Inschriftenkatalog: Stadt Braunschweig von 1529 bis 1671

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 56: Stadt Braunschweig II (2001)

Nr. 416† Hintern Brüdern 5/6 um 1530, 1583

Beschreibung

Hausinschriften.1) Das dreigeschossige traufenständige Haus mit Zwischengeschoß und zwei vorgekragten Obergeschossen wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Schwellen der beiden Obergeschosse trugen Inschriften, die in zwei- oder dreizeilig übereinander angeordneten Schriftbändern ausgeführt waren. Die Inschrift A stand auf dem Schwellbalken des zweiten Obergeschosses, links daneben ein nach rechts gewendeter Kopf, dem die Inschrift als eine Art Schriftband zugeordnet ist. Die Inschrift B auf dem linken Teil des Schwellbalkens des ersten Obergeschosses war in derselben Weise ausgeführt, auch hier links auf dem Balken ein rechtsgewendeter Kopf. In der Mitte des Schwellbalkens eine männliche Halbfigur mit erhobenen Armen über dem Anfang der Schriftbänder mit dem zweiten Teil der Inschrift. Über der Haustür die Jahreszahl C.

Inschriften A und B nach Photographie, C nach Steinacker.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien (A, B).

Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [1/1]

  1. A

    Sint gy nu Mita) Chr(ist)o vpgesta(n) So Soket wat Dar bouen Js Dar Christus Js Sittend to D(er) rechteren hand gades weset Des gela[...]b) wat Dar boven Js nicht Des dat vp Erde(n) Js 2) / So Denne Jemant to jw wert Seggen Seet hir Js Cristus Edderc) dar So Schuled) gy Jt Nichte) loven 3) we(n)te Dat weth Jck Swared) wulue De Der Schard) nicht vorsconen werde(n) werde(n) kom(men) Nae) Minema) Afsche(den) 4)

  2. B

    Ro 15 // De leve sy ungeverwet / hatet Dat Bose hanget / De(n) gude an west Mita) Broderliker leve undeinanderf) / fruntlick Einc) kame de(n) andere(n) Mita) Erbedinge vor weset nicht trach Jn / ivwe wornemende weset / vurich Jn De(n) geiste 5) // Ick Bin Dat Broet Des levendes Juwe Veder / hebbe(n) hemel Brot gegeten vn sint gestoruen / Dvt Js Dat Brot Dat van Dem hemel kumpt vp Dat wol / Dar van Jst nicht Sterue Jck Bin Dat leuendige brot ys Mina) Flesck Jck ge(wen) werd(e) 6)

  3. C

    anno d(omi)ni 1583

Kommentar

Die Datierung der Inschriften A und B gründet sich auf die große Ähnlichkeit zu den auf das Jahr 1531 datierten Inschriften des Hauses Fallersleberstr. 15 (Nr. 418), die ebenfalls auf verschlungenen Schriftbändern stehen und die gleiche Gestaltung der Schriftformen und der figürlichen Darstellungen aufweisen. An den beiden Häusern dürfte derselbe Zimmermann tätig gewesen sein. Zu den Schriftformen vgl. Fallersleberstr. 15, da die ohne farbige Fassung erhaltenen Balken eine eingehendere Schriftbeschreibung zulassen. Eigenartigerweise finden sich an beiden Häusern von der heutigen Zählung und Bezeichnung stark abweichende Angaben der Bibelstellen. Es ist zu vermuten, daß sich auch an dem Haus Hintern Brüdern 5/6 weitere Angaben von Bibelstellen befunden haben, die jedoch nicht farbig gefaßt waren und daher auf der Photographie nicht zu erkennen sind.

Die niederdeutschen Bibelzitate entsprechen am ehesten den niederdeutschen Bibeln Lübeck 1533 und Magdeburg 1536, weichen jedoch an verschiedenen Stellen von dem Text der beiden Bibeln ab. Ein Vergleich mit den vorlutherischen Bibelübersetzungen Köln 1478 und Lübeck 1494 zeigt jedoch, daß die Inschriften eindeutig in der Tradition der lutherischen Bibelübersetzung stehen. Möglicherweise wurde die Ausführung der Inschriften stark durch mündliche Tradierung der Bibelzitate bestimmt.

Textkritischer Apparat

  1. Der erste Buchstabe in Form eines byzantinischen M.
  2. weset Des gela[...]] Die letzten Buchstaben nicht sinnvoll zu lesen, möglicherweise durch die farbige Fassung verfälscht. Die niederdeutschen Bibelübersetzungen bieten keine Hilfe bei der Rekonstruktion der Stelle, da sie hier vom Text der Inschrift abweichen: Lübeck 1494 soket de dinge; Halberstadt 1522 smeket de dinge; Lübeck 1533 und Magdeburg 1536 trachtet na deme.
  3. Der erste Buchstabe in Form eines epsilonförmigen E.
  4. S spiegelverkehrt.
  5. N spiegelverkehrt.
  6. Das letzte n hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Nro. 2727/2728.
  2. Kol. 3,1f.
  3. Mt. 24,23.
  4. Apg. 20,29.
  5. Rö. 12,9–11.
  6. Jh. 6,48–51, am Ende des Balkens verkürzt, da der Platz nicht mehr ausreichte.

Nachweise

  1. Photographien: NLD Hannover, BS 2198. Städtisches Museum, Topographische Sammlung (A, B).
  2. Steinacker, Häuserkatalog (C).
  3. Fricke, Fachwerk, S. 31f.
  4. Abb.: Fricke, Bürgerhaus, Tafel 92.

Zitierhinweis:
DI 56, Stadt Braunschweig II, Nr. 416† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di056g009k0041600.