Inschriftenkatalog: Stadt Bonn

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 50: Bonn (2000)

Nr. 113† Kessenich, St. Nikolaus 1574–1613?

Beschreibung

Marienglocke mit Glockenspruch. Vor 1899 untergegangen. Größe und Aussehen unbekannt.

Inschrift nach Maaßen, dort nach einem heute verlorenen „Liber primarius“ der Pfarre Kessenich.1)

  1. Maria heis ichIan von Trier goß michzu ehren gottes laut ichfur ungewitter bewahr ich

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Angeblich war die Inschrift als Chronogramm konzipiert, aus dem sich die Jahreszahl 1484 als Gußjahr ergab.2) Chronogramme sind allerdings vor dem 17. Jh. auf Glocken kaum denkbar. Außerdem beinhaltet die Inschrift zweimal den Ziffernbuchstaben M, würde also weit ins 3. Jahrtausend weisen. Zumindest kann man aus dieser unzutreffenden Angabe aber mit einiger Wahrscheinlichkeit folgern, daß die Inschrift in Kapitalis ausgeführt war. Die Glocke taucht in der bisherigen Forschung über die Arbeiten der Glockengießerfamilie van Trier nicht auf. Der Vergleich mit den Texten auf anderen Trier-Glocken ergibt, daß die kopiale Überlieferung hinsichtlich der Sprachform der Inschrift vermutlich als unzuverlässig beurteilt werden muß. Die Formen heis (statt heischen), goß (statt gois), laut (statt luden), ungewitter (statt ungeweder) und schließlich bewahr (statt verdriven) entsprechen weder dem üblichen Formular der Trier-Glocken3) noch dem regionalen Sprachgebrauch. Da Informationen über die Glockenzier fehlen und der Inschrifttext vermutlich nicht wortgetreu überliefert ist, kann die Glocke nicht mit Sicherheit einem der Gießer namens Johan van Trier zugewiesen werden. Der erste nachweisbare Gießer dieses Namens bezeichnete sich nur zwischen 1469 und 1475 als Johan van Trier.4) Der Unwettervers gehörte durchaus zu dem von ihm bevorzugten Text, allerdings in der Formulierung alle ungeweder verdriven ich. Die von ihm regelmäßig verwendete Eigentitulierung als meister fehlt in der überlieferten Version der Inschrift. Zwischen 1514 und 1541 ist Johan II. van Trier als Gießer nachweisbar.5) Auch für ihn sind kölnisch-ripuarisch geprägte Inschriften unter Verwendung des Wetterverses bezeugt, in dem er allerdings ungeweder durch donre ersetzt.6) Die größten Übereinstimmungen lassen sich mit den Inschriften auf den Glocken Johans IV. van Trier feststellen. Er bevorzugt deutschsprachige Texte in Kapitalisbuchstaben und verwendet sowohl Varianten des Wetterverses als auch (im Unterschied zu den älteren Gießern desselben Namens) die Formulierung in de ere. Johan IV. van Trier ist zwischen 1574 und 1613 belegt. Innerhalb dieses Zeitraums könnte die Glocke gegossen worden sein. Möglicherweise wurde die Glocke zu einem unbekannten Zeitpunkt umgegossen und der Text dabei verändert.

Anmerkungen

  1. Der „Liber primarius“ wird bei Maaßen mehrfach zitiert, ist aber an anderer Stelle nicht nachweisbar. Ebenso ist nicht bekannt, wann er angelegt wurde.
  2. Siehe Maaßen; Dietz.
  3. Vgl. Poettgen, Studien, S. 11, 13.
  4. Ebd., S. 10–13.
  5. Zu ihm vgl. ebd., S. 16–20.
  6. Für diese und die folgenden Informationen danke ich Herrn Jörg Poettgen, Overath.

Nachweise

  1. Maaßen, Dekanat Bonn-Land, S. 63, Anm. 4 (nach dem verschollenen Liber primarius, S. 66).
  2. J. Dietz, 75 Jahre 1891–1966 Katholische Pfarrkirche St. Nikolaus Bonn-Kessenich, Bonn 1966, S. 13.

Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 113† (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k0011305.