Inschriftenkatalog: Stadt Bonn

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 50: Bonn (2000)

Nr. 126 Münster 1619 oder wenig später

Beschreibung

Retabel des Dreifaltigkeitsaltars mit Stiftungs- und Memorialinschrift (A) sowie Bibelzitat als Bildbeischrift (B) auf der Empore des nördlichen Seitenschiffs. Der ursprüngliche Standort war der heutige Kanzelpfeiler an der Evangelienseite des Langschiffs.1) Öl auf Holz. Im Mittelfeld des Triptychons der Gnadenstuhl: Gottvater thront auf der Erdkugel mit dem Leichnam Christi auf dem Schoß. Seitlich halten zwei Engel Zipfel des Leichentuchs. Darüber der Heilige Geist in Gestalt der Taube. In den Wolken kleine Engel mit den Marterwerkzeugen. Am Rand links unten der kniende, betende Stifter in Kanonikertracht, der den Betrachter ansieht. Auf den Innenflügeln die Heiligen Cassius (mit Fahne und Schild) und Helena (mit Kreuz und Kirchenmodell), auf den Außenflügeln die Muttergottes mit Kind und die hl. Barbara (mit Kelch und Buch). Der Altar trug früher einen flachgiebeligen Aufsatz mit einer Darstellung der Taufe Christi. Inschriften auf zwei nebeneinander angeordneten Kassettenfeldern am Sockel aufgemalt, gold auf schwarzem Grund. Einige Wortanfänge sind durch größere Versalien hervorgehoben.

Maße: H. 240, B. 235, Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    IN HONOREM SANCTISS(IM)AEa) ACb), INDIVIDVAE TRINI=/TATIS V(E)N(ERABI)LISc) D(OMINVS) IOANNES A VREDEN CANONICVSd) / HVIVS ECCLESIAE VIVENS ANNO 1603 · / POSVIT, OBIIT VERO · A(NN)O 1619, DIE 31. IVLIJe) / CVI(VS)f) A(N)I(M)A REQVIESCAT IN PACE

  2. B

    ECCE PVER MEVS SVSCIPIA(M)g) EVM=ELECTVS / MEVS COMPLACVIT SIBI IN ILLO / ANIMA MEA DEDI SPIRITV(M) MEVM SVPER / EVM: IVDICIVM GENTIBVS PROFERET ESA / 422)

Übersetzung:

Zu Ehren der allerheiligsten und einigen Dreifaltigkeit hat der hochwürdige Herr Johannes von Vreden, Kanoniker dieser Kirche, (dies) zu Lebzeiten im Jahre 1603 errichtet. Er starb aber im Jahre 1619 am 31. Juli, seine Seele ruhe in Frieden.(A)

Siehe, mein Sohn, ich halte ihn aufrecht; mein Auserwählter, an ihm hat meine Seele Wohlgefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er wird den Völkern Recht bringen.(B)

Kommentar

Johannes von Vreden wurde 1591 zur ersten Residenz zugelassen3) und ist 1594 als Wochenmeister,4) 1608–1619 als Magister Ornatus5) und 1619 als Thesaurar6) belegt. Sein Todesdatum wird durch die Kapitelsprotokolle bestätigt.7) Für seine Memorie stiftete er dem Kapitel testamentarisch „ornamenta quaedam ex aureo et holoserico contexta, unum scilicet pluviale cum una casula et 2 dalmaticis adhuc altero pluviali ex serico et aureis rosis contexto“.8) Offenbar war seinem Tode eine längere Krankheit vorausgegangen, da er „in lecto extremae iam aegritudinis suae existente“ gewisse Änderungen seines letzten Willens formulierte.9) Sie bezogen sich auf die Verwendung des Erlöses aus dem Verkauf seines Kanonikerhauses, das er „post devastationem Schenckianam ... pro maiori parte restauravit“.10) Als Resultat eines diesbezüglichen Briefwechsels zwischen dem Stiftskapitel und den Erben des Verstorbenen stifteten diese weitere 100 Goldgulden für eine Memorie.11) Vermutlich ist es Vredens großzügigen Legaten an das Cassiusstift zu verdanken, daß das Kapitel den von ihm gestifteten Altaraufsatz nachträglich mit einer Stiftungs- und Gedächtnisinschrift versehen ließ.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch zwei parallele Schrägstriche.
  2. ET Clemen, KDM.
  3. Endsilbe hochgestellt, zwei parallele Schrägstriche hinter dem N.
  4. Die beiden letzten Buchstaben sind hochgestellt, darunter zwei parallele Schrägstriche.
  5. Ligatur in Form eines Y.
  6. Kürzung durch Häkchen.
  7. Kürzungsstrich fehlt, bei Pick noch überliefert.

Anmerkungen

  1. Höroldt, St. Cassius, S. 313.
  2. Is 42,1: „ecce, servus meus...“.
  3. PfA St. Martin 227, Bl. 66v. Er hatte die priesterlichen Weihen erhalten (ebd., Bl. 171r).
  4. Ebd., Bl. 166r. Zu diesem Amt siehe Höroldt, St. Cassius, S. 102.
  5. PfA St. Martin 228, Bl. 80v. Zu diesem Amt siehe Höroldt, St. Cassius, S. 103.
  6. PfA St. Martin 228, Bl. 54v.
  7. Ebd., Bl. 72v.
  8. Ebd., Bl. 73r.
  9. Ebd., Bl. 75r zu 1619 Sept. 16.
  10. Ebd., Bl. 74r zu 1619 Aug. 31.
  11. Ebd., Bl. 78v (1619 Sept. 23), 102v (1620 März 10).

Nachweise

  1. Pick, Bonner Zeitung 1869, Nr. 79.
  2. Clemen, KDM, S. 82.

Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 126 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k0012602.