Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 101 Querfurt, ev. Stadtkirche (St. Lambert) 1558 o. später

Beschreibung

Grabdenkmal des Hans Schram, Sandstein. Die zwei zusammengehörigen Fragmente wurden in der Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts im Boden des westlichen Kirchenschiffes zwischen den Basen der beiden romanischen Säulen aufgefunden.1) Danach hatte man sie im unteren Turmbereich aufbewahrt; seit 1999 liegen sie im südlichen Seitenschiff. Die Teilstücke bildeten einst das untere Viertel des verlorenen Grabmals und weisen am Rand die verbliebene Namensangabe der ehemals umlaufend eingehauenen Inschrift auf. In der Mitte ist noch die Spitze eines Wappenschildes in Ritzzeichnung wahrnehmbar. Die untere Kante der Platte läßt eine tiefe Aussparung erkennen, die durch die Befestigung mittels einer Eisenklammer entstanden war, jedoch vom Steinmetz beim Einmeißeln der Buchstaben bereits berücksichtigt wurde. Die Rückseite zeigt zwei von gotischen Blendbögen eingefaßte Nischen und abgefaste Kanten, die von einer nicht näher bestimmbaren Erstverwendung des Werkstücks stammen.

Maße: H.: 57 cm; B.: 96 cm; T.: 15,5 cm; Bu.: 6,5–7,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/2]

  1. [– – – / – – –]ARa) · VND / · NAMHAFTb) · HANS · / SCHRAMc) · [– – –]

Wappen:
Schram.2)

Kommentar

Die Buchstaben weisen eine gleichbleibend schmal geschlagene Kerbe auf und werden nur manchmal von rechtwinklig angesetzten Sporen begrenzt. Der Schrägschaft des N und der Balken des H sind durch Ausbuchtungen nach oben bzw. unten verziert. Der Mittelteil des konischen M endet in der oberen Zeilenhälfte, das D ist offen. Die geradlinige, ausgestellte Cauda des R setzt vorn am relativ kleinen Bogen an. Als Worttrenner dienen paragraphzeichenförmige Quadrangel.

Hans Schram gehörte zu den bedeutendsten Querfurter Bürgern zur Zeit der Reformation. Webel zählt ihn zu den frühen Stiftern der Bruderschaft St. Sebastiani, die zur Zeit der Pest um 1486 gegründet worden sein soll.3) Von 1521 bis 1552 weist das Schöppenbuch Hans Schram in wechselnden Abständen als Schultheißen aus, der in Querfurt infolge der städtischen Gerichtshoheit über Hals und Hand zugleich das Amt des Bürgermeisters ausübte.4) Auch 1542 wird Schram in dieser Funktion genannt, so daß er infolge des damit verbundenen ius patronatus unmittelbar für die Berufung des ersten evangelischen Pfarrers, Valentin Pacaeus, an die St.-Lamperti-Kirche verantwortlich war.5) Er darf damit als der erste protestantische Bürgermeister Querfurts gelten. Seine Bildung wurde von Spangenberg sehr geschätzt, der während der Aufzeichnung seiner Querfurter Chronik in den Jahren 1546–50 häufiger das Gespräch mit ihm suchte.6)

Zum Besitzstand Schrams sind nur wenige Angaben überliefert: Zwischen 1521 und 1525 war er dem Kloster Helfta für einen Acker feldgleicher Größe zinspflichtig.7) 1558 wird ein Weinberg zu Spielberg sein Eigentum genannt.8) Da Schrams Name später nicht mehr erwähnt wird, kann dieses Jahr für sein Ableben als terminus a quo angenommen werden. An Verwandten lassen sich für 1570 ein Wentzel und 1549 ein Heinrich Schram nachweisen, denen im Stadtteil Naundorf mindestens ein Grundstück gehörte.9)

Textkritischer Apparat

  1. [– – – / – – –]AR] Ergänze vermutlich zu [– – – / – – – ERB]AR o. ä.
  2. NAMHAFT] Nach dem H die Aussparung.
  3. SCHRAM] Die Schaftenden der Buchstabengruppen CH und RAM berühren einander auf der Grundlinie.

Anmerkungen

  1. Ich danke Herrn Pfarrer Rudolph für diese Information.
  2. Nur noch fragmentarisch erhalten: Heraldisch links unten das gefiederte Ende eines schrägliegenden Pfeils, den eine andere, nicht mehr identifizierbare Figur durchkreuzt.
  3. Vgl. Webel [1714/15], S. 158; StdtA Querfurt, Ratsprotokolle 1624, fol. 1r; Dietmann 1/3, 1754, S. 743.
  4. Vgl. StdtA Querfurt, Schöppenbuch 1460–1570, fol. 46v–385r (passim); Bartusch 2002, S. 33f.; Voigt 1928, S. 275. S. a. StdtA Querfurt, Mem. Querf., fol. 35r. Zur juristischen Selbständigkeit der Stadt vgl. die von Herzog August von Sachsen ausgestellte Bestätigungsurkunde zu den städtischen Freiheiten, abgedruckt in Sammlungen zu den deutschen Land und Stadtrechten, T. 2, hg. v. A. F. Schott, Leipzig 1773, S. 167.
  5. Vgl. StdtA Querfurt, Schöppenbuch 1460–1570, fol. 60r; Voigt 1928, S. 275, 299. Zum ius patronatus siehe TRE 26, 1996, S. 106–114 (Lit.), insbes. S. 108f. Zu Valentin Pacaeus siehe Voigt 1926, passim.
  6. Vgl. Spangenberg 1590, o. S. (2. Widmungsvorwort).
  7. Vgl. UB Mansfeld 1888, S. 288; Schütz 1927, 7/8, S. 121. „Feldgleich“ heißt, daß die Größe des Ackers mehrere kleinere Parzellen umfaßte und zur Dreifelderwirtschaft ausreichte, vgl. zu den Flurformen LMA 4, 1989, Sp. 597f.
  8. Vgl. Webel [1714/15], S. 57.
  9. Vgl. StdtA Querfurt, Lehnbuch 1570–78, fol. 141r; StdtA Querfurt, Schöppenbuch 1460–1570, fol. 343r, 344r.

Nachweise

  1. Bartusch 2002, S. 32.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 101 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0010102.