Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 223 Nemsdorf (Gem. Nemsdorf-Göhrendorf), ev. Pfarramt 1649

Beschreibung

Kelch, Silber, gegossen, getrieben, graviert, vergoldet. In den oberen Bereich der annähernd glockenförmigen Kuppa ist zeilenweise die Stiftungsinschrift (A) eingraviert, die mitunter in Kontur wiedergegeben wurde. Zwischen dem Beginn und dem Ende der ersten Zeile sind knapp unter dem Lippenrand als Beschauzeichen ein tartschenförmiger Wappenschild (Stadt Halle)1) und daneben die Meistermarke CF eingepunzt, deren Abdruck jedoch nur zur Hälfte wahrnehmbar ist. Der polygonale Schaft hält in der Mitte einen äußerst flachen und seitlich mit rautenförmigen Rotuln besetzten Nodus, dessen Ober- und Unterseite durch je sechs getriebene und von tiefen Kehlungen umrandete Zungen untergliedert sind. Unterhalb des schmalen, steil abfallenden Anlaufs fächert sich der Fuß zu einem flachen Sechspaß auf. Den Rand begleitet eine einzelne gravierte Linie, die zwischen den Pässen spitzovale Blattmuster ausbildet. Die Übergänge zwischen den Kelchbestandteilen sind am Schaft durch umlaufende, mehrfach abgetreppte Stegbündel verblendet. Auf einem Segment des Stehrandes finden sich nochmals der eingepunzte Wappenschild und die Meistermarke CF nebeneinander. Auf der Unterseite des Fußes sind im Kreis und wiederum teilweise in Halbkontur die Künstlersignatur und die Gewichtsangabe (B) eingraviert. Jeder Paß weist dabei oberhalb seines Textabschnittes einen gepunzten Punkt auf.

Maße: H.: 20,5 cm; Dm.: 15 cm2); Bu.: 0,6 cm (A), 0,4 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis (A), Kapitalis mit einem einzelnen Minuskelbuchstaben (B).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/3]

  1. A

    ANTHONIVS · VON · DER · HEIDE · SEINES · ALTERS · 78a) · IAHR / VEREHRET · DIESEN · KELCH · DER · KIRCHEN · NEMBSDORF · / ZVM · FREVNDLICHEN GEDÄCHTNV̈S · IM · IAHR CHRISTI · 1 · 6 · 4 9 ·

  2. B

    CHRIStIANSb) SCHMIT HAT DIESEN KELCH GESCHAFTc) WICHT 39 LOHT

Kommentar

Die Buchstaben sind qualitätvoll und regelmäßig ausgeführt. Die Versalien wurden fast immer 0,2 cm größer wiedergegeben. Die Sporen sind an Schäften und Balken geradlinig, hingegen an den Bogenenden leicht gekrümmt. Der Mittelteil des geraden M ist auf die obere Zeilenhälfte begrenzt, das O spitzoval und die Cauda des R stachelförmig. Die Konturfelder sind teilweise mit einer vertikalen oder linksschrägen Schraffur versehen; bei D blieben sie frei. Als Worttrenner dienen einfache Punkte in Zeilenmitte.

Nachdem der frühere Kelch 1631 von kaiserlichen Soldaten geraubt worden war, stiftete Antonius von der Heide, Gerichtsschöppe3) und Schneider von Nemsdorf, im Jahre 1639 unter Zeugen 60 Gulden zur Beschaffung eines Ersatzes.4) Da man das neue Gefäß erst nach seinem am 30. März 1649 erfolgten Tod5) erwarb, wird es sich hierbei um eine testamentarische Verfügung gehandelt haben, die der Stifter am 27. November 1639 nochmals bestätigte.6) Zum Pfingstfest des Jahres 1653 wurde dieser Kelch dann erstmals gereicht.4) Anthonius von der Heide hatte kurz vor seinem Tode am 2. Mai 1647 noch einmal geheiratet, war aber ohne Nachkommen geblieben.7) Damals schloß er im Alter von 76 Jahren die Ehe mit Margaretha, der Witwe des Leinwebers Glorius Müller.

Ein Zeitzer Goldschmied namens Christian Schmi(d)t ist durch seine Signatur auf einem Kelch von 1688, einer Kanne und Hostiendose von 1723 sowie einer Patene von 1673 nachweisbar.8) Da die Spanne seiner handwerklichen Tätigkeit unter der Annahme einer Meisteridentität mindestens 74 Jahre betrüge, wird für den Nemsdorfer Kelch ein anderer Goldschmied anzunehmen sein. Das Beschauzeichen des Gefäßes deutet zudem darauf hin, daß dieser seine Werkstatt in Halle hatte.

Textkritischer Apparat

  1. 78] Der Balken der 7 stark rechtsschräg gestellt.
  2. CHRIStIANS] So für CHRIStIAN. Das obere Schaftende des t mit einem rechtsschrägen Anstrich.
  3. GESCHAFT] Unterbrechung des Wortes nach der ersten Silbe durch eine Naht zwischen zwei Pässen.

Anmerkungen

  1. Vgl. Rosenberg 2, 1923, S. 126, Nr. 2303; Siebmacher 1/4, 1885, S. 77, Taf. 110.
  2. Dm. des Fußes; Dm. der Kuppa: 11,3 cm.
  3. Vgl. PfA Nemsdorf, Kb. 1, Nemsdorf/Göhrendorf, S. 177. Für 1636 wird Antonius von der Heide als Kurator eines von der Witwe Agneta Wölbeling verkauften Grundstückes genannt, vgl. PfA Nemsdorf, Neuß 1939/48, S. 100. Sein Vater war von 1569 bis 1584 Schulmeister im Dorf, vgl. Webel 1708, S. 18. Ein Verwandter läßt sich auch in Gatterstädt nachweisen, vgl. PfA Gatterstädt, Kb. 1, o. S., Eintrag im Taufregister vom 10. 8. 1577. Zum Schöffenamt vgl. HRG 4, 1990, Sp. 1463 ff. (Lit.).
  4. Vgl. Webel 1708, S. 11; Kdm. (Querfurt) 1909, S. 177; PfA Nemsdorf, Neuß 1939/48, S. 129.
  5. Vgl. PfA Nemsdorf, Kb. 1, Nemsdorf/Göhrendorf, S. 134.
  6. Vgl. PfA Nemsdorf, Neuß 1939/48, S. 129.
  7. Vgl. PfA Nemsdorf, Kb. 1, Nemsdorf/Göhrendorf, S. 177.
  8. Vgl. Rosenberg 3, 1925, S. 386 Nr. 4956; ThB 30, 1936, S. 136.

Nachweise

  1. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 177.
  2. PfA Nemsdorf, Neuß 1939/48, S. 130.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 223 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0022303.