Inschriftenkatalog: Stadt Bonn

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 50: Bonn (2000)

Nr. 143(†) Münster 1624

Beschreibung

Epitaph für die Familie Grewel1) mit Memorialinschrift (A), Bibelzitat (B) und verlorener Datierung (D), im südlichen Querschiff. Stuck. Im Aufbau vor Rundbogenarchitektur Christus als Salvator mit Kreuzstab; rechts vor ihm auf einem Kissen kniend der adorierende Stifter in Kanonikertracht (restauriert). Zur Linken Christi sitzender geflügelter Engel mit Spruchband (Inschrift C, weitgehend erloschen). An den Kämpfern und am Scheitel des Bogens drei weitere geflügelte Engel mit leeren Spruchbändern. Alle Figuren vollplastisch. An der Rückwand ist unterhalb des abschließenden Rundbogens, der Bogenlinie folgend, Inschrift B eingehauen. Die rechteckige Sockelzone wird durch ein großes Schriftfeld mit der zwischen schwach vorgezogenen Linien eingehauenen Inschrift A ausgefüllt. Den unteren Abschluß bildet eine Kartusche mit den Elternwappen des Verstorbenen, zwischen denen sich früher die Jahreszahl 1624 befunden hat.2) Der erste Buchstabe jeder Zeile und einige andere Versalien der Inschrift A sind durch Größe hervorgehoben. Schriftfeld an mehreren Stellen nach Beschädigung ergänzt. Das Epitaph war bis in die 2. Hälfte des 19. Jh. hinein koloriert und Inschrift A in goldenen Buchstaben auf schwarzem Grund ausgeführt.3)

Maße: H. 232, B. 110, Bu. 2,5 (A), 3 (B, C) cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/3]

  1. A

    FVI NEC ALIO CVNETAa) DIGNOR NOMINE /HVMANA QVAM FVEREb) QVAM MVLTOS TVLIT /PROPAGO GRVELIANA PALMITES SED HEV /FVEREb) QVID MORTALIBVS FVIT DIV! /POSTREMVS EGO POSTREMA DVXI STAMINA /BONNAE CANONICVS CASIJc) ET FLORENTIJc) /HEV STIRPIS EGO CONCLVSIO MEVM MEAd) /CONCLVDO STEMMA MORTE TRANSIJc) FAVE /LECTOR PRECARE A TE QVOD VLTIMV(M) PRECOR /VT STEMMA MORTVVM SOLO VIVAT POLO

  2. B

    QVI SITIT VENIAT ET BIBAT4)

  3. C

    [.........]O[M..........]e)

  4. D†

    1624

Übersetzung:

Ich bin dahin! Und ich halte alle menschlichen Dinge keiner anderen Bezeichnung für würdiger als: dahin zu sein. Wie viele Zweige trug der Stamm Grewel, doch ach! – sie sind dahin. Was ist den Sterblichen von Dauer? Als Letzter habe ich, Kanoniker des Cassius und Florentius zu Bonn, die letzten Fäden gesponnen. Weh! Als letzter Abkömmling des Geschlechts bringe ich meinen Stammbaum durch meinen Tod zum Abschluß! Ich bin vergangen. Geneigter Leser, bete, was ich als Letztes von dir erbitte, daß das ausgestorbene Geschlecht in dem einzigen Himmel leben möge! (A)

Wer dürstet, möge kommen und trinken. (B)

Versmaß: Jambische Trimeter (A).

Wappen:
Grewel,5) unbekannt.6)

Kommentar

Nur ein Mitglied der Familie Grewel ist als Kanoniker des Cassiusstiftes nachweisbar und kommt somit als Stifter des Epitaphs in Frage: Johannes Grewel, der 1630 verstarb (vgl. Nr. 160). Da das Epitaph nicht nur dem Totengedenken seiner Person dient, sondern das Andenken seiner ganzen Familie sichern soll, verwundert es nicht, daß die Inschrift – im Unterschied zu den anderen Epitaphien in der Münsterkirche – keine Lebensdaten, Ämter und Ehren überliefert. Sie steht vielmehr vollständig im Zeichen der Klage über die Vergänglichkeit alles Irdischen und das Aussterben der Familie Grewel. Man darf daher vermuten, daß der Tod des letzten Verwandten den konkreten Anlaß für die Stiftung des Epitaphs gegeben hat. Der Text ist durch Versmaß, Leseranrede und Wortwahl7) bewußt antikisierend gestaltet.

Textkritischer Apparat

  1. Sic! N, E und T ergänzt.
  2. Längenzeichen über dem ersten E.
  3. Ligatur in Form eines Y.
  4. Längenzeichen über dem A.
  5. HOMO Pick.

Anmerkungen

  1. Clemen weist – wohl in Anlehnung an Pick, Bonner Zeitung 1869, Nr. 67 – das Epitaph irrtümlich einem (nicht nachweisbaren) Kanoniker Krane (de Grue) zu. Siehe aber bereits Pick, Bonner Zeitung 1869, Nr. 174.
  2. So überliefert bei Pick und Clemen, KDM.
  3. Pick.
  4. Vgl. Io 7,37.
  5. Dornenkreuz.
  6. 3 (2, 1) Mörser.
  7. Hinter der Formulierung DVXI STAMINA dürfte sich eine Anspielung auf die antiken Parzen verbergen, die die Schicksalsfäden spannen.

Nachweise

  1. Pick, Bonner Zeitung 1869, Nr. 67.
  2. Clemen, KDM, S. 85.

Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 143(†) (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k0014303.