Inschriftenkatalog: Enzkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 22: Inschriften Enzkreis (1983)

Nr. 351 Diefenbach (Gem. Sternenfels), ev. Pfarrkirche 1621

Beschreibung

Bauinschrift an der Rundsäule der Westempore. Roter Sandstein, farbig gefaßt, Kapitell weißer Marmor. Fuß der Säule mit Rollwerk umgeben. Inschrift A auf dem Schaft, Inschrift B im Rollwerk. Schrift rot ausgezogen. Unter Inschrift A Jahreszahl, Wappenschild mit Jahreszahl, Steinmetzzeichen nr. 20 und Monogramm.

Maße: H. (der Säule) 240, Dm. (unten) 97, Bu. 3,4–4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    ALS DISE KIRCH / ERBAVEN WAR RE/GIERENDER HERR / IOHAN FRIDERICH / HERZOG ZV WIRTEM(BERG) / ABBT ZV MAVLBRON / MELCH(IOR) VOLZ(IVS) VOGT / VND VERWALTERR / DASELBS IOHAN EBERH(ARD) / HERBST VND MICHAEL FINCK(IVS) AVCH PFARHERR / ZV DIEFFENB(ACH) M(AGISTER) DIO/NYSIVS BINDER / 1621 /MG Stz. nr. 20 1621

  2. B

    AB SIT AB HOC/TEMPLO SI QVIS VVLT ADD/ERE CHRISTI SALVI[FI]CO / VERBO VEL QVOQ(VE) DETRA/HERE. ABST(R)AH(ER)IT AVT(EM) S/I ALIQVIS QVID POENA/ MANEBIT TALIS EVM / QVALEM PAGINA SACRA REFERT // AVRES ADDE TVAS / VERBO TE SVBSTRA/HE PRAVO SI QVAEDAM GAVD[ES] ADD[ERE ET ABST]/RAHERE

Übersetzung:

Fern bleibe von diesem Tempel, wenn jemand dem heilbringenden Wort Christi etwas zufügen oder auch wegnehmen will. Wenn aber jemand etwas wegnimmt, wird ihn eine Strafe erwarten, wie sie die Heilige Schrift berichtet. Deine Ohren füge hinzu (widme sie dem Wort der Schrift), und entziehe dich bösen Worten, falls es dir Freude macht, irgendetwas hinzuzufügen oder wegzunehmen.

Kommentar

Inschrift A (die Bauinschrift in engerem Sinne) nennt als Veranlasser des Kirchenbaues den Herzog Johann Friedrich von Württemberg (1608–28), den Abt Melchior Volz1 und die beiden weltlichen Maulbronner Klosterpfleger Johann Eberhard Herbst und Michael Finck2, außerdem den Diefenbacher Pfarrer Dionysius Binder3. Die Diefenbacher Kirche war dem Kloster Maulbronn inkorporiert4. Inschrift B (Distichen) ist ohne Rücksicht auf Wort oder Verszusammenhang auf der Vorder- und der Rückseite des Säulenfußes eingemeißelt; da auch kaum Worttrennungen eingehalten werden und Kürzungszeichen nicht berücksichtigt sind, macht das Verständnis gewisse Schwierigkeiten. Die Kapitalis ist gut proportioniert; für Q ist konsequent C gesetzt. Da der Steinmetz mit dem deutschen Text problemlos zurechtkam, dürfte ihm die lateinische Vorlage (von Abt Melchior Volz, vielleicht in Schreibschrift?) schwer verständlich gewesen sein. Das Wortspiel mit den Komposita von trahere (ausgehend von Apoc. 22, 18–19) wird mit einiger Sicherheit auf den gelehrten Maulbronner Abt zurückgehen.

Steinmetzzeichen und Monogramm MG könnten mit Melchior Gockheler (Goeckeler) aus Schorndorf in Verbindung gebracht werden. Er war 1618 unter Schickhardt am Bau der Göppinger Schloßkirche beteiligt5. Der Neubau der Diefenbacher Kirche 1621 ist ebenfalls ein Bau von Heinrich Schickhardt6. Gockhelers Zeichen in Cannstatt und Göppingen weicht zwar von dem hier nachgewiesenen ab, andererseits sind Variationen von Steinmetzzeichen häufig zu beobachten. Wenn die Beteiligung Gockhelers am Bau der Diefenbacher Kirche zutrifft, wäre von hier aus die Verbindung nach Maulbronn und die spätere Ausführung des Grabsteines von Melchior Volz leicht zu erklären.

Anmerkungen

  1. Vgl. seinen Grabstein in Maulbronn aus dem Jahre 1625 nr. 361 mit Steinmetzzeichen und Monogramm MG.
  2. Vgl. Pfeilsticker 2605 und 3453 (Herbst bzw. Finck).
  3. Dionysius Binder war von 1619 bis zu seinem Tod 1625 Pfarrer in Diefenbach.
  4. Das Maulbronner Wappen mit Jahreszahl 1621 findet sich an der Außenseite der Kirche über dem Portal, dabei wieder das Stz. nr. 20. Es war früher innen in der Ostwand der Kirche eingelassen.
  5. Vgl. F. Abele, Melchior Gockheler 1576–1636, in: Heimatbuch für Schorndorf und Umgebung Bd. 4 (1961) 63–73.
  6. J. Baum, Werke des Baumeisters Heinrich Schickhardt, in: WürttVjh. NF. 15 (1906) 154f. – Schahl, Neckarschwaben 150. – Dehio-Piel 164 und 429. – Fleischhauer, Renaissance 360.

Nachweise

  1. Baum a. a. O. 155 (nur B).

Zitierhinweis:
DI 22, Inschriften Enzkreis, Nr. 351 (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di022h008k0035105.