Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 64: Querfurt (2006)
Nr. 36 Querfurt, ev. Pfarramt 3. V. 15. Jh.
Beschreibung
Kelch, Silber, gegossen, getrieben, graviert, vergoldet. Die becherförmige Kuppa sitzt auf einem runden Schaft, auf dem sich ober- und unterhalb des Nodus die konturiert eingravierten Gebete (A) und (C) vor einem gitterartig schraffierten Hintergrund abheben. Die Wörter werden durch senkrechte Bänder getrennt, die teils aus angedeuteten Sternblüten bestehen, teils von schmalen Stegen umwunden sind. Der flache Knauf ist spiegelbildlich mit getriebenen, mehrfach durchbrochenen Zungen versehen und seitlich mit applizierten Margeritenblüten verziert. Dazwischen sitzen sechs rautenförmige Rotuli, die je einen erhabenen Buchstaben der Anrufung (B) aufweisen. Die hier fehlende Hintergrundschraffur deutet auf eine verlorene Emaillierung. Der flache, sich in acht Pässe gliedernde Fuß steigt erst im inneren Drittel steil und kegelförmig an. Auf einem Segment befindet sich die Gravur eines Tatzenkreuzes. Um die rechtwinklig auf dem relativ breiten Stehrand aufsitzende Zarge verläuft zwischen Stegen und Kehlungen ein Fries aus vorgeblendetem Dornengeflecht.
Maße: H.: 18 cm; Dm.: 9,7 cm; Bu.: 0,8 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
- A
ihesvs //a) vb) //c) help //c)
- B
i//h//e//s//v//s
- C
aved) //c) mariae) //f) gr(acia) //g)1)
Übersetzung:
Sei gegrüßt, Maria, (voll) der Gnade (C).
Textkritischer Apparat
- Senkrechtes Band, das ein schmaler Steg scheinbar in vier linksschrägen Windungen umschlingt.
- v] So statt o (?).
- Senkrechtes Band aus drei übereinandergesetzten quadratischen Sternblüten.
- ave] Über dem e der Kopf einer Niete.
- maria] Unter dem ersten a der Kopf einer Niete.
- Senkrechtes Band, das ein schmaler Steg scheinbar in zwei linksschrägen Windungen umschlingt. Oben der Kopf einer Niete.
- Senkrechtes Band aus zwei übereinandergesetzten quadratischen Sternblüten; in der unteren der Kopf einer Niete.
Anmerkungen
- Beginn des Ave Maria; vgl. z. B. CAO 3, 1968, 64 Nr. 10539.
- Vgl. zum h Nr. 37; ganz ähnlich am Kelch von ca. 1450 in Kohlhaussen 1968, S. 187 Nr. 267 (Abb. 302–304).
- Vgl. hinsichtlich der Muster die Kelche Nr. 93 und 96 (1500) in Goldschmiedekunst 2001, S. 297, 302. S. a. DI 7 (Stadt Naumburg) 1960, Nr. 194; die Reliquienkapsel aus der Braunschweiger Paulinerkirche in Spies 2, 1996, S. 26 (Abb. 73–76).
- Vgl. bezüglich des g den Kelch Nr. 87 (1463) in Goldschmiedekunst 2001, S. 286f.; den Leislauer Kelch (Burgenlandkreis) in DI 9 (Lkr. Naumburg) 1965, Nr. 391. Vgl. dieselbe Verzierung auf anderen Inschriftenträgern, z. B. auf der bronzenen Wappentafel vom Grab des Bischofs Johannes Bose (1463) in DI 11 (Merseburg) 1968, Nr. 24; auf der Altenbergaer Glocke von 1447 (Lkr. Jena) in DI 39 (Lkr. Jena) 1995, Nr. 37; auf einem kupfernen Altärchen von 1420 in Kohlhaussen 1968, S. 133f. Nr. 221 (Abb. 225); auf der Reliquienkapsel aus der Braunschweiger Paulinerkirche in Spies 2, 1996, S. 26 (Abb. 73–76); DI 12 (Heidelberg) 1970, Nr. 113; DI 16 (Rhein-Neckar-Kr.) 1977, Nr. 44; DI 47 (Böblingen) 1999, Nr. 79.
Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 36 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0003600.
Kommentar
Die sehr einheitlich gestalteten Konturschriften weisen die typischen Zierelemente der Gotischen Minuskel auf. Die quadrangelförmige Fahne des r ist mit einem unten angesetzten und hakenförmig nach rechts gekrümmten Zierstrich ausgestattet. Der Balken des e ist zu einem steil rechtsschräg verlaufenden Strich reduziert, der unten ebenfalls nach rechts umgebogen ist. Der Schaft des h ist oben rechtsschräg abgeschnitten und mit beiderseits nach außen eingerollten Sporen besetzt; der untere Teil des Bogens läuft unterhalb der Grundlinie in einem Zierhaken aus.2) Dem oberen Schaftabschnitt des g entspringt ein kurzer, scheinbar durchsteckter Balken, der eine dünne, schaftparallele und an den Enden umgebogene Zierlinie trägt. Ähnlich ist der Bogen des p unten scheinbar durch den Schaft gesteckt.
Anhand einiger Zierformen, wie z. B. der quadratischen Sternblüten und der applizierten Blüten am Knauf, läßt sich der Kelch grob in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts einordnen.3) Innerhalb dieser Zeitspanne spricht jedoch der schaftparallele Zierstrich am g für eine möglichst frühe Ansetzung.4)