Inschriftenkatalog: Enzkreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 22: Inschriften Enzkreis (1983)
Nr. 168 Mühlacker, Heimatmuseum (Kelter) 1514
Beschreibung
Holzbrett mit Inschrift, wohl ursprünglich zur Vertäfelung eines Innenraums gehörig. Heute im 2. Obergeschoß über der Tür zum Treppenhaus eingelassen. Die Herkunft ist nicht mehr bekannt. Flachschnitzerei in porösem Holz (Kiefer, Fichte?), vertiefte Stellen ausgebrannt. An den Seiten ausgebrochen und beschädigt, Holz rissig.
Maße: H. ca. 30, B. ca. 400, Bu. ca. 4–5 cm.
Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.
SI / VIS OM/NIA / TIBI / SVBIICERE / SVBIICE / TE RACI/O/NI / MVLTOS ENIM / REXE/RIS SI RACI/O TE REXE/RIT / HEC SENECA / ANNO DOMINI MD / XIIII /1)
Übersetzung:
Willst du dir alles unterwerfen, so unterwirf dich der Vernunft. Viele nämlich wirst du leiten, wenn die Vernunft dich leitet.
Anmerkungen
Zitierhinweis:
DI 22, Inschriften Enzkreis, Nr. 168 (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di022h008k0016800.
Kommentar
Das (leicht abgewandelte) Zitat aus den Briefen Senecas spricht gegen die Herkunft der Vertäfelung aus einem sakralen Raum, man wird eher an die Ausstattung eines weltlichen Gebäudes denken müssen. Die ehemalige Burg Dürrmenz kommt als Standort nicht in Betracht; sie war bereits im 15. Jahrhundert in den Besitz des Klosters Maulbronn übergegangen und dem Verfall preisgegeben2.
Die Schrift ist auf einem vielfach verschlungenen und gefältelten Band eingekerbt, das wiederum in sich mit einer Blütenranke verflochten ist. Die Ausführung der Buchstaben zeigt sehr starke Verwandtschaft zu der geschnitzten Sakristeitür-Inschrift im benachbarten Mühlhausen und wiederum auch mit einer Maulbronner Inschrift an der Pfisterei des Klosters aus dem Jahre 15213. Durchgängig steht hier rundbauchiges E, N hat einmal eine Ausbuchtung im Querbalken. Die Trennungszeichen entsprechen genau denen der Inschrift in Mühlhausen. Besonders bemerkenswert erscheint hier die frühe Verwendung einer Kapitalschrift – wenn auch noch nicht in ihrer klassischen Form –, die dem Inhalt der Inschrift entspricht, der humanistisches Gedankengut wiedergibt4.
Die sehr ähnliche Ausführung aller drei Schriften und ihre zeitliche Nähe (1514, 1521 und 1526) machen es wahrscheinlich, daß sie in der gleichen Werkstatt hergestellt wurden. Denkbar wäre es, daß die Vertäfelung ursprünglich in einem Raum des Klosters Maulbronn angebracht war.