Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 169 Schnellroda (Gem. Albersroda), ev. Kirche 1609

Beschreibung

Schrifttafel, Sandstein. An der äußeren Nordseite des Kirchenschiffes ist über dem Eselsrücken-Bogen des westlichen Portals nahe am Turm eine Platte in das Mauerwerk eingelassen, die sich hier nicht in situ befinden kann. Darauf ist unter einer profilierten oberen Rahmenleiste eine zeilenweise eingemeißelte Bauinschrift zu erkennen, die bereits stark verwittert ist.

Maße: H.: 38 cm; B.: 82 cm; Bu.: 3 cm.

Schriftart(en): Fraktur, Humanistische Minuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/1]

  1. A(nn)oa) 1609.b) Jstc) diesed) kirche abgeriszen / vnd erweitert worde(n), die bawher(n)e) / seint gewesen der Edle G(estreng)f) vnd E(rnvest)g) Ber(n)/hard v(on) Kanneworff v(n)d Dionysiush) / Rielma(n)i) Kirchvater Magn(us) Hartma(n)

Kommentar

Die Versalien sind in ihre Bestandteile aufgelöst, die über schwach ausgeprägte Bogenschwellungen bzw. Schwellzüge verfügen, aber keinerlei begleitende Zierlinien aufweisen. Das G mit seinem unteren querovalen Bogen und das k haben eine starke Ähnlichkeit zu den gleichen Buchstaben in der Inschrift am Taufbecken der Kirche.1) Auch die Datierung A(nn)o 1609, deren Lettern hier in Humanistischer Minuskel erscheinen, wurde auf dem Schaft des Taufbeckens in nahezu identischen Buchstaben- und Ziffernformen wiedergegeben.2) Dabei ist insbesondere auf den leicht geschwungenen Kürzungsstrich zu verweisen. Vermutlich stammen alle drei Inschriften von ein und demselben Steinmetz, der hier vorläufig als „Schnellrodaer Steinmetz“ bezeichnet werden soll.3)

Um die baulichen Veränderungen von 1609 sicher benennen zu können, reichen die vorliegenden Informationen nicht aus. Da der Chor über Spitzbogenfenster, eine Piscine und eine Sakramentsnische mit Kielbogen verfügt, schlußfolgert Naumann, daß sich Abriß und Erweiterung nur auf die westlichen Teile, also auf einen Teil des Schiffes und den Turm habe erstrecken können.4) Dagegen steht jedoch die Tatsache, daß die Schallöcher im Glockengeschoß noch romanische Säulen mit Würfelkapitellen aufweisen. Insofern liegt wohl die Annahme näher, daß Piscine und Sakramentsnische wiederverwendet wurden und statt des Turmes der Chor mitsamt dem langgestreckten Schiff aus dem Jahre 1609 stammt.5) Ähnliche Spitzbogenfenster finden sich auch im 1612 errichteten Chor der Kirche zu Esperstedt, so daß ihre spätgotische Form dieser Entstehungszeit nicht widerspricht.6) Von der damaligen Situation ist jedoch nicht viel geblieben. Nach der Zerstörung von 1638 hatte man das Gotteshaus bis 1651 erneut instand setzen müssen.7) 1720 wurde die Gruft angelegt, und schließlich erfolgte 1792 wiederum eine Renovierung, bei der „Alles aus und inwendig eingerissen wurde“.7) Wann die Bauinschrift an ihren derzeitigen Ort versetzt worden ist, bleibt ungewiß.

Erneut sind es Angehörige der Familien von Kannewurf und Rühlmann, die in Schnellroda inschriftlich genannt werden.8) Anlaß war hier wiederum die finanzielle Absicherung des Kirchenumbaus.9) Bernhard von Kannewurf ließ sich bisher nur noch in einer weiteren Inschrift nachweisen.10) Dionysius Rühlmann hingegen ist mit Nisius Rühlmann zu identifizieren, der in der Einwohnerliste der Gemeinde Albersroda von 1589 erscheint.11) Auch die Abkürzung DO RI auf dem Schnellrodaer Opferstock dürfte für ihn stehen.12) Im ältesten Kirchenbuch läßt er sich mehrmals als Taufpate nachweisen.13) Mit seiner Frau Maria hatte er zumindest einen Sohn namens Johannes und eine Tochter.14)

Magnus Hartman war als Kirchvater für die Verwaltung des Kirchenvermögens und damit auch für die Betreuung der Baufinanzierung verantwortlich.15) Die Schnellrodaer Einwohnerliste von 1621 nennt einige seiner Familienangehörigen.16) Die verwitwete Ehefrau Prisca verstarb am 9. April 1636.17)

Textkritischer Apparat

  1. A(nn)o] Ad Augustin. In Humanistischer Minuskel ausgeführt.
  2. 1609] Der Schaft der 1 ohne Anstrich und unten nach links umgebogen, die 0 spitzoval.
  3. Jst] Der Schaft des J in Form einer 3 geschwungen.
  4. diese] die Naumann.
  5. bawher(n)] Abkürzung durch Doppelpunkt und Kürzungsstrich.
  6. G(estreng)] Kürzung durch Punkt auf der Grundlinie. Fehlt bei Naumann.
  7. E(rnvest)] Der Buchstabe nur noch schwach, ein Kürzungszeichen nicht mehr erkennbar. Veste Naumann.
  8. Dionysius] Gemeinde .... Naumann.
  9. Rielma(n)] Richma(n) Kdm.

Anmerkungen

  1. Vgl. Nr. 170.
  2. Vgl. ebd.
  3. Vgl. Einl. Kap. 5. 5. 1.
  4. Vgl. Naumann 1881, S. 45, hier die Himmelsrichtungen vertauscht.
  5. Vgl. dazu auch Dehio 1999, S. 762.
  6. Vgl. zur Baudatierung Nr. 175.
  7. Vgl. Naumann 1881, S. 46 f.
  8. Vgl. Nr. 64, 92, 139, 145, 170.
  9. Vgl. die Inschrift zum älteren Kirchenbau in Nr. 64.
  10. Vgl. Nr. 170. Zur Genealogie derer von Kannewurf vgl. Adelslexikon 6, 1987, S. 116; NaDAL 5, 1864, S. 21 f.; GGT Uradel 8, 1907, S. 347 f.
  11. Vgl. Augustin 1989, S. 12.
  12. Vgl. Nr. 145.
  13. Vgl. PfA Schnellroda, Kb. 1, Tl. 1, S. 2, 23.
  14. Vgl. PfA Schnellroda, Kb. 1, Tl. 1, S. 10, 12, 15, 20.
  15. Zur Verwaltung des Niederkirchenvermögens und die Amtsbezeichnung „Kirchvater“ vgl. Schröcker 1934, S. 189.
  16. Vgl. Augustin 1989, S. 30.
  17. Vgl. PfA Schnellroda, Kb. 1, Tl. 2, fol. 4v.

Nachweise

  1. Naumann 1881, S. 45.
  2. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 269.
  3. Augustin 1989, S. 35.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 169 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0016901.