Inschriftenkatalog: Enzkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 22: Inschriften Enzkreis (1983)

Nr. 148 Tiefenbronn, kath. Pfarrkirche um 1500

Beschreibung

Turmmonstranz aus Weißsilber im Kirchenschatz. Die Monstranz ist aus Sicherheitsgründen in einem Tresor untergebracht und nur von einer Schauseite her sichtbar, daher erfolgt die Aufnahme und Beschreibung nach Literatur und Lichtbildern. Die Monstranz ist dreiteilig: Ständer mit Fuß und Schaft, Aufsatz mit zylindrischem Schaugefäß, Bekrönung. Die Dekoration ist graviert, getrieben und gegossen. Das Bildprogramm umfaßt insgesamt 49 Figuren. Unmittelbar unter dem Allerheiligsten liegt vorn auf dem umlaufenden Sockel das Agnus Dei, links flankiert von Stier und Adler, rechts von Engel und Löwe. Die vier geflügelten Evangelistensymbole tragen Spruchbänder mit gravierten Inschriften.

Maße: H. (Monstranz) 110,5, Bu. 0,3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. ·S·LVCAS· ·S·IOHANNE· ·S·MATEVS· ·S·MARCVS·

Auf dem Kruzifix der Titulus

  1. I N R I

Kommentar

Die Schrift ist flächig graviert mit deutlicher Ausbauchung an den Enden der Hasten und an den Rundungen (C, O, S).

Nach dem Bericht des Speyerer Visitationsprotokolls von 1683 ist die Monstranz eine Stiftung eines Eichstätter Bischofs aus dem Geschlecht der Gemmingen1. Direkte Beziehungen zu Tiefenbronn (Linie Gemmingen-Hagenschieß) hatte nur der Eichstätter Bischof Johann Conrad von Gemmingen, ein Sohn Dietrichs IX. und der Leia (Lia) von Schellenberg2. Er wurde 1595 Fürstbischof von Eichstätt; um 1600 muß die Schenkung der Monstranz an seine Heimatgemeinde Tiefenbronn erfolgt sein. Sie wurde dort in einem eigens errichteten freistehenden Sakramentshäuschen aufbewahrt3. Nach stilkritischen Untersuchungen wird für die Monstranz eine Augsburger Werkstatt (Jörg Seld) in Anspruch genommen, nach dem ikonographischen Programm ihre ursprüngliche Bestimmung für eine Kirche des Dominikanerordens wahrscheinlich gemacht4. Die Augsburger Dominikanerkirche wurde 1513/15 neu erbaut; bereits 1534 aber mußten die Augsburger Dominikaner im Zuge der Reformation Kloster und Stadt verlassen. Möglicherweise wurde damals die Monstranz mit dem Domschatz nach Dillingen geflüchtet. Die Tiefenbronner Linie der Gemmingen war mit Augsburg durch Johann Otto, einen Sohn des Hans Dietrich von Gemmingen und der Magdalena Muntprat von Spiegelberg verbunden; er war seit 1560 Angehöriger des Augsburger Domkapitels, seit 1580 Domdekan; in diesem Amt folgte ihm sein Vetter Johann Conrad nach, als Johann Otto 1591 zum Bischof von Augsburg gewählt wurde5. Johann Conrad hatte sicherlich während seiner Zeit als Domdekan in Augsburg die Möglichkeit, aus den herrenlosen Kirchenschätzen Augsburgs den einen oder anderen Gegenstand käuflich an sich zu bringen. Die Verschleuderung von Kirchenschätzen in der Reformation läßt sich auch anderorts belegen6. Für die Munifizenz der Gemmingen-Vettern gegenüber ihren Heimatkirchen zeugt eine Schenkung des Johann Otto an die Kirche Mühlhausen von 1000 Gulden7.

Anmerkungen

  1. GLAKarlsruhe, Prot. Slg. Nr. 61/11 264, 2 T. p. 19–23.
  2. Vgl. die nrr. 227, 253.
  3. Weber a. a. O. 13f. weist nach, daß das Sakramentshäuschen mit Sicherheit nicht spätgotisch ist, sondern um 1600 errichtet und in seinen Maßen auf die Monstranz eigens abgestimmt wurde (Abbildung ebd. 4).
  4. Weber a. a. O. 48ff., 33.
  5. F. Zoepfl, Geschichte des Bistums Augsburg und seiner Bischöfe Bd. II München u. Augsburg 1969, S. 697ff.
  6. Weber a. a. O. 71 Anm. 72.
  7. KdmBaden IX 7, 140. – Zoepfl a. a. O. 727. – Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß die Schenkung der Monstranz durch Johann Conrad von Gemmingen nach Tiefenbronn in das gleiche Jahr 1594 zu setzen ist wie die Geldschenkung des Johann Otto von Gemmingen nach Mühlhausen: beide waren damals noch in Augsburg, Johann Conrad aber bereits zum Koadjutor des Bistums Eichstätt erwählt.

Nachweise

  1. I. Weber, Die Tiefenbronner Monstranz u. ihr künstlerischer Umkreis, in: Anzeiger des Germ. Nationalmuseums 1966, S. 7–87.
  2. KdmBaden IX 7, 239ff.
  3. J. M. Fritz, Goldschmiedekunst der Gotik in Mitteleuropa. München 1982, 286 u. Abb. 726.

Zitierhinweis:
DI 22, Inschriften Enzkreis, Nr. 148 (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di022h008k0014808.