Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 158 Farnstädt, ev. Kirche (St. Johannes und Paul) 1603

Beschreibung

Epitaph des Georg von Geusau, Sandstein. Die hochrechteckige Platte wurde an der nordöstlichen Innenseite des Chorpolygons, links unterhalb des dort befindlichen Fensters aufrecht in die Wand eingelassen. Im Zentrum ist eine von angedeuteten Pilastern flankierte Rundbogennische eingetieft, die das Bild des verstorbenen Kindes im Halbrelief wiedergibt. Der Knabe hat die Hände vor der Brust zusammengelegt und hält darin einen Blumenstrauß.1) Den Leib bedeckt ein langes Ärmelgewand, den Kopf eine eng anliegende Kappe, und den Hals umgibt eine kleine Krause. Zu seiner Rechten steht in kleinerer Ausführung auf einem Hügel der nackte Jesusknabe. Er hat das rechte Bein schreitend angewinkelt, trägt auf der Schulter das Siegeskreuz und in der Rechten den Kelch. Unter dem Scheitel der Bogennische ist eine Wolke angedeutet, in der in erhaben gehauenen Lettern der hebräische Gottesname erscheint (A). Die beiden Bogenzwickel oberhalb der durch Diamantquader markierten Kämpferzonen sind mit je einem reliefierten Vollwappen ausgefüllt. Darunter setzt sich auf beiden Pilastern die zehnteilige Ahnenprobe durch je vier weitere Wappenschilde fort, wobei über jedem Schild der Name des wappenführenden Geschlechtes eingemeißelt ist (B–K). Der Sockel ist mit einer von Rollwerk umgebenen Schrifttafel versehen, auf der in erhabenen Lettern der Sterbevermerk zu lesen ist (L). Der teilweise überputzte Unterhang hält in der Mitte eine beschädigte, von zwei Voluten flankierte Rollwerkkartusche, in die das nur noch zum Teil erhaltene Bibelzitat (M) eingemeißelt wurde.

Maße: H.: ca. 146 cm; B.: 63 cm; Bu.: 2,1 cm (A), 1,5–2,4 cm (B–K), 2,8 cm (L), 2,2 cm (M).

Schriftart(en): Kapitalis (B–K), Fraktur und Kapitalis (L), Fraktur (M).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/2]

  1. A

    ‎‏ִיהוָה‏‎ a)

  2. B, C GEV//SSAW.b) ESCH//WEIGb) 
    D, E TROYF. MVNSTE
    F, G GREVSE(N)· BENEBERG 
    H, I  SCHAVROT HERDA  
    J, K WITZLEB(EN) HU(N)DESHAV(SEN) 
  3. L

    ANNO: 1603.c) den 30d) JULII · / ist GEORGE, GEORGEN von / Geusaw erster Sohn geborn / getaufft vnd selig vorschieden ·

  4. M

    Wie viel ihrer ge=/taufft s[in]d die h[.... / – – –]e)2)

Wappen:
Geusau3) Eschwege4)
Troyff5)Münster6)
Greussen7) Boineburg8)
Schauroth9)Herda10)
Witzleben11)Hundelshausen12).

Kommentar

Die Kapitalis ist durch Linksschrägen- und Bogenverstärkungen gekennzeichnet. Ihre Buchstaben werden von deutlichen Sporen begrenzt, und ihre Versalien sind fast immer um ein Viertel größer als die Gemeinen ausgeführt. Zu den erwähnenswerten Schriftmerkmalen zählen die geschwungene, zum Teil weit ausgestellte und bis unter die Grundlinie geführte Cauda des R, die eingestellte Cauda des G sowie die Verwendung von U statt V. Die Mittelbalken an E und F sind stark verkürzt, der untere Balken am E indes verlängert. Der Mittelteil des geraden M endet in der oberen Zeilenhälfte. Die Versalien der äußerst qualitätvollen Fraktur sind durch Kontra-Schleifen besonders hervorgehoben. Die vereinzelten Worttrenner bzw. Interpunktionszeichen wurden stets als Quadrangel ausgeführt, die zwischen Zeilenmitte und Grundlinie liegen.

Die knappe Aussage des Sterbevermerkes wird durch das Tauf- und Sterberegister des Kirchenbuches bestätigt.13) Der gleichnamige Vater des Kindes war ein Sohn Levins von Geusau und der Anna von Troyff.14) Er hatte am 17. 11. 1600 seine erste Ehe mit Veronica von Eschwege geschlossen, die bis zu ihrem Tod im Jahre 1636 sechs Söhne und vier Töchter zur Welt brachte.15) Dazu zählte neben dem hier bezeugten Kind auch ein jüngerer Bruder Georg, geb. am 17. 8. 1613, der 1643 in Schraplau von kaiserlichen Soldaten erstochen und gemeinsam mit seinem am Neujahrsabend desselben Jahres verschiedenen Vater begraben wurde.16)

Bergner weist diese Steinmetzarbeit einem namentlich nicht bekannten Meister unter dem Pseudonym „Kinderbildner“ zu, von dem sich weitere Werke u. a. in Freyburg und Nebra erhalten haben.17)

Textkritischer Apparat

  1. ‎‏ִיהוָה‏‎] Lies: יְחוָׂח. Der Gottesname (Jehova/Jahwe) ist gemeint.
  2. Unterbrechung des Namens durch die von unten hineinragende Helmzier.
  3. 1603.] Der Schaft der 1 ohne Anstrich, unten gespalten und der linke Teil unter die Grundlinie gezogen. Die kreisförmige 0 ist nur halb so groß, die 3 spitz.
  4. 30] Dieselben Ziffernformen wie unter Anm. c beschrieben.
  5. Ergänze nach Gal 3, 27 zu: Wie viel ihrer ge=/taufft s[in]d die h[aben / Christum angezogen].

Anmerkungen

  1. Vgl. zur Bedeutung des Blumenstraußes HdA 4, 1932, Sp. 1340 f.
  2. Gal 3, 27.
  3. Vgl. Siebmacher 6/6, 1884, S. 50 f., Taf. 31. Hier linksgewendet.
  4. Vgl. Siebmacher 3/4, 1859, S. 8, Taf. 7.
  5. Vgl. Siebmacher 6/6, 1884, S. 170, Taf. 110. Hier linksgewendet.
  6. Vgl. Siebmacher 2/3, 1857, S. 14, Taf. 13; ders. 2/1, 1856, S. 48, Taf. 48.
  7. Vgl. Siebmacher 6/6, 1884, S. 56 (Greussen III.), Taf. 35.
  8. Vgl. Siebmacher 2/1, 1856, S. 28, Taf. 24.
  9. Vgl. Siebmacher 2/1, 1856, S. 110, Taf. 133.
  10. Vgl. Siebmacher 6/6, 1884, S. 69, Taf. 44.
  11. Vgl. Siebmacher 2/7, 1857, S. 11, Taf. 11. Hier fälschlich zwei Sturzsparren.
  12. Vgl. Siebmacher 3/4, 1859, S. 14, Taf. 15.
  13. Vgl. PfA Farnstädt, Kb. 1, S. 12, 478.
  14. Vgl. Sächs. StA Leipzig, Ahnenreihen 1982, Regesten v. Geusau S. 16; Pb. Wolf, Heydrich 1743/44, S. 8; König 1727, S. 427. Zu seiner Ämterlaufbahn vgl. Preller 1936, S. 137.
  15. Die späteren Söhne waren: Levin (geb. 1606), Johannes (geb. 1608), Georg (geb. 1613), Gunther (geb. 1621), Justus (geb. 1622); die Töchter: Anna Maria (geb. 1605, vgl. Nr. 161), Anna (geb. 1610), Maria (geb. 1616), Magdalena (geb. 1618), vgl. PfA Farnstädt, Kb. 1, S. 15, 17, 22, 37, 39 und S. 13, 16, 27, 30. Aus Georgs zweiter Ehe mit Anna Magdalena von Hanfstengel scheinen keine Nachkommen hervorgegangen zu sein, vgl. wie Anm. 13.
  16. Vgl. PfA Farnstädt, Kb. 1, S. 506; Pb. Wolf, Heydrich 1743/44, S. 7 f.
  17. Vgl. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 329.

Nachweise

  1. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 60 f.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 158 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0015801.