Inschriftenkatalog: Stadt Bonn

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 50: Bonn (2000)

Nr. 133 Münster 1622

Beschreibung

Retabel des Geburt-Christi-Altars mit Stiftungsinschrift (A), Beischrift (B) und liturgischem Zitat (C). Am südlichen Vierungspfeiler. Figuren, Ornamente und Wappen aus hellgrauem, Säulen aus rötlichem, der Rest aus schwarzem Marmor. Am Sockel Schriftfeld mit der eingehauenen und mit goldener Farbe ausgefüllten Inschrift A auf schwarzem Grund. Darüber zwischen Säulen und unter einem von Blendpfeilern getragenen doppelten Rundbogen eine in Halb- und Flachrelief gearbeitete Geburt Christi mit den Hirten und mit der Verkündigung an die Hirten im Hintergrund. Im Vordergrund links die vollplastische Figur des im Gebet knienden Stifters in Rüstung. Im Auszug in einer Rundbogennische eine vollplastische Sitzfigur Papst Urbans im Ornat mit der Tiara, ein Buch in der Rechten und ein Schwert in der Linken.1) Über der Nische in einer kleinen Rollwerkkartusche die Inschrift B in erhabenen Buchstaben. Der Papst ist von insgesamt 16 vollplastischen Wappenschilden umgeben, die alle leer sind und deren Bearbeitung überwiegend nicht über die Bosse hinaus gelangt ist. Links und rechts davon auf Sockeln frei stehende, ebenfalls vollplastische Figuren der hl. Helena mit Kreuz und des hl. Cassius mit Speer und Schild. In der Krönung in einem Rundmedaillon ein reliefiertes Brustbild des segnenden Gottvaters mit der Weltkugel, dessen Hintergrund dem Himmel der Geburtsszene entspricht und diese somit nach oben hin fortsetzt. Das Brustbild wird seitlich von zwei geflügelten Engelsköpfen und von Fruchtornamenten begleitet. Den oberen Abschluß bildet die Halbfigur eines Engels mit Spruchband (Inschrift C in erhabenen Buchstaben). Die Versalien der ersten, in Kapitalis ausgeführten Zeile der Inschrift A sind durch Größe hervorgehoben.

Maße: H. ca. 650, B. 195, Bu. 3,5/4,5 cm (A), ca. 8 (B), ca. 10 (C) cm.

Schriftart(en): Kapitalis (A, B, C), Fraktur mit Versalien aus der Kapitalis (A).

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/2]

  1. A

    DEI VERBO INCARNATO ET S(ANCTO) VRBANO P(IAE) M(EMORIAE) / Praenob(ilis) et Strenuus D(ominus) Damianus von der Leyen. R(everendissi)mia) et Ill(ustrissi)mia) P(atris) / Archep(iscopi)b) Treveren(sis) Prin(cipis) Elect(oris) in eadem Vrbe locum tenens et Con=/siliarius D(omi)n(u)s in Artzdorf Munchweiler. Reinheim. etc. ex pia / voluntate chariss(imi) fratris sui D(omini) Io(hannis) Frederici von der Leyen / in Adendorf etc. qui ad memoriam suor(um) Maior(um) coeperat / haeres post fata eius perfecit et dedic(avit) An(n)o M. DC. XXIIc)

  2. B

    VRBAN(VS)

  3. C

    GLORIA IN EXCELSIS DEO2)

Übersetzung:

Dem fleischgewordenen Wort Gottes und dem heiligen Urban frommen Angedenkens hat der hochedle und gestrenge Herr Damian von der Leyen, Statthalter und Rat des hochwürdigsten und vornehmsten Vaters, des Erzbischofs und Kurfürsten von Trier in dieser Stadt, Herr in Arzdorf, Münchweiler, Reinheim etc., (dies) aus dem frommen Willen seines geliebten Bruders, Herrn Johann Friedrich von der Leyen in Adendorf etc. heraus, der (es) zum Gedenken seiner Vorfahren begonnen hat, nach seinem Tode als sein Erbe vollendet und geschenkt im Jahre 1622. (A)

Ehre sei Gott im Himmel. (C)

Kommentar

Die Stiftungsinschrift stellt das wohl schönste Bonner Beispiel für eine Inschrift in Fraktur dar. Sorgfältig gehauen, mit wohlgeformten Schwellzügen, aber ohne Zierelemente an den Hastenenden vermittelt sie einen eher nüchternen, schlichten Eindruck, der durch die Verwendung von Kapitalis-Versalien unterstrichen wird. F und langes s entsprechen noch ihrer Form in der gotischen Minuskel, ihre Schäfte sind dementsprechend auf der Grundlinie nach rechts umgebogen. Ein- und zweistöckiges a werden im Wechsel verwendet, der Schaft des p wird unmittelbar unterhalb des Bogens von einem kleinen Balken durchschnitten. Als Kürzungszeichen und Worttrenner werden Quadrangeln auf der Grundlinie verwendet, auch die i-Punkte haben die Form von Quadrangeln.

Der Geburt-Christi- oder Krippenaltar war ursprünglich dem hl. Urban geweiht.3) Damian von der Leyen († 1639) aus der Adendorfer Linie des Geschlechts war von 1581 bis 1600 Trierer Domherr, resignierte dann und ist in der Folgezeit als Kurtrierer Amtmann und Geheimer Rat des Ebf. Lothar von Metternich († 1623), seit 1615 auch als Kaiserlicher Rat und Statthalter zu Trier bezeugt.4) Zu seinen Söhnen gehören der Trierer Erzbischof Karl Kaspar und der Mainzer Erzbischof und Wormser Bischof Damian Hartard. Sein einziger Bruder Johann Friedrich, Kurkölner und Kurtrierer Rat, starb 1619.5)

Entgegen der Angabe, Damian von der Leyen habe das Retabel vollendet ( perfecit), blieben die Wappen unausgeführt. Die Formulierung läßt aber jedenfalls darauf schließen, daß das Werk bereits vor dem Tode Johann Friedrichs 1619 begonnen wurde. Der Künstler des Hochreliefs ist nicht bekannt; Pick und Clemen vermerken, es stamme „angeblich von Zamboni“.

Textkritischer Apparat

  1. Endsilbe hochgestellt.
  2. Sic! Kürzung: Archep.
  3. Jahreszahl unter Verwendung neulateinischer Zahlzeichen: M besteht aus einer Haste zwischen zwei einander zugewandten Bögen, D aus einer Haste vor einem nach links offenen Bogen.

Anmerkungen

  1. Die Darstellung Urbans mit dem Schwert als seinem Marterwerkzeug ist sehr selten (J. Braun, Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst, Stuttgart 1943, Sp. 705).
  2. Beginn des „Gloria“ aus dem Meßordo (nach Lc 2,14).
  3. Höroldt, St. Cassius, S. 314.
  4. Stammtafel des mediatisierten Hauses von der Leyen und zu Hohengeroldseck, bearb. von W. Möller, Unterdießen bei Landsberg a. L. 1950, Tf. V; S. Gräfin zu Dolmen, Die ständischen Verhältnisse am Domkapitel von Trier vom 16. bis zum 18. Jh. (Schriftenreihe zur Trierischen Landesgeschichte u. Volkskunde 6), Trier 1960, S. 156.
  5. Ebd.

Nachweise

  1. Pick, Bonner Zeitung 1869, Nr. 79.
  2. Clemen, KDM, S, 83.

Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 133 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k0013307.