Inschriftenkatalog: Stadt Braunschweig von 1529 bis 1671
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 56: Stadt Braunschweig II (2001)
Nr. 621† St. Johannis-Kapelle 1589, 1607
Beschreibung
Epitaph des Fritze von der Schulenburg und der Ilse von Saldern. Das aus Ölgemälden und einer hölzernen Umrahmung bestehende mehrteilige Epitaph dürfte beim Abbruch der St. Johannis-Kapelle im Jahr 1784 zerstört worden sein. Der Mittelteil des Epitaphs bestand aus drei hochrechteckigen Gemälden. Im mittleren war die Kreuzigung dargestellt, in den beiden seitlichen Gemälden die beiden Verstorbenen stehend in Lebensgröße. Oben über dem Mittelteil und seitlich außen beidseitig je 16 Wappen; die Ahnenfolge begann in der Mitte über dem Kreuzigungsgemälde mit den Wappen des Ehepaars. In der Zone darüber eine Darstellung der Auferstehung, links davon die Inschrift A, rechts die Inschrift B. Dem mittleren Feld war als oberer Abschluß ein mit Figuren besetzter Giebel aufgesetzt. Unterhalb des Mittelteils außen links und rechts die Inschrift C, darunter außen links die Initialen des Bildhauers (D), außen rechts das Meisterzeichen (M5) aus den Initialen des Malers (E). Den unteren Abschluß des Epitaphs bildete eine Tafel, auf der unter der Überschrift F die Inschriften G und H in zwei Spalten angeordnet waren.1)
Inschrift nach der Sammlung Sack.
Schriftart(en): Kapitalis (A–F), Fraktur (G, H).
- A
IOB . / XIX . / ICH WEIS / DAS MEIN / ERLÖSER / LEBET 2)
- B
GAL . / VI . / ICH RVHME / MICH NICHT / DANN DES / CREVZES / CHRISTI 3)
- C
ANNO / DOMINI // MDLX / XXVIIII .
- D
E . B . / W .
- E
FM
- F
EPITAPHIVM
- G
Des Edlen Gestrengen und Ehrenvesten Fritzen / von der Schulenburg seliger Gedächtniß Albrechts / seligen Sohn welcher im Jhar nach Christi unsers Er/lösers und Seligmachers Geburt 1518 auf dem Hau/se Osterwald gebohren ward und im Jahr 1589 . / am Tag der heiligen dreij Könige den 6 . Jan(uar) auf / dem Hauß Finenburg sein Leben mit einem Christ/lichen Abschied auß diesen Jammerthal beschloßen hat / deßen Seelen in Gottes Freude ist und sein Leib / allhier begraben liegt wartend auf die fröliche auf/erstehung der Todten welche Jesus Christus Ihme / und allen Gläubigen mit seinen Heiligen / teurem blut erworben hat etc .
- H
Der Edlen Erbaren und viel Tugend/samen Ilsa gebornen von Saldern / seliger Gedächtniß Fritzen von der Schulenburg seligern nachgelaßener Wit/ben Welche im Jar nach Christi unsers / Erlösers und Seligmachers Geburt 1539 . mit/woches nach Mathei4) im Hauß zum Lawenstein ge-/born worden und im Jahr 1607 . den 16 . Martij war / der Montag nach Letare alhier in Ihrem Johannishoffe / ihr Leben mit einem Christlichen Abschiede aus diesem / Jammerthal beschloßen hat deren Seele in Gottes Hand / ist und Ihr Leib alhier begraben liegt wartend auf die / fröliche aufferstehung der Todten welche Iesus Christus ihr / mit allen gleübigen mit seinem heligen theuren blut erworben / hat
Schulenburg | Saldern |
Bülow | Asseburg |
Bartensleben | Steinberg |
Hodenberg | Westphalen |
Oberg | Hauß |
Anefeld | Stockheim |
Bülow | Veltheim |
Münchhausen | Pappenheim |
Alvensleben | Woldenberg |
Lützow | Hörde |
Putlitz | Kerstlingerode |
Klencke | Quernheim |
Jagow | Knigge |
Retzdorff | Steinberg |
Oeynhausen | Rutenberg |
Alten | Herderinghausen |
Anmerkungen
- Beschreibung nach der Zeichnung in der Sammlung Sack, Nr. 135, Teil 1, p. 107B/C, und der Beschreibung ebd., p. 76.
- Hi. 19,25.
- Nach Gal. 6,14.
- 24. September.
- Die Wappen sind in der Sammlung Sack nur namentlich bezeichnet. Zu den Wappeninhalten vgl. die Grabplatten des Ehepaars Nr. 622 u. 629 sowie Nr. 720.
- Vgl. DI 42 (Einbeck), Nr. 92, 96–98. Die verschiedene Verwendung der Signaturen ist bisher in der Forschung zu der Wolfschen Werkstatt kaum berücksichtigt worden; daher gehen die Zuschreibungen an Ebert Wolf d. Ä. und an seinen Sohn etwas durcheinander. (Vgl. Kurt Findel, Die Bildhauerfamilie Wulff in Hildesheim. Diss. phil. 1934, S. 11–31. Sowie: Hans Schlotter, Hildesheimer Familiengeschichten, Hildesheim 1982, S. 154–160.) Nur Meier, Kunsthandwerk, S. 43, trifft eine Unterscheidung zwischen beiden Signaturen.
- Nach der Stammtafel der Familie Schulenburg in: Sta Braunschweig, H VIII A, Nr. 5080.
- Schmidt, Johanniskirche, passim.
- Vgl. Kat. Adel, S. 186.
- Vgl. die Abschrift des Testaments der Ilse von Saldern in der Sammlung Sack, Nr. 135, Teil 2 (o. P.).
Nachweise
- Sammlung Sack, Nr. 135, Teil 1, p. 6, u. Teil 3, p. 89.
Zitierhinweis:
DI 56, Stadt Braunschweig II, Nr. 621† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di056g009k0062109.
Kommentar
Die Grabschrift der Ehefrau (H) wurde offensichtlich später nachgetragen. Die Initialen in der Inschrift E stehen für den Maler Floris von der Mürtel. Die Initialen in der Inschrift D verweisen auf den Hildesheimer Bildhauer Ebert Wolf d. J., der auch das steinerne Epitaph (Nr. 629
) für Fritze von der Schulenburg anfertigte. Dieselbe Signatur kommt auch auf der Grabplatte Ludolph Schraders vor (Nr. 624, vgl. a. Kommentar Nr. 623). Offenbar grenzte sich Ebert Wolf d. J. durch die Verwendung der Signatur EBW von seinem gleichnamigen Vater ab, der seine Werke mit EW signierte.6)
Fritze von der Schulenburg war der Sohn des Hauptmanns Albrecht von der Schulenburg auf Osterwolde und Horst und der Agatha von Bülow. Er fungierte als Braunschweigischer Rat, Drost zu Vienenburg und als Obrist Kaiser Karls V.7) Verheiratet war er mit Ilse von Saldern. Das Ehepaar hatte eine sehr enge Beziehung zu der St. Johannis-Kapelle. Im Jahr 1567 kauften die Familien Quitzow und Schulenburg jeweils zur Hälfte den Prioratshof St. Johannis vom Deutschen Orden zunächst gegen den Willen des Braunschweiger Rates, der jedoch 1570 nachträglich seine Einwilligung auf 60 Jahre gab. Das Ehepaar Fritze von der Schulenburg und Ilse von Saldern bezog den Prioratshof und nahm an dem Gebäude auch Umbauten vor (vgl. A1 1585). Seit der Reformation hatte in der St. Johannis-Kapelle kein Gottesdienst mehr stattgefunden. Im Jahr 1573 weihte Martin Chemnitz die Kapelle wieder ein; der Pastor, der dort zweimal in der Woche den Gottesdienst abhielt, wurde von den Familien Schulenburg und Quitzow bezahlt. Auch nach dem Tod ihres Ehemannes lebte Ilse von Saldern weiter im Prioratshof, dessen Anteil nach ihrem Tod im Jahr 1607 in den Besitz ihrer Schwester Sophie von Saldern überging, da das Ehepaar keine Kinder hatte.8) In der St. Johannis-Kapelle befanden sich insgesamt vier Grabdenkmäler für Fritze von der Schulenburg und Ilse von Saldern: eine Grabplatte (Nr. 622) und ein Epitaph (Nr. 629) des Ehemanns, eine Grabplatte der Ehefrau (Nr. 720) sowie das Epitaph für beide.
Ilse von Saldern ist auch die Bauherrin des Schlosses Hehlen, das sie in den Jahren 1574 bis 1576 in Abwesenheit ihres Mannes errichten ließ. Nach dem Tod ihres Ehemanns wurde sie in Auseinandersetzungen mit dem Herzog Heinrich Julius verwickelt, als sie im Einverständnis mit der Stadt auf der Burg in Braunschweig ein Haus für ihren Bruder Hildebrand von Saldern errichten lassen wollte.9) Sowohl Fritze von der Schulenburg als auch seine Ehefrau setzten testamentarisch jeweils die hohe Summe von 10000 Reichstalern zur Begründung einer Stiftung aus, mit Hilfe derer Bedürftigen ein Studium finanziert werden sollte. Das Geld des Ehemanns sollte Theologiestudenten zugute kommen, von dem Ertrag der 10000 Reichstaler der Ehefrau sollten jährlich drei Studenten Jura, zwei Medizin und die übrigen Theologie studieren.10)