Inschriftenkatalog: Stadt Braunschweig. Kloster Riddagshausen und eingemeindete Dörfer

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 7: Stadt Braunschweig III (2023)

Nr. 62 Ölper, Celler Heerstraße 46 1642

Beschreibung

Sog. Ölper Turm. Fachwerk. Das traufständige Gebäude ist zwei Geschosse hoch und elf Gefache breit.1) Der neben dem Fachwerkbau befindliche steinerne Wehrturm wurde 1825 abgerissen und durch einen Fachwerkbau mit Turmaufsatz ersetzt.2) Das als Landwehrkrug errichtete Gebäude war noch bis 2005 als Gaststätte in Betrieb; nach umfangreichen Renovierungsarbeiten zwischen 2017 und 2020 dient es heute als Wohngebäude.3) Das Fachwerk ist reich verziert mit Beschlagwerk, gedrehten Schnüren mit Perlen als Unterbrechung und floralen Rankenverzierungen.4) Am zweiten Ständer von Osten ein Wappen mit einer Hausmarke (s. Materialien). Die Inschriften sind auf dem Schwellbalken zwischen sich kreuzenden Bändern erhaben geschnitzt. Auf eine farbige Ausgestaltung der Ornamente und Inschrift wurde bei der Renovierung verzichtet.5)

Maße: Bu. ca. 10 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Niedersächsische Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Anna Weissmüller) [1/9]

  1. A

    GOTT ˑ WOLLE ˑ ALLER ˑ FROMMEN ˑ BEHVTER ˑ SEIN ˑDIE ˑ ZV ˑ DIESEM ˑ HAVSE ˑ GEHEN ˑ AVS ˑ VNDT ˑ EIN ˑ

  2. B

    B ˑ G ˑ A ˑ ˑa) ˑ B ˑ H ˑ Rb) ˑ ANNO ˑ 1 ˑ 6 ˑ 4 ˑ 2

Versmaß: Deutscher Reimvers (A).

Wappen:
?6)

Kommentar

Kapitalis mit dreieckigen Sporen an den Schaft-, Balken- und Bogenenden. A mit nach unten geknicktem Mittelbalken, H mit einer Einbuchtung am Mittelbalken. Zweibogiges, zweistöckiges Z. Die Cauda des R ist weit ausgestellt. Der Schaft der 1 ist unten gespalten und beidseitig umgebogen.

Der Ölper Turm war einer der sieben Wehrtürme der Braunschweiger Landwehr, der äußeren Befestigungsanlage der Stadt Braunschweig, welche am Ende des 14. Jahrhunderts errichtet wurde.7) Der zunächst aus Holz gefertigte Wehrturm wurde 1413 durch einen steinernen Bau ersetzt. Bereits 1554 erhielt die Wehranlage eine Landwehrschänke, an deren Stelle 1642 der bis heute erhaltene Bau errichtet wurde.

Die vor der Jahreszahl befindlichen Initialen lassen sich mit den Namen der beiden Ratsherren und Bürgermeister der Braunschweiger Neustadt Georg Achtermann (1625–1656) und Hennig Roerhand (1628–1659) auflösen.8)

Georg Achtermann wurde am 06. September 1584 als Sohn des Kaufmanns und Bürgermeisters der Neustadt Georg Achtermann (um 1536–1612) und seiner ersten Frau Ilse Schrader (1545–1604) geboren. Nach seiner Ausbildung in Nürnberg trat er als Kaufmann in die Wollhandlung seines Vaters ein. Am 29. Januar 1611 heiratete er in erster Ehe Lucia von Strombeck († 1641), Tochter des Bürgermeisters der Braunschweiger Altstadt Curdt von Strombeck. Am 29. Oktober 1643 vermählte er sich in zweiter Ehe mit Dorothea Riecke († 1687), Tochter des Braunschweiger Zehnmanns Henning Riecke. Aus seiner ersten Ehe entstammen neun Kinder. 1615 wurde er zum Zehnmann gewählt, 1625 erfolgte die Ernennung zum Ratsherrn und am Folgetag zum Bürgermeister der Neustadt. Georg Achtermann verstarb am 16. Januar 1656 und wurde am 20. Januar auf dem Friedhof der Andreaskirche in Braunschweig beigesetzt.9)

Hennig Roerhand gehörte von 1628 bis 1659 dem Rat der Braunschweiger Neustadt an. Von 1628 bis 1630 amtierte er als Gerichtsherr, von 1632 bis 1634 als Bruchkämmerer und von 1635 bis zu seinem Tod als Bürgermeister. Er wurde am 06. Februar 1659 auf dem Friedhof der Andreaskirche in Braunschweig beigesetzt.10)

Textkritischer Apparat

  1. Worttrenner in Form einer längsovalen Kartusche.
  2. Zur Auflösung der Initialen siehe den Kommentar.

Anmerkungen

  1. Das noch 1818 auf einer Zeichnung von A. Wehrt zu erkennende Fachwerk des unteren Geschosses hat sich nicht erhalten. Siehe Lindemann, Ölper, S. 271, Abb. 60.
  2. Vgl. Lindemann, Ölper Turm, S. 54.
  3. Eine umfangreiche Renovierung des Gebäudes fand bereits zwischen 1979 und 1982 durch den Bauunternehmer Dr. Artur Wiswedel statt. Vgl. Informationstafel am Haus.
  4. Ähnliche Verzierungen finden sich auch am Rüninger Zollhaus, vgl. Kat.-Nr. 63.
  5. Bei den Renovierungsarbeiten zwischen 1979 und 1982 wurden die Ornamente und die Inschrift farbig ausgemalt. Vgl. Lindemann, Ölper Turm, S. 62 mit Fotos vom vom damaligen Zustand (S. 61).
  6. Wappen ? (Hausmarke ).
  7. Zur Braunschweiger Landwehr siehe u. a. Bornstedt, Chronik Rüningen, S. 40–48.
  8. Vgl. Lindemann, Ölper Turm, S. 51.
  9. Biographische Angaben nach Roth, Leichenpredigten, Bd. 7, Nr. 6962 sowie Reidemeister, Genealogien Braunschweiger Patrizier- und Ratsgeschlechter, S. 15f. Zu Georg Achtermann siehe auch DI 56 (Stadt Braunschweig II), Nr. 800.
  10. Biographische Angaben nach Spieß, Ratsherren, S. 157.

Nachweise

  1. NLA WO, 142 N, Nr. 6 (Bethmann, Aufnahmebögen) s. v. Oelper.
  2. Kdm. Kreis Braunschweig, S. 109.
  3. Lindemann, Ölper, S. 120.
  4. Lindemann, Ölper Turm, S. 51.

Zitierhinweis:
DIO 7, Stadt Braunschweig III, Nr. 62 (Anna Weissmüller), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio007g003k0006201.