgl. auch Marienlexikon Bd. 6, S. 440 und oben, Anm. 4–19.
  29. Vgl. auch LCI Bd. 1, Sp. 260–264 (J[ohanna] Flemming); ebd., Sp. 563 f. (W[olfgang] Greisenegger) zur Verbindung von Ecclesia und Lebensbaum.
  30. Vgl. Missale Romanum 1862, S. 263; Thalhofer/Eisenhofer 1912, S. 186 f.
  31. Vgl. Schiller Bd. 4, 2, S. 114 und oben, Anm. 4–19.
  32. Vgl. Breviarium Romanum 1791, Pars autumnalis, S. ccii f.
  33. Vgl. ebd., S. ccii. Sie gelten als Typen der Himmelfahrt Christi und als Zeugen des Weltgerichts, vgl. LCI Bd. 1, Sp. 645 (N[icolete] Gray). Nach der Legenda aurea, die hier auf dem apokryphen Nikodemusevangelium fußt, sind beide vom Tod verschont geblieben und ins Paradies versetzt worden, wo sie der Ankunft des Antichristen harren, den sie bekämpfen und dem sie unterliegen sollen, um nach dreieinhalb Tagen wieder aufzuerstehen und erneut gen Himmel zu fahren; vgl. Legenda aurea Bd. 1, S. 368; Schneemelcher 1990, Bd. 1, S. 417.
  34. Vgl. Gougaud 1935, S. 19 f., 21 f.; vgl. auch Marienlexikon Bd. 6, S. 441.
  35. Mit den Köpfen besonders der Archivoltenfiguren und den fehlenden liturgischen Geräten in Händen der Apostel fehlen genau die Attribute, die während der Bilderstürme betroffen waren. Über einen Bildersturm in Halberstadt berichten die Quellen nichts. Während der verschiedenen Eroberungen durch schwedische Truppen etwa 1632 oder 1643 könnten solche Beschädigungen, vielleicht auch durch Halberstädter Bürger verursacht, geschehen sein. Vgl. z. B. den Bericht über Zerstörungen, d H 1823, S. 244–256. Zur Sterbekerze siehe Kretzenbacher 1999.
  36. Vgl. Breviarium Romanum 1791, Pars autumnalis, S. ccii f.
  37. Vgl. Fitz 2003, S. 432. Die Totenmesse wurde am Kreuzaltar gehalten; vgl. LHASA Magdeburg, Rep U 5, XVII f Nr. 68 von 1432 X 9. Die Totentüre zum Kreuzgang lag gegenüber dem Altar Peter und Paul; vgl. LHASA Magdeburg, Rep. U 5, XVIIe Nr. 19 a von 1490 VIII 6 und ebd., Nr. 50 von 1507 X 21.
  38. Vgl. Einhorn 1976, S. 194–215, 356–381 bes. 194; mit Rücksicht auf die Halberstädtischen Einhorndarstellungen S. 322 Nr. 177 AB (und S. 455 Nr. 854) doppelt aufgenommen; ebd., S. 374 Nr. 399 mit rückwärtsgewandtem Kopf; S. 387 Nr. 449 8 (vgl. Nr. 137). In Verbindung mit der marianischen Antiphon Rorate celi desuper in einer Verkündigungsszene des Mondseer Antiphonars von 1460; ebd., S. 358 Nr. 315. Vgl. auch LCI Bd. 1, Sp. 590–92 (A[ndreas] Vizkelety). Die in der linken unteren Platte des Tympanons benutzte Symbolik – Kleeblätter als Zeichen der Dreifaltigkeit und der unter der Bahre der Maria ruhende Hund, das Sinnbild der Treue – findet sich auch an der Statue der hl. Katharina im Chorumgang; vgl. Nr. 89; Behling 1964, S. 110; LCI Bd. 2, Sp. 334 ff. (P[eter] Gerlach).
  39. Vgl. RG III, Sp. 123; Lünig, Spicilegium ecclesiasticum Nr. XVIIb, S. 39 f. von 1426 II 17; LHASA Magdeburg, Rep. U 5 XVII d Nr. 7 von 1438 XII 21. Vgl. zum Folgenden und zu Johannes von Barby allg. GS Magdeburg Bd. 1, 1, S. 359 f.
  40. Vgl. RG V, Nr. 1758, 6051, 7268, 9152.
  41. Vgl. LHASA Magdeburg, Rep. U 5 XVII f Nr. 35 (f) von 1466 IV 9 und Nr. 64 von 1473 V 27. Siehe auch RG VIII, 1, S. 55 f. Nr. 342. Elis 1883, S. 46; Hermes 1896, S. 38.
  42. Vgl. LHASA Magdeburg, Rep. U 5 XVII f Nr. 179 von 1468 VI 29; ebd., Rep. U 8 a Quenstedt Nr. 6 von 1481 XII 3. Siehe auch RG VIII, 1, S. 808 Nr. 5782. Vgl. zu Werner Jansmann II. auch Rother 2000.
  43. Vgl. Flemming/Lehmann/Schubert 1990, S. 50; Elis 1883, S. 46; Giesau 1929, S. 32.
  44. Vgl. Katalog Braunschweig 1985 Bd. 2, Nr. 1073 S. 1234 f. mit Abb. R[oswitha] N[eu-]K[ock]); s. a. Schiller 1980, Abb. 679 (linker unterer Tympanonteil) und Nr. 686, S. 133–135.
  45. Vgl. Schiller Bd. 4, 2, S. 134 mit Abb. 690, S. 137 mit Abb. 692.

Nachweise

  1. Scheffer 1864, S. 3 mit Nachzeichnungen 1–3 (GG, II, JJ).
  2. Kirchenkalender 1865, S. 10 (GG, HH, II, JJ).
  3. Hermes 1896, S. 38 (GG, HH, JJ), Abb. S. 37.
  4. Hinz 1964, S. 38 (GG), Abb. S. 39.
  5. Abb. Giesau 1929, S. 100.
  6. Abb. Flemming/Lehmann/Schubert 1990 Abb. 11–13.
  7. Abb. Findeisen 1996, S. 43.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 87 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0008706.