Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 170 Schnellroda (Gem. Albersroda), ev. Kirche und Lindenstr. 4 1609

Beschreibung

Taufstein, Sandstein. Nachdem er zu unbestimmter Zeit zerlegt wurde, befinden sich das ursprüngliche Becken und ihr Untersatz gegenwärtig als Bestandteile eines notdürftig zusammengesetzten Ersatztaufsteins in der Kirche (I). Ein Abschnitt des alten Schaftes wird im Grundstück Lindenstr. 4 aufbewahrt (II).

I. Das sechseckige Taufbecken steht heute auf einer runden, behelfsweise angefertigten Betonsäule in der südwestlichen Ecke des Kirchenschiffes. Den oberen Rand bildet ein dicker, vorkragender Wulst, unter dem das eingemeißelte Bibelzitat (A) die senkrechten Seitenflächen umläuft. Der ehemalige Beckenuntersatz fungiert derzeit als Fuß.

Maße: H.: 92,5 cm; B.: 72 cm; Bu.: 3,5 cm.

Schriftart(en): Fraktur, Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/5]

  1. A

    Last die kind/lin zu mir kom/e(n) vnd weret ih/ne(n) nicht, den sol/cher ist d(as) reich / Gottes.1) MAR.a) /b) 10.

II. Das ebenfalls sechseckige Schaftstück wurde innerhalb der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts bei Schachtarbeiten im Dorf aufgefunden und steht heute im Garten des bezeichneten Grundstücks.2) Ober- und Unterkante werden durch vorkragende Wulst- oder Vierkantprofile unterschiedlicher Größe begrenzt, die teilweise stark beschädigt sind. In der Mitte der oberen Schnittfläche befindet sich eine Bohrung, die offensichtlich den Splint eines aufgesetzten Werkstückes hielt. Drei der Schaftseiten zeigen Verzierungen, während die jeweils dazwischenliegenden unbearbeitet blieben. Eine Fläche ist mit der Jahresangabe (B) versehen, die zweite trägt einen reliefierten Schild mit der abgekürzten Wappenbeischrift (C). Die dritte gibt zwischen zwei Initialen (D) ein erhabenes, wappenbildähnliches Symbol3) ohne Schild wieder. Alle Buchstaben und Ziffern wurden eingemeißelt.

Maße: H.: 39 cm; B.: 31,5 cm; Bu.: 3–5 cm.

Schriftart(en): Humanistische Minuskel (B, C), Humanistische Minuskel oder Kapitalis (D).

  1. B

    A(nn)oc) / 1609d)

  2. C

    B(ernhard) v(on) K(anneworff)e)

  3. D

    D(ionysius) //f) R(ielman)g)

 
Wappen:
Kannewurf.4)

Die Frakturversalien in (A) sind in Schwellzüge aufgelöst; den Schaft des L begleiten außerdem dünne Zierlinien. Das G und das k haben eine starke Ähnlichkeit mit den entsprechenden Buchstaben in der Bauinschrift der Schnellrodaer Kirche von 1609.5) Unter den Kapitalisbuchstaben ist das M gerade ausgeführt, wobei der Mittelteil auf die obere Zeilenhälfte beschränkt bleibt. Das R verfügt über eine geschwungene und weit unter die Grundlinie gezogene Cauda. Dieses charakteristische Merkmal läßt sich genauso in Inschrift (D) beobachten. Da außerdem in (C) zur Abkürzung des Namens die gleichen Quadrangel auf der Grundlinie verwendet wurden und das Taufbecken überdies den Ansatz eines sechseckigen Schaftes erkennen läßt, kann es an der Zusammengehörigkeit beider Teilstücke keinen Zweifel geben.6) Der unbekannte Steinmetz, von dem vermutlich auch die oben erwähnte Bauinschrift5) stammt, soll hier vorläufig den Notnamen „Schnellrodaer Steinmetz“ erhalten.7)

In Anbetracht der Wappen bzw. Symbole und Nameninschriften auf dem Schaft handelt es sich bei dem Taufstein um eine Stiftung Bernhards von Kannewurf und Dionysius Rühlmanns in die 1609 erneuerte Kirche.5)

Textkritischer Apparat

  1. MAR.] Buchstaben in Kapitalis. Lies: MAR(CI) o. ä.
  2. Zeilenumbruch innerhalb desselben Beckenfeldes.
  3. A(nn)o] Der Kürzungsstrich über dem o leicht geschwungen.
  4. 1609] Der Schaft der 1 hat keinen Anstrich und ist unten nach links gekrümmt; die Bögen der 6 und 9 sind nicht ganz geschlossen.
  5. B(ernhard) v(on) K(anneworff)] Abkürzungen durch Quadrangel auf Grundlinie. Auflösung nach Wappen und Bauinschrift von 1609, vgl. Nr. 169.
  6. Obere Blüte der wappenbildähnlichen Figur, vgl. Anm. 3.
  7. D(ionysius) // R(ielman)] Ohne Kürzungszeichen. Auflösung nach Bauinschrift von 1609, vgl. Nr. 169.

Anmerkungen

  1. Mk 10, 14. Vgl. an Parallelen für die häufige Verwendung dieses Bibelzitats auf Taufsteinen Nr. 142, 146; DI 9 (Lkr. Naumburg) 1965, Nr. 507, 530; DI 39 (Lkr. Jena) 1995, Nr. 338; Mathies 1998, S. 264.
  2. Ich danke Herrn Hartmut Augustin, Schnellroda, für diese Information.
  3. Eine aus einem pfeildurchbohrten Herzen wachsende Blume mit drei Blüten, vgl. Fig./Stz./M. 25.
  4. Vgl. Siebmacher 6/6, 1884, S. 82, Taf. 52. Hier linksgewendet.
  5. Vgl. Nr. 169.
  6. Diese Schlußfolgerung bestätigen die etwa gleich breiten Seiten des Sechsecks und des Schaftansatzes am Becken (ca. 18–20 cm), allerdings dürfte wohl noch ein weiteres Schaftstück fehlen.
  7. Vgl. Einl. Kap. 5. 5. 1. Sehr ähnlich sind die Buchstaben auch auf dem Epitaph für Georg von Geusau ausgebildet, vgl. Nr. 158. In Anbetracht der gleich qualitätvollen Fraktur ist nicht auszuschließen, daß der „Schnellrodaer Steinmetz“ mit dem sog. „Kinderbildner“ identisch ist, doch reicht für eine solche Zuweisung die Menge an vergleichbaren Lettern nicht aus.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 170 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0017007.